[GID - Gen-ethischer Informationsdienst]

Nr. 152, Juni/Juli 2002

Unmut bei Kanadas Weizenfarmern

Von Ute Sprenger ©

Geht es nach Nordamerikas Agrobiotech-Industrie, wird nach Sojabohnen, Mais und Raps ab 2005 Gentech-Weizen großflächig kommerziell auf die Äcker kommen. Doch wächst inzwischen auch in den Mutterländern der Grünen Gentechnik die Opposition - vor allem unter Landwirten. In Deutschland wird derweil in Sachen Gentech-Weizen mit einer Patientengruppe kooperiert.

Eine neue Bedrohung der Integrität der Landwirte Kanadas weht über die Prärie," warnte unlängst die kanadische Menschenrechtsaktivistin Terry Wolfwood. "Mit Regierungsunterstützung plant Monsanto die Einführung von genverändertem Roundup Ready Weizen. Damit steht den Landwirten der Verlust bedeutender Märkte bevor. Denn Europa, Japan und andere Länder wollen natürlichen Weizen und nicht ein Laborkonstrukt, das designed wurde, um die Profite der Chemieunternehmen zu maximieren." Tatsächlich ist in den nächsten Jahren in Nordamerika mit dem kommerziellen Anbau von gentechnisch verändertem Weizen zu rechnen. Noch in diesem Sommer plant der Agrochemische Konzern Monsanto, bei kanadischen und US-amerikanischen Regierungsstellen den Antrag für die Zulassung des Weizens einzureichen. Der Weizen verträgt eine Dusche mit dem hauseigenen Herbizid Roundup Ready. Spätere Anträge in weiteren Ländern - so in Japan, Korea und der EU - sind ebenfalls im Gespräch. Unter Kanadas Novel-Food-Regularien könnte ab 2005 ein Anbau gestattet werden, so hofft man im Konzern. Bis dahin soll unter anderem ein System entwickelt sein, um den Gentech-Weizen getrennt von konventionellem Getreide vermarkten zu können. "Wir brauchen dazu ein dichtes Kontrollsystem. Und anfangs würden wir den Weizen nicht über einen Hafen exportieren", versichert Monsanto-Sprecherin Trish Jordan.

Heißes Eisen

Doch ob es bei diesem Termin bleibt, ist fraglich. Denn schon einmal hatte der Konzern, der bereits Roundup Ready Soja und Mais verkauft, die für 2003 geplante Einführung des herbizidresistenten Sommerweizens verschieben müssen. Zu viele Fragen zur Sicherheit und zur Handhabung sind unbeantwortet. Und mittlerweile wurden genveränderte Agrarerzeugnisse (GVO) auch in Kanada ein heißes Eisen. Laut kanadischer Weizenkammer haben Zweitdrittel ihrer Auslandskunden bereits erklärt, dass sie diesen Weizen nicht abnehmen werden. Sollte er in Kanada zugelassen werden, so befürchten die Kunden, werde er schließlich in den allgemeinen Vermarktungskanälen für Getreide verschwinden. Deshalb wandte sich die Kammer mit der Bitte an die Regierung, die Zulassung für Gentech-Weizen oder -Gerste solange zurückzuhalten, bis ein zuverlässiges Trennsystem aufgebaut ist - und bis die Abnehmer die Erzeugnisse akzeptieren. Die Weizenkammer ist zuständig für Weizen und Gerste und vermarktet die Getreide in mehr als 70 Ländern. Kanadisches Getreide hat zu etwa 20 Prozent Anteile am Weltweizenmarkt, 65 Prozent am weltweit gehandelten Durum-Weizenmarkt, 30 Prozent bei Braugerste und 15 Prozent bei Futtergerste.

Bündnis wehrt sich

Unter den Anbauverbänden haben bis dato einzig die Western Canadian Wheat Growers dem Gentech-Weizen zugestimmt. Ein breites Bündnis kanadischer Verbände aus Anbau, Verarbeitung, Vermarktung und aus Verbraucher- und Umweltgruppen dagegen schloss sich schon Mitte 2001 zusammen, um die Einführung des transgenen Weizens zu verhindern. Darunter sind neben der Weizenkammer und der National Farmers Union (NFU) Produzentenvereinigungen aus den Provinzen Manitoba und Saskatchewan - Kanadas Getreideregionen -, Bio-Anbauverbände, Greenpeace und die kanadische Gesundheitskoalition. Während Landwirte und Vermarkter sich um das drohende Wegbrechen der Exportmärkte und agronomische Auswirkungen sorgen, haben Verbraucherverbände und Umweltgruppen Bedenken wegen der Nahrungsmittelsicherheit und ökologischer Schäden. "Es ist vielleicht überraschend, dass eine derart vielfältige Gruppe zusammenarbeitet", sagt Koalitonsmoderator Steward Wells. "Aber das gelingt, weil uns eine Sache vereint - wir alle sind beunruhigt angesichts der Einführung von genverändertem Weizen." In einem offenen Brief appellieren sie an die Regierung, in einer demokratischen Entscheidung über den Antrag Monsantos die Wünsche der VerbraucherInnen ebenso wie die Interessen der Landwirte zu beachten.

Immer mehr Freilandexperimente

Kanadas Weizenexporte belaufen sich auf jährlich 1,4 Milliarden Dollar. Unter den Gegnern des transgenen Weizens sind viele Bio-Landwirte. Auch wenn der kommerzielle Anbau noch nicht begonnen hat, die Zahl der Freilandexperimente steigt stetig an. Besonders viele Freisetzungen wurden bisher in den USA (250) zugelassen. In Kanada wurde transgener Weizen allein im Jahr 2001 in 59 Versuchen in verschiedenen Provinzen angebaut. Doch auch in der EU nimmt die Zahl zu: bislang wurden 23 Experimente in Großbritannien, Spanien, Italien und Belgien registriert. In der Schweiz lehnte Ende November 2001 das dortige Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) den Antrag der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) auf die Freisetzung von genmanipuliertem pilzresistenten Weizen ab. Das Schweizer Gesuch lasse zu viele Fragen offen, hieß es beim BUWAL. Das Institut steht mittlerweile unter Beschuss. Konservative Politiker möchten es gerne schließen lassen.

Die transgenen Weizentestfelder in der Provinz Saskatchewan haben auch die dortigen Biolandwirte aufgebracht. Saskatchewan hat die höchste Anzahl von Ökobauern in Kanada. Etwa eintausend Betriebe kultivieren auf der Fläche von ungefähr einer Million Hektar organische Erzeugnisse. Weitere zweihundert Betriebe stellen gerade auf Ökoanbau um. Wegen der absehbaren Verschmutzung, etwa durch Pollenflug, will der Dachverband der organischen Erzeuger und Vermarkter (SOD) notfalls vor Gericht ziehen, um ein Verbot des Versuchsanbaus zu erwirken. Bereits im Januar reichten SOD-Mitglieder eine Sammelklage gegen Monsanto und Aventis ein. Der Grund: gentechnische Rapssaat hat ihre Felder kontaminiert. "Es geht hier um das Recht, GVO-frei anzubauen und GVO-frei zu essen", sagt Marc Loiselle, Biobauer und SOD-Vorstandsmitglied. Die Kläger fordern Schadenersatz in Höhe von einigen Millionen Kanadischen Dollar von den beiden Konzernen, die laut SOD die transgene Verseuchung in Kauf genommen haben. Die Vorwürfe erstrecken sich auf Fahrlässigkeit, Belästigung, unbefugten Zutritt, Verschmutzung nach dem Umweltgesetz von Saskatchewan und auf das Versäumnis einer vorangehenden Umweltfolgenabschätzung. Zudem hätten die Konzerne vor den kommerziellen Freisetzungen nicht die im Umweltgesetz vorgeschriebene Zulassung durch das Ministerium eingeholt.

Ökolandbau bedroht

Seit 1996/1997 wird in Kanada transgener Roundup Ready Raps angebaut. Die weite Verbreitung der gentechnischen Organismen und das rasche Auskreuzen beim Raps mache heute den Anbau und die Zertifizierung von organischem Raps praktisch unmöglich, erklären Ökolandwirte aus Saskatchewan. Der Verlust des Rapsmarktes sei schon schmerzhaft gewesen, sagt SOD-Vorstand Loiselle, aber die Einführung von transgenem Weizen würde nicht nur den Biobauern sondern allen Landwirten einen tödichen Schlag versetzen. Wird die Lobbyarbeit Monsantos erfolgreich sein, könnten Kanadas Landwirten Verluste von vielen Millionen Dollar durch transgene Getreidesorten und die Kontamination der Felder entstehen. Mitte April schloss Kanadas Nationaler Bauernverband sich zusammen mit der Nationalen Koalition der landwirtschaftlichen Familienbetriebe in den USA, um die kommerzielle Zulassung von transgenem Weizen in Nordamerika zu stoppen.

Was vielen Landwirten mit der wachsenden Macht der Agromultis noch blühen kann, haben Percy und Louise Schmeiser aus der kleinen westkanadischen Gemeinde Bruno bereits am eigenen Leibe erfahren. Der Rapsbauer und Saatgutzüchter Schmeiser, der seit Jahrzenten alljährlich aus eigener Ernte Saatgut für die nächste Aussaat zurückbehält, wird von Monsanto beschuldigt, widerrechtlich die patentierte Roundup-Ready-Rapssaat genutzt zu haben. Seine Ernte war mit den transgenen Pflanzen kontaminiert. Ein kanadisches Gericht gab Monsanto Recht und entschied, dass es keine Rolle spiele, wie die transgene Rapssaat auf Schmeisers Felder gelangte. Auch, dass er das Monsanto-Herbizid nicht benutzte, war für den Gerichtsentscheid unwesentlich. Landwirt Schmeiser musste den gesamten Gewinn aus seiner Ernte von 1998 an den Konzern abliefern und steht vor dem finanziellen Ruin. Schmeiser hat gegen das Urteil Beschwerde eingereicht, diese ist noch anhängig. Ähnliches widerfuhr Tom und Gail Wiley, die auf ihrem Hof in North Dakota (USA) Sojabohnen, Mais und Weizen kultivieren und Viehwirtschaft betreiben. Teile ihrer Ernte exportieren sie nach Japan. Obwohl die Wileys zu keiner Zeit trangene Sojapflanzen genutzt haben, wurde in einer Ladung eine Verunreinigung von 1,37 Prozent mit gentechnischem Material nachgewiesen. Statt zu exportieren mussten sie ihre Ernte mit Verlust auf dem lokalen Markt verkaufen.

Breite Ablehnung

Nordamerikas Landwirte hatten Mitte der 90er Jahre als erste weltweit mit dem Anbau von gentechnisch veränderten Feldfrüchten begonnen. Die Versprechen der Agroindustrie waren verlockend. Die neuen Sorten von Soja, Mais und Raps - resistent gegen Herbizide oder Insekten - sollten weniger Spritzmittel benötigen und gleichzeitig höhere Ernteerträge bringen. Kaum beachtet wurde dabei, dass schon seinerzeit auf den traditionellen Exportmärkten für diese Agrarprodukte der Enthusiasmus über die Grüne Gentechnik deutlich verhaltener war als in den USA oder in Kanada selbst. Wurde die Ablehnung von Essen aus dem Genlabor in vielen Ländern der Alten Welt in der Neuen Welt lange Zeit belächelt, so bekamen Nordamerikas Landwirte doch nach und nach die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Anbaupolitik zu spüren, die sich über die Verbraucherinteressen hinwegsetzt. Schon als die ersten Schiffe mit Gensojafracht in den Häfen Europas gelöscht wurden, gab es massive Proteste. Und heute verweigert nicht nur Europa die Annahme von transgenen Soja-, Raps- oder Maiserzeugnissen. Die Ablehnung reicht mittlerweile von Südostasien und Japan bis nach Osteuropa und in den Mittleren Osten.

Glutenfreier Weizen als Lockmittel

Während in Nordamerika langsam unter den Erzeugern das Bewusstein über den Zugriff der Agrokonzerne auf die Nahrung und deren Kontrolle über die Saat wächst, wird in Deutschland in aller Stille an einem Baustein zu einer Akzeptanzstrategie für transgenes Getreide gebastelt. Einer von tausend Deutschen leidet an einer Gluten-Unverträglichkeit, der Zöliakie. Ähnlich wie der Vitamin-A-Mangel in zahlreichen Ländern des Südens für die Entwicklung einer transgenen Reissorte herhalten musste, bietet diese Verdauungsstörung ein willkommenes Argument, um Getreide aus dem Genlabor hoffähig zu machen. Die Patienten können in ihrer Darmschleimhaut nicht das Klebereiweiss Gluten verarbeiten. Sie haben in der Folge Durchfälle und Mangelerscheinungen. Um beschwerdefrei zu leben, müssen die Betroffenen eine glutenfreie Kost einhalten. Ein Interessenverbund von Wissenschaft, Forschung und Industrie - gefördert aus dem Topf des Bundesforschungsministeriums (BMBF) - widmet sich seit gut drei Jahren der Ausschaltung des Gluten-Eiweißes, das in allen Getreidesorten vorkommt. An Universitäten in Berlin, München, Hamburg und London wird per Gentechnik nach einer Lösung gesucht. Die sieht man in der Ausschaltung oder Umpolung der Proteine in Hefe, Mais und Weizen.

Inmitten dieser Initiative aus Lebensmittel- und Gentechnikern, Industrieverbänden und Pflanzenzüchtern ist als Betroffenenvertretung die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft mit dabei. Auf deren Website liefert Dr. Gabriele Sachse die Rechtfertigung für die Nutzung der umstrittenen Technologie. Sachse ist Chefin von Biolinx, einer industrienahen Frankfurter Firma, die Gentechunternehmen beim Umgang mit der Öffentlichkeit berät. In ihren Texten gibt es auch schon mal anstatt fundierter Argumentation kräftige Polemik über "romantische Vorstellungen" der Kritikerseite und deren mangelnder "Auseinandersetzung mit den Anforderungen an eine moderne Landwirtschaft". Gefeiert dagegen wird das Potenzial der Grünen Gentechnik und der "große Optimismus, mit dem Saatguthersteller und Farmer in Nordamerika und auch anderen Ländern ihre neuen Sorten präsentieren". Angesichts des wachsenden Unmuts in den USA über die falschen Versprechungen der Branche wird darauf verwiesen, dass "europäische Gentechnikgegner (versuchen) mittels Protesttourismus auch in den USA Stimmung gegen die Gentechnik zu machen."

Ob die von den negativen ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der transgenen Feldfrüchte betroffenen Landwirte in Übersee dies ebenso sehen, ist anzuzweifeln. Seitdem Percy Schmeiser Bekanntschaft gemacht hat mit Monsantos Machenschaften, kämpft der Landwirt, der schon jenseits der 70 ist, weltweit gegen die Patentierung von Nutzpflanzen. Und die Wileys informieren über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Konsequenzen der Einführung von Gentech-Weizen. Zum Jahresbeginn waren sie gemeinsam in Europa unterwegs, um über ihre bösen Erfahrungen zu berichten. Beim Austausch mit polnischen Umwelt- und Agrarverbänden erklärte Gail Wiley: "Ein Verbot von GVO in Polen würde uns helfen, unser Moratorium für gentechnisch veränderten Weizen durchzusetzen."

Der Text darf auf Rückfrage für nicht-kommerzielle Zwecke genutzt werden, vorausgesetzt die Angabe und Verlinkung der Quelle. Abdruck (auch auszugsweise), Vervielfältigung, Zitat nur in Absprache mit der Autorin.

Zurück