Das Ökolabor im Busch

Pioniere für neue Wege in Afrikas Landwirtschaft

erschienen in: afrika süd, Nr.3, Mai/Juni 1999
Autorin und © Ute Sprenger

Abseits der Straße vor den Toren der Hauptstadt Harare liegt Fambizanai Permaculture Centre, ein kleines Labor, wo an ökologischen Methoden der Schädlingskontrolle geforscht wird. Das Ökolabor gehört zu einer Modellfarm, auf der an überlieferten Anbaukenntnissen angeknüpft wird und wo man nachhaltige Wege zur Landwirtschaft erforscht. So bildet das Labor auch Kleinbäuerinnen und -bauern aus, die im Tal des Sambesi Baumwolle anbauen.

Die fortschreitende ökologische Zerstörung und der Verlust an biologischer Vielfalt macht auch vor Simbabwe, das sich touristisch noch immer als ein "Paradies" verkauft, nicht halt. Vor allem die intensive Landwirtschaft, eine der Haupteinkommensquellen des Landes, läßt die Böden degradieren. Und mit den klimatischen Veränderungen im vergangenen Jahrzehnt stoßen immer mehr Kleinbauern, die auf Hybridmais und chemieintensiven Anbau setzen, an ihre Grenzen.

intensiver Tabakanbau - ueberwiegend in weisser Hand Zwar werden einheimische Getreidesorten, die den Bedingungen von Klima und Boden viel besser angepaßt sind als kommerzielle Hybridsaaten, noch immer kultiviert. Vieles aber ging bereits verloren. Und in manchen Regionen sind Landsorten von Getreide oder Gemüse ebenso wie das dazugehörige Wissen über Anbau und Lagerung bereits vergessen oder drohen zu Verschwinden. Gleiches gilt für traditionelle Verfahren zur Schädlingskontrolle.

In Ermangelung an Alternativen greifen die Bauern immer stärker zur chemischen Keule. Seit der Liberalisierung auch des Agrarsektors sind alle großen Anbieter von Saatgut und Ackergiften in Simbabwe vertreten: Novartis, Cargill, Elanco, Rhone Poulenc - und auch der Agro-Biotech-Gigant Monsanto versucht schon, seine genmanipulierte Saat ins Land zu bringen.

Ermutigend sind hier die immer zahlreicheren simbabwischen Initiativen, die angesichts von WTO und Handelsliberalisierung politische Freiräume zu erkämpfen suchen, oder traditionelles Wissen wiederbeleben und neu zunutze machen. Eine solche Initiative ist das "Fambizanai Permaculture Centre", in dessen Labor an ökologischen Methoden der Schädlingskontrolle geforscht wird.

Ein kleiner Garten Eden

Den letzten Kilometer rumpelt der Allradantrieb über eine Staubstraße. "Das Labor liegt auf Fambizanai, westlich von Harare", hatte es am Telefon geheißen. Wer den Weg zu der Öko-Farm vor den Toren der Hauptstadt Simbabwes sucht, muß die Augen allerdings offenhalten. Das unscheinbare Schild "FPC - Fambizanai Permaculture Centre" am linken Straßenrand bei Kilometer 21 ist leicht zu übersehen. Die Zufahrt zur Farm liegt versteckt im dichten afrikanischen Busch zwischen Termitenhügeln und Msasabäumen gleich hinter der Bahnlinie.

Unvermutet stößt man auf einen kleinen Garten Eden, ein Stückchen kultiviertes Land, wo zwischen Kaninchenställen und pickenden Hühnern Tomaten, Mais und Fingerhirse, einheimische Hülsenfrüchte und Gräser, Benjamin und Mangos wachsen.

"Fambizanai", das ist Shona, eine der Hauptsprachen Simbabwes. Übersetzt bedeutet das soviel wie "zusammenarbeiten" oder "sich revanchieren". Das Farm-Projekt läuft unter der Ägide des Instituts für Permakultur (ZIP), eines Dachverbands für den Ökoanbau. Das Institut zählt heute zu jenen Pionieren im südlichen Afrika, die an überlieferte Kenntnisse anknüpfen und in der Landwirtschaft neue Wege gehen. So werden seit mehr als zehn Jahren auf Fambizanai die Möglichkeiten einer nachhaltigen Landwirtschaft erforscht und ausgelotet.

Dabei ist der Shona-Ausdruck für Revanchieren durchaus wörtlich gemeint. Mit dem Farmprojekt auf 42 Hektar will man den Menschen, der Natur und dem Land in vielerlei Hinsicht etwas zurückgeben. Neben Demonstrationsgarten und Farmladen beherbergt die Modellfarm - initiiert 1988 von zwei engagierten jungen Landwirten - auch ein kleine Saatgutbank. Seit 1993 gibt es auf dem Gelände ein Labor mit Ausbildungszentrum. Gefördert werden Ökolabor und Farmschule vor allem aus skandinavischen Töpfen der Entwicklungszusammenarbeit und dem Pesticide Trust.

Im reetgedeckten Laborgebäude aus rotem Backstein ist es angenehm kühl. Hier wird hauptsächlich an den natürlichen Feinden landläufiger Schadinsekten und an biologischen Verfahren der Schädlingskontrolle, dem Natural Pest Management (NPM), geforscht.

ZIP Eco-Lab In der prallen Sonne im Garten des Öko Labors hocken winzige Fröschchen, so klein wie ein Fingernagel, auf den Blättern des dort gedeihenden Kohls. Sie sind hitzeresistent und machen Faltern, die auf Nutzpflanzen fliegen, den Garaus. In dem hellen Schulungsraum nebenan warten auf hohen Tischreihen Pipetten, Reagenzgläser und Mikroskope auf ihren Einsatz.

In einem Glaskasten an der Wand sind Insekten aufgespießt: Schädlinge und Nützlinge - Anschauungsobjekte für die Kleinbauern und landwirtschaftlichen Berater, die hier mit Methoden des ökologischen Anbaus vertraut gemacht werden. "Vor allem ländliche Gemeinden brauchen dringend sichere Alternativen zur teuren und riskanten Agrochemie", sagt Sam Page, Leiterin des Ökolabors.

Seit den 30er Jahren nämlich wurden Kleinbauern wie Subsistenzbauern im ehemaligen Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, dazu angehalten, die gleichen Methoden wie die kommerziellen Großbauern zu nutzen. Diese erzeugen auf den überwiegend fruchtbaren Böden ihrer riesigen Ländereien Mais, Tabak, Baumwolle oder Zierpflanzen für den Markt. Im Gegensatz dazu versucht die Mehrheit der schwarzen Simbabwerinnen und Simbabwer den mageren, sandigen äckern ihrer kleinen Parzellen, auf die sie in kolonialen Tagen abgedrängt wurden, etwas für das eigene Überleben abzuringen.

Den Versprechungen der modernen Landwirtschaft vertrauend, gaben viele die traditionellen Mischkulturen auf und stiegen auf Monokulturen mit Hochertragssorten, Kunstdünger und synthetischen Pestiziden um.

Krank durch Agrochemikalien

Die Folgen für die Natur sind weithin sichtbar: Die Wälder wurden abgeholzt, der Boden versauert, verdichtet sich und ist von Erosionsgräben durchzogen. Die Vielfalt unter den Feldfrüchten verarmt rasch.

Der konventionelle Anbau schadet aber nicht nur den Böden. "Besonders in den armen Bauernfamilien erkranken viele an den Agrochemikalien", weiß Shepherd Musiyandaka, der als Agronom im ZIP-Labor arbeitet. Mangelnde Information, das Unvermögen, die Warnhinweise auf den Etiketten zu lesen und Unkenntnis über notwenige Schutzkleidung seien die Gründe dafür.

So förderte eine Untersuchung des Ökolabors 1997 Erschreckendes zutage:
Von dreißig befragten Bauern und Bäuerinnen einer Gemeinde gaben siebzehn an, pulver- oder granulatförmige Pestzide mit der bloßen Hand auszubringen. Flüssige Mittel versprühten alle per Haushaltsbürste und Eimer. Neun bewahrten die Chemikalien, darunter auch hochgiftige Insektizide (synthetische Pyrethroide und Organophosphate), im Schlafzimmer auf; fünf Bäuerinnen lagerten sie sogar in der Küche. In allen Familien brachten auch schwangere Frauen und Kinder die Pestizide bei der Feldarbeit aus.

Die Vergiftungssymptome, wie Augenschmerzen, Hautveränderungen oder Schwitzen würden dabei selten als solche wahrgenommen, sagt Musiyandaka. "Es fehlt das Bewußtsein. Die Leute glauben einfach, daß es warm ist und daß sie deshalb schwitzen."

Für die Schulungen nutzt das Öko-Labor das von der FAO entwickelte Modell der bäuerlichen Feldschulen. "Das bedeutet Lernen durch Experimente", sagt Sam Page. Dabei werden von den Dorfbewohnern ausgewählte Bäuerinnen und Bauern für vier Wochen bei ZIP trainiert werden. Diese sogenannten "Farmer Field Worker" nehmen ihr ökologisches Wissen dann mit zurück in ihre Gemeinden und bilden dort wiederum andere aus. "Landwirtschaftliche Berater kommen und gehen. Aber wenn man die Bauern direkt trainiert, kann man gewiß sein, daß die Kenntnisse in den Gemeinschaften bleiben", so Page.

Bio-Baumwolle und Gemüse

Derzeit laufen zwei Projekte unter der Regie der ZIP Forschung: In das fruchtbare, waldreiche Flußtal des Sambesi im Nordwesten Simbabwes siedelte die Regierung Familien aus den ehemaligen "Homelands" um. Seither degradiert dort die Umwelt in einem atemberaubenden Tempo. Denn die Bäume mußten der Landwirtschaft weichen. Und nicht immer reichen die Ernten von Mais, Bohnen oder Erdnüssen für die Selbstversorgung aus, sagt Pflanzenforscher Musiyandaka. Deshalb pflanzen deshalb die neuangesiedelten Familien auch Baumwolle an, um Geld zu verdienen. Doch Baumwolle im konventionellen Anbau ist eine extrem chemieintensive Frucht. Durchschnittlich sechs verschiedene Pestizide werden auf den Parzellen von knapp fünf Hektar aufgebracht.

Immerhin aber sind einige zur Umkehr bereit. Denn mit dem Umstieg auf die Marktfrüchte begaben sie sich auch in die Abhängigkeit von Krediten. Nach deren Rückzahlung bleibt ihnen, wenn überhaupt, ein oftmals nur minimaler Überschuß.

"Wir haben errechnet, daß bei vielen die Ausgaben für die Produktionsmittel bald genauso hoch sind wie die Einnahmen", sagt Musiyandaka. Viele Haushalte seien deshalb überschuldet und in den ländlichen Gebieten sei Mangelernährung keine Seltenheit.

Mit Unterstütztung des ZIP-Labors wurde im Sambesi-Tal in der Saison 1997/98 nun die erste Bio-Baumwolle Simbabwes erzeugt, die den Regeln des Internationalen Verbands für organischen Anbau IFOAM entspricht. Gut zwei Tonnen pestizidfreie Rohbaumwolle wurden im vergangenen Jahr versponnen, gewoben und schließlich als T-Shirts nach Großbritannien verkauft. Inzwischen haben schon etwa 400 Landwirte und Landwirtinnen von den ZIP-Schulungen profitiert, haben Lebenszyklen verschiedener Insekten erforscht und kostengünstige biologische Mittel kennengelernt, um die Schädlinge umweltfreundlich in Schach zu halten.

Das zweite ZIP-Projekt liegt in der Nähe der Hauptstadt. Dort entstand eine Kooperative, die Harare seit knapp zwei Jahren mit frischem Bio-Gemüse versorgt. Damit auch jene in dem Verband, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig sind, sich die Einzelheiten von Fruchtwechsel und Kompostierung merken können, besannen die Bäuerinnen und Bauern sich auf eine alte Tradition: Sie komponierten Lieder, die sie nun gemeinsam bei der Arbeit auf den Feldern singen.

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