[GID - Gen-ethischer Informationsdienst]

Nr. 173 - Dezember 2005, S. 15 - 16

Von multi- zu bilateralen Handelsabkommen

Von Ute Sprenger ©

Nicht erst seit dem Scheitern der Welthandelskonferenz 2003 in Cancun sind für die führenden Wirtschaftsnationen bilaterale oder regionale Handels- und Investitionvereinbarungen wirkungsvolle Alternativen. Besonders die USA beschreiten verschiedene Wege, um ihre geopolitischen Interessen umzusetzen. In der öffentlichen Debatte Mittelamerikas ist die Welthandelsorganisation (WTO) daher weniger bekannt. Nichtstaatliche Organisationen und populäre Bewegungen setzen dort ihren Widerstand den Freihandelsverträgen zwischen den USA und ihren jeweiligen politischen Eliten entgegen. In ihnen wurde inzwischen auch verankert, was über die WTO immer schwieriger durchsetzbar erscheint: das Monopolrecht auf Saatgut.

Um den Realitäten armer Länder entgegenzukommen, räumte die WTO ihnen Ende November mehr Zeit ein, um Regelungen zum handelsbezogenen geistigen Eigentumsrecht (TRIPs) zu schaffen. Galt bislang als Stichdatum für die ärmsten Länder der Welt der 1. Januar 2006, so wird nun den 32 ärmsten Mitgliedsstaaten eine weitere Übergangsfrist bis Juli 2013 eingeräumt. Bis zu diesem Datum müssen sie den Schutz für Warenzeichen, Copyright, Patente oder geistiges Eigentum eingeführt haben. Der Chef der WTO, Pascal Lamy, sagte, diese Vereinbarung direkt vor der Ministerrunde in Hongkong sei ein gutes Zeichen. Schließlich steht dort das Thema Entwicklung im Zentrum.

Tatsächlich trägt diese Aufweichung auch den hitzigen Debatten Rechnung, die in den letzten Jahren um TRIPs, mögliche sui generis-Ausnahmen davon und das Für und Wider von Patenten auf Leben geführt werden. Anders als geplant ließen sich nämlich zahlreiche Länder des Südens nicht so einfach dazu verpflichten, Pflanzen, Tiere und andere lebende Wesen via WTO und TRIPs mit patentrechtlichen Normen zu belegen.

Während der Streit in multilateralen Foren wie der 1995 geschaffenen WTO in der Frage geistiger Eigentumsrechte in das zehnte Jahr geht, haben die USA, sozusagen als Antwort auf diese mehr oder weniger demokratischen Prozesse, inzwischen ihre Strategie flexibilisiert. Schließlich betrachten transnationale Konzerne diese Debatten als Fortschrittsbremse insbesondere in den modernen Biotechnologien. In Zentralamerika etwa werden deshalb über bilaterale Freihandelsverträge, den Tratados de Libre Comercio (TLC), und über das regionale Handelsabkommen CAFTA Patentregime eingeführt. Bietet das TRIPs-Abkommen unter dem Artikel 27.3b den Ländern noch die Möglichkeit, eigene sui generis-Gesetze zu schaffen, werden sie mittels CAFTA dieser Spielräume zur Ausgestaltung von Eigentumsrechten entsprechend ihrer Entwicklungsbedürfnisse beraubt.

Mittelamerikas Freihandelsabkommen CAFTA

Das Freihandelsabkommen der USA mit zentralamerikanischen Ländern – CAFTA – wurde nach einer kurzen Verhandlungsphase von nur zwölf Monaten im Dezember 2003 beschlossen. An den Gesprächen nahmen Regierungsdelegationen aus den USA, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nikaragua teil. Ein zunächst separat verhandelter Vertrag mit der Dominikanischen Republik wurde 2004 in das Regionalpaket integriert. Ein ähnliches Abkommen wird derzeit mit den Andenstaaten verhandelt.
Gegenstand des CAFTA sind zahlreiche politische und wirtschaftliche Bereiche, darunter Landwirtschaft, Umwelt, Telekommunikation, Dienstleistungen (von Wasser- bis Elektrizitätsversorgung) und geistige Eigentumsrechte. Mit dem Abkommen sollen die Märkte der Länder Mittelamerikas für die Produkte der US-Industrie erschlossen und der Zugang zu strategischen Ressourcen (etwa Biodiversität und Wasser) erleichtert werden. Gleichzeitig wird den Ländern ein gewisses Exportvolumen – etwa für Zucker – auf dem US-Markt zugesagt.

Im US-Kongress wurde das Abkommen im Juli 2005 angenommen. Auch die Parlamente von Guatemala, Honduras, El Salvador und Nikaragua haben trotz Protesten in den jeweiligen Ländern bereits zugestimmt. Nikaraguas Parlament war bis zu diesem Oktober nicht überzeugt vom Pro-CAFTA-Kurs des Präsidenten Bolanos. Schließlich billigte man aber das Abkommen mit 49 zu 37 Stimmen und drei Enthaltungen. Ausstehend sind noch die Entscheidungen der Dominikanischen Republik und Costa Ricas. Aufgrund des zivilgesellschaftlichen Widerstands, der in fast allen Ländern zunimmt, ist das Abkommen nach wie vor nicht in Kraft. Vor allem die BewohnerInnen Costa Ricas sehen ihren relativ hohen Lebensstandard und ihre gewerkschaftlichen Rechte von der Handelsliberalisierung bedroht. Dort formiert sich seit gut zwei Jahren eine stetig wachsende Anti-TLC-Bewegung, die sich aus Gewerkschaften, Bauernorganisationen, akademischen Kreisen und Studentengruppen rekrutiert. Im November 2005 mobilisierte diese Bewegung 60.000 Menschen aus nahezu allen Gesellschaftsschichten gegen die drohende Privatisierung und Marktliberalisierung auf die Straßen der Hauptstadt.

UPOV statt TRIPs

Unter dem Druck der CAFTA-Verhandlungen wurde erreicht, dass die Beitrittsstaaten sich auf ein Patentregime für Pflanzen einlassen müssen. Im konkreten Fall handelt es sich um UPOV ´91. Der internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV), ein 1961 in Europa geschaffenes Übereinkommen über die Sortenschutzrechte von Pflanzenzüchtern, gestattet in seiner Fassung von 1978 Landwirten den freien Nachbau auch geschützter Sorten. In der Revision von 1991 wurde dieses sogenannte "Landwirteprivileg" eingeschränkt und ein Sortenschutz ähnlich dem von Patenten eingeführt.

Mit einer entsprechenden Klausel in dem Handelsvertrag ist nun gewährleistet, dass mittelamerikanische Staaten, soweit sie bislang UPOV ´78 angehören, quasi per CAFTA-Ratifizierung auch UPOV ´91 billigen werden – falls sie bis dahin nicht bereits anderweitigen Patentschutz für Pflanzen eingeführt haben. Nikaragua hat diese Vorgabe bis Januar 2010, Costa Rica bis Juni 2007 und die anderen Staaten bis Januar 2006 umzusetzen. (1)

Die unlängst seitens WTO/TRIPs eingeräumte Fristverlängerung bis 2013 zur Regelung handelsbezogener geistiger Eigentumsrechte wird damit etwa für Nikaragua, das zu den ärmsten Ländern der Welt zählt, gegenstandslos. In Costa Rica ist die Patentierung von Leben bislang nicht gestattet. Und in diesem Jahr konnten nichtstaatliche Organisationen noch einmal gemeinsam mit Parlamentariern den Beitritt ihrer Regierung zu UPOV´ 91 verhindern. Doch auch dort werden die LandwirtInnen angesichts von CAFTA den Streit für ihr Recht, Saatgut zu bewahren und auszutauschen, nicht zu den Akten legen können.

Fußnoten
1. Im CAFTA-Vertrag heißt es dazu: January 1, 2010. Costa Rica shall do so by June 1, 2007. All other Parties shall do so by January 1, 2006. (b): Subparagraph (a) shall not apply to any Party that provides effective patent protection for plants by the date of entry into force of this Agreement. Such Parties shall make all reasonable efforts to ratify or accede to the UPOV Convention 1991.

Quellen:
Aziz Choudry (2005): Corporate conquest, global politics: intellectual property rights and bilateral investment treaties. In: GRAIN, Seedling, Januar 2005
CAFTA-Vertragstext, abzurufen unter der website des Office of the US Trade Representative: www.ustr.gov/
Costa Rica: No al TLC, no a las patentes sobre nuestras semillas, Red de Coordinación en Biodiversidad, 23.06.05
Silvia Rodríguez Cervantes (2005): El acceso a los resursos biológicos y la distribción de beneficios en la mira de los tratados comerciales, Costa Rica und Brasilien, Oktober 2005
WTO: Press Releases, 29 November 2005, Intellectual Property
Sí a la vida, No ALCA: www.movimientos.org - Bilaterals.org - everything that´s not happening at the WTO: www.bilaterals.org

Der Text darf auf Rückfrage für nicht-kommerzielle Zwecke genutzt werden, vorausgesetzt die Angabe und Verlinkung der Quelle. Abdruck (auch auszugsweise), Vervielfältigung, Zitat nur in Absprache mit der Autorin.

Zurück