[GID - Gen-ethischer Informationsdienst]

Nr. 149, Dez 2001/Jan 2002

Indien: Baumwolle mit schlechtem Vorgeschmack

Von Meena Menon und Ute Sprenger ©

Vor drei Jahren gingen in den südindischen Bundesstaaten Karnataka und Andhra Pradesh einige transgene Baumwollfelder in Flammen auf. Es war die Antwort zorniger Kleinbauern auf die illegale Aussaat genmanipulierter Baumwolle des Agromultis Monsanto. Anfang Oktober nun kam heraus, dass eine indische Firma transgenes Saatgut illegal in Verkehr gebracht hat. Die Pflanzen wurden auf Feldern im Bundesstaat Gujarat entdeckt. Vermutlich wuchsen sie dort auch schon im Vorjahr.

Im Herbst erfuhren Umweltschützer in Indien, dass im westlichen Gujarat, auf gut 10.000 Hektar oder mehr ohne Genehmigung Bt-Baumwolle wächst. Seitdem ist die Kontroverse zwischen Umweltschützern und der Bauernlobby über die Regulierung der Vermarktung genveränderter Pflanzen erneut entfacht.

Bt-Baumwolle ist resistent gegen den Befall der Kapselraupe. Nach Angaben der Bauern in Gujarat kam das transgene Saatgut von der Firma Navbharat Seeds Private Ltd. in Ahmedabad, der Hauptstadt des Bundesstaats. Die Bauern glaubten, Hybridsaat mit einer Insektenresistenz erworben zu haben. Erst als die Pflanzen von dem Konkurrenz-Unternehmen Mahyco untersucht wurden, stellte sich heraus, dass sie transgene Baumwolle angebaut hatten. Wissenschaftler arbeiten dort derzeit an eigenen gentechnisch veränderten Pflanzen, die für den kommerziellen Anbau zugelassen werden sollen. Sie waren auf die Navbharat-Pflanzen aufmerksam geworden, weil sie sich nach einem massiven Insektenbefall, der in diesem Jahr in Gujarat rund 70 Prozent der Baumwolle in den Feldern betraf, als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Mahyco ließ die Sache untersuchen und fand in den Pflanzen ein von Monsanto patentiertes Gen. Bislang gibt es in Indien keine Genehmigung für die Kommerzialisierung transgener Pflanzen. Die einzigen sieben Länder, in den die Bt-Technologie bereits offiziell für den Markt zugelassen wurde, sind die USA, China, Mexiko, Australien, Argentinien, Südafrika und Indonesien. Weltweit wird auf etwa 1,5 Millionen Hektar Bt-Baumwolle gepflanzt. Allein in China nutzten im vergangenen Jahr mehr als 300.000 Kleinbauern die Saaten auf 500.000 Hektar zur Kontrolle der Kapselraupe.

Ernsthafte Fragen

In das in Mumbai ansässige Saatunternehmen Mahyco hatte sich schon vor über drei Jahren der US-Konzern Monsanto eingekauft. Er hält 26 Prozent der Anteile an Mahyco und hat dem Unternehmen seine Technologie für Bt-Baumwolle lizensiert. Monsanto besitzt ein Patent auf ein Transgen des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) - das Cry 1 Ac Gen -, das für ein insektizides Protein kodiert, welches die Baumwolle resistent gegen den Kapselbohrer macht. Zur Vorbereitung der Vermarktung dieser Baumwollsaat hat Mahyco nach eigenen Angaben acht Millionen US-Dollar ausgegeben. In den vergangenen sechs Jahren wurden in ganz Indien mehr als 100 Freilandexperimente in verschiedenen agrarökologischen Zonen durchgeführt.

Mahyco ist in Indien vor allem wegen umstrittener unkontrollierter Freilandversuche ins Gerede gekommen. Noch Mitte Juni hatte das Genetic Engineering Approval Committee (GEAC) - die dem Bundesministerium für Umwelt und Forsten untergeordnete Genehmigungsbehörde für Forschung und Freisetzungen - die Marktzulassung der Mahyco-Baumwolle für ein weiteres Jahr zurückgestellt und erneute Feldversuche angeordnet. Der Zorn war deshalb groß, als die Firma nun herausfand, dass andere bereits Saatgut mit der eigenen Resistenztechnologie gegen die Kapselraupe in Gujarat vermarktet hatten.

Fachleute weisen darauf hin, dass jenseits der Konkurrenzgedanken die Aufdeckung des illegalen Anbaus zeige, wie schwierig die Überwachung von Einfuhr und Nutzung transgenen Materials in Entwicklungsländern sei. Der Fall "wirft ernsthafte Fragen auf über die Fähigkeit von Entwicklungsländern, die Einführung gentechnisch modifizierter Sorten zu regulieren", heisst es im Magazin Nature (Nature 11.10.2001). An derselben Stelle erklärt E. A. Siddiq, Leiter einer indischen Behörde zur Überwachung transgener Nutzpflanzen: "Dies bietet einen Vorgeschmack auf eine beängstigende Situation, wo transgene Organismen außer Kontrolle geraten und sich ungehindert verbreiten."

Wer hat Schuld?

Ende Oktober ordnete die Behörde GEAC das Abbrennen der fast erntereifen Bt-Pflanzen in den Feldern Gujarats an. Das Unternehmen Navbharat Seeds wurde aufgefordert zu erklären, wie es zu dem unerlaubten Verkauf der Baumwollpflanzen kommen konnte. Die GEAC-Anordnung wurde wenig später verändert, so dass die Ernte nun nicht mehr verbrannt, sondern die Faserkaspeln sollten entkernt, die Rohwolle gelagert und die Saat zerstört werden. Bis Ende November wurden 120 Tonnen Bt-Baumwolle durch das Umweltministerium vom Markt genommen.

Bei Navbharat Seeds legte man Widerspruch gegen die GEAC-Entscheidung ein. Zur Erzeugung der unter dem Namen "Navbharat 151" vor drei Jahren registrierten Hybdridsorte habe man keine gentechnischen Methoden verwendet, so heisst es dort. Das Material würde auf in Maharashtra selektierten Sorten basieren.

Von offizieller Seite wird angenommen, dass das Unternehmen transgenes Bt-Saatgut in den USA gekauft und unerlaubt in eine indische Baumwollsorte eingekreuzt hat. Auf eine andere Möglichkeit weist die Research Foundation for Science, Technology and Ecology (RFSTE) der Umweltaktivistin Vandana Shiva hin: Da Monsanto-Mahyco seit Mitte der 90er Jahre in Indien mit Bt-Baumwollsaat experimentiert und 1998 Bt-Saat großflächig an 40 Orten auf jeweils 40 Hektar - verteilt über neun Bundesstaaten - ohne Zulassung und Kontrolle ausgebracht hatte, könnte dieses Saatgut die Bt-Quelle der Sorte "Navbharat 151" sein. Die Ernte der Bauern wurde seinerzeit sogar auf dem Markt verkauft. Die insektenresistente Saat könnte folglich direkt von den Testfeldern stammen oder durch Auskreuzung entstanden sein. RFSTE prozessiert gegen Monsanto und Mahyco unter anderem wegen Verstoßes gegen die Richtlinien zur Biologischen Sicherheit während der Feldversuche der letzten Jahre.

Wer trägt den Schaden?

Während Behörden und Konzerne ihre Rangeleien austragen, wächst unter den betroffenen Bauern der Unmut. Sie haben bislang für ihre verlorenen Ernten keine Entschädigung gesehen. Ein Berater der Bundesbehörde für Biotechnologie erklärte sogar, dass sowohl die Firma Navbharat als auch die Bauern wegen Vergehens gegen das Umweltschutzgesetz bestraft werden könnten.

Diese Drohung überrascht, denn eigentlich ist Indiens Biotech-Behörde vor allem dafür bekannt, dass sie auf die Nutzung transgener Kulturpflanzen drängt. So ließ die Regierung verlautbaren, dass Bt-Baumwolle die Ernteerträge steigern werde und die Landwirte damit anstatt gegenwärtig 350 Kilogramm pro Hektar zukünftig 1.000 Kilogramm ernten könnten. Ebenso reduziere die neue Saat die Pestizidbelastung. Über 50 Prozent der in Indien eingesetzten synthetischen Pestizide werden in den Baumwollkulturen verspritzt.

Entgegen dieser Einschätzung aus Regierungskreisen warnt der politische Analyst Devinder Sharma: "Bt ist keine Lösung." Der Teufelskreis - wachsende Pestizidresistenz der Schädlinge, Steigerung der Spritzmittelanwendung und in der Folge Verschuldung der Bauern - werde mit der neuen Technologie lediglich verlagert auf die absehbare Bt-Resistenz der Insekten.

Schwache Gesetze und lasche Kontrollen

Die Regierung in Delhi einigte sich in den letzten Wochen auf eine neue Saatgutpolitik. Vor jeder kommerziellen Freisetzung müssten die Anwender sich an Sicherheitsregularien für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität halten. Der Import transgenen Saatguts etwa darf erst nach einer Zulassung durch das GEAC erfolgen. Zudem soll gentechnisch verändertes Saatgut die Produktivität steigern und die Qualität verbessern. Die indische Agrarforschung müsse dafür den agronomischen Wert des neuen Saatgutes feststellen. Ranjana Smetacek, zuständig bei Monsanto für die Kontakte zur Regierung, erklärt, man achte in dem Unternehmen sehr sorgfältig darauf, dass vor einer Vermarktung sämtliche Genehmigungen eingeholt würden. Dagegen kritisieren Umweltschützer und NRO wie Greenpeace und RFSTE schon seit langem die kommerzielle Nutzung von Bt-Baumwolle durch Monsanto und erinnern daran, dass das Unternehmen die ersten Freilandexperimente illegal durchgeführt hat.

Auch Befürworter der Gentechnik sorgen sich über die möglichen Folgen der illegal ausgebrachten transgenen Baumwolle. Unter einer schwachen Gesetzeslage und mit laschen Kontrollen, so heisst es, würden vor allem "gesetzestreue" Firmen leiden. In Regierungskreisen schätzt man, dass Indien zu einer verbesserten Überwachung gentechnisch veränderter Organismen allein für den Ausbau bestehender Laborkapazitäten rund zwei Millionen US-Dollar benötigt.

Die freie Umweltjournalistin Meena Menon lebt in Mumbay und arbeitet unter anderem für Indiens größte Tageszeitung The Hindu. Ute Sprenger ist freie Journalistin und Beraterin mit den Themenschwerpunkten Umwelt und Entwicklung.

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