Gentechnik und die Geheimnisse des Weines

Erbgutveränderungen sollen gegen Schädlinge resistent machen / Bisher haben klassische Verfahren sich noch als erfolgreicher erwiesen

erschienen in: Berliner Zeitung, 26.02.1997
Autorin und © Ute Sprenger

Das traditionelle Image von Wein, das an alte Fässer und romantische Weinberge denken läßt, könnte bald vom High-Tech-Zeitalter überholt werden. Auf einem Versuchsfeld in Frankreich wachsen bereits Weinreben, die mit gentechnischen Methoden verändert wurden. Auch in Australien experimentiert man mit solchen Pflanzen, ebenso in Südafrika, einem Land, das in der weltweiten Weinerzeugung Platz acht einnimmt.

"Gentechnische Methoden sind in der Weinforschung weltweit auf dem Vormarsch", bestätigt Eva Zytrian, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rebenzüchtung in Siebelingen. Die Forscher suchen vor allem nach Resistenzen gegen Virus- oder Pilzkrankheiten, mit denen sich die Winzer beim Anbau herumplagen müssen. Dazu gehören die "Reisig-Krankheiten" und der Mehltau, für den die meisten kommerziellen Kulturen der wirtschaftlich bedeutenden Rebenart Vitis vinifera anfällig sind. Zur Vorbeugung gegen den Mehltau-Pilz setzen konventionelle Weinbauern etwa sechs- bis zehnmal pro Jahr die chemische Keule ein. Hier könnte die Gentechnik Abhilfe schaffen, hoffen die Wissenschaftler.

Zur Veränderung des Erbgutes in der Weinrebe dienen sogenannte Plasmide des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens. In Gewebekulturen werden damit fremde Gene in das Erbgut des Weines geschleust. Aber nicht aus jedem Zellhaufen, der im Laborexperiment erfolgreich manipuliert wurde, wachsen später Pflanzen heran, in denen sich die neuen Gene wiederfinden lassen. Die Frage ist, ob und wie sich der Zugriff auf das Erbgut der Pflanze und das ihrer Nachkommen auswirkt. Bislang gibt der Wein sein Geheimnis nur widerstrebend preis.

Zwar wissen die Forscher inzwischen, daß die Abwehrkraft gegen Mehltau, die in manchen amerikanischen Wildformen des Weines vorkommt, von vielen Genen gesteuert werden. Aber welche genau für Resistenzen, Farbe oder für das Bukett zuständig sind, wissen sie nicht. Erfolgreicher als die Genmanipulation war bisher das klassische Verfahren des Einkreuzens. Zwar dauert es länger, aber mit ihm gelang in jüngster Zeit die Neuzüchtung von Trauben, die sogar mehrfach resistent gegen Pilzerkrankungen sind. "Gentechnische Methoden können die klassische Züchtung ergänzen, indem sie bestimmte Erbanlagen optimieren", erklärt Rudolf Eibach, Leiter der Rebenzüchtung in Siebelingen. Für den Mehltau erwartet er kaum eine molekularbiologische Lösung; bei Viruserkrankungen hingegen sei die Gentechnik "das beste Instrument".

Führend im gentechnischen Wettstreit der Önologie, der Weinbaukunde, sind französische Agrarforscher. Im vergangenen Sommer starteten sie den ersten Freilandversuch: In der Champagne testet das staatliche Agrarforschungsinstitut INRA gemeinsam mit der Champagner-Kellerei Moet & Chandon genmanipulierte Weinreben auf einem Hektar Fläche. Bereits 1994 gab das Edel-Weinhaus bekannt, daß dort erstmals die Rebsorte Chardonnay gentechnisch gegen das verbreitete Reisig-Virus resistent gemacht wurde.

Geht es nach Australiens Wissenschaftsminister Peter McGauran, sollen genveränderte Weinreben bald schon auf australischen Gütern wachsen. Mit der Züchtung einer krankheitsresistenten Sorte sei Forschern in seinem Land der Durchbruch im Wettlauf mit Frankreich und den USA um qualitätsverbesserte Weine gelungen, erklärte McGauran im Dezember 1996.

Den Siebelingener Rebenforscher Eibach hat diese Erfolgsmeldung allerdings "überrascht", wie er bemerkt. Krankheitsresistenz bedeute nicht automatisch eine Qualitätsverbesserung und die wiederum, etwa bei der Farbe von Rotweinen, sei äußerst komplex."Das ist wohl eher als Wunsch zu verstehen", so Eibach.

Auch Südafrika sucht seit dem vergangenen Jahr den Anschluß an den önologischen Fortschritt. Am neugeschaffenen Institut für Weinbiotechnologie an der Universität von Stellenbosch kooperiert die Forschung mit der heimischen Weinwirtschaft. Mit der Unabhängigkeit endete der Boykott gegen die Früchte der Apartheid. Südafrika stellt sich nun dem Wettbewerb um Weltmarkt-Anteile. Noch werden etwa 90 Prozent der jährlich produzierten rund zehn Millionen Hektoliter Wein im Land selbst verbraucht. Die Exporteinnahmen aus Wein zu steigern und Jobs und Einkommen in den ländlichen Weinregionen zu schaffen, ist das Ziel der staatlich geförderten Initiative.

Die Forscher in Stellenbosch experimentieren mit verschiedenen Enzymen zur Fermentation des Weines. Natürliche Enzyme und Hefen, die bei einer spontanen Fermentation den komplexen Charakter eines Weines hervorrufen, werden in vielen Anbauländern schon heute durch konfektionierte Zuchthefen ersetzt. Dadurch verflacht zwar das Weinbukett, aber das Ergebnis ist immer gleich - für Winzer eine sichere Sache. Südafrikas Weinindustrie will mit einer kontrollierten Mischung verschiedener Mikroorganismen eine gewisse Komplexität im Charakter erzeugen.

Überdies experimentieren die Forscher mit dem Säuregehalt der Sorten. Was bei deutschen Weinen oft zu stark ausgeprägt ist, fehlt den südafrikanischen Weinen ebenso wie den Rebensäften aus anderen sonnenverwöhnten Ländern. Dem Mangel an natürlicher Säure wird deshalb künstlich nachgeholfen. Die Wissenschaftler des Instituts in Stellenbosch wollen mit ihren Kollegen in Australien kooperieren, wo die Gentechnologen schon einige Schritte weiter sind. Daß in nächster Zeit Wein von genmanipulierten Rebstöcken in die Lese und aus den Kellereien in das weltweite Warensortiment kommt, ist kaum anzunehmen.

Selbst Frankreichs Spitzenforscher räumen ein, daß sich erst nach etlichen Ernten erweisen werde, ob die Manipulation wirklich erfolgreich war. Unklar ist, ob die Industrie gentechnisch veränderte Mikroorganismen für die Wein- oder Sektgärung nutzt. Schnapsbrenner und Bäcker verwenden solche Enzyme bereits. Deklariert werden muß so etwas hierzulande bislang nicht.

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