[VERN-Newsletter 12/2013]

Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA: mehr Handel, weniger Rechte

Von Ute Sprenger ©

Während hiesige Saatgut-Initiativen sich noch damit abplagen durchzublicken, was es mit der Reform des EU-Sortenrechts auf sich hat und wie die europäische Agrarpolitik (GAP) in Deutschland künftig umgesetzt wird, mahlen andernorts bereits die politischen Mühlen heftig weiter. Seit kurzem nämlich wird zwischen Brüssel und Washington über ein Freihandelsabkommen unter dem Kürzel TTIP verhandelt, das es in sich hat. Es geht dabei u. a. um die Abschaffung so genannter Handelshemmnisse, was den Verbraucherschutz ebenso wie das geistige Eigentum betrifft. Insofern droht neben einem Mehr an Gentechnik auf hiesigen Feldern und Tischen, neben Chlorhähnchen aus US-Produktion oder dem Fracking eine neue Phase des Streits über Fragen der Kulturförderung und ebenso über die Patentierung von Pharmazeutika und Pflanzensorten. Europaweit machen inzwischen die Kritiker_innen dagegen mobil.

Fünf Jahre nach Beginn der globalen Finanzkrise verhandelt die Obama-Administration derzeit über zwei der weltweit größten Handelsabkommen. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und den EUMitgliedsstaaten soll nach offizieller Lesart die Märkte und das Wirtschaftswachstum ankurbeln und in beiden Regionen Arbeitsplätze schaffen. Kritiker_innen befürchten indes einen massiven Abbau europäischer Rechte und Standards. Vorläufer der in diesem Frühjahr begonnenen Gespräche ist die so genannte Transpazifische Partnerschaft (TPP) der USA mit elf Anrainerstaaten des Pazifiks, darunter Australien, Chile, Singapur und Vietnam. Mit beiden Handelsabkommen sollen die Bedingungen für die weitere Deregulierung des weltweiten Austauschs von Gütern und Dienstleistungen festgeklopft werden. Die Verhandlungsrunden finden weitgehend hinter verschlossenen Türen statt.

In den vergangenen 15 Jahren haben die führenden Wirtschaftsnationen mit regionalen und bilateralen Freihandelsverträgen bislang bereits mehr oder weniger erfolgreich ihre strategischen Interessen gegenüber Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika durchsetzen können. Zeigte sich doch, dass es für die USA, für EU-Mitgliedsstaaten oder für Japan weitaus reibungsloser lief Handelsliberalisierungen in individuellen Gesprächen anstatt in multilateralen Foren im Rahmen der Welthandelskonferenz (WTO) auszuhandeln. Sahen sie sich dort zunehmend Länderblöcken mit ähnlichen Interessen gegenüber, was auch ärmeren Staaten ermöglichte den Schutz ihrer eigenen Wirtschaft einzufordern, werden solcherart demokratische Prinzipien in regionalen Abkommen erfolgreich unterlaufen. Zu den besonders umstrittenen Themen im Rahmen der WTO zählen die Landwirtschaft sowie Regelungen zu handelsbezogenen geistigen Eigentumsrechten (TRIPs), also der Schutz von Ursprungsregeln, Warenzeichen, Copyrights, Patenten oder anderen Formen geistigen Eigentums. Insbesondere transnationale Konzerne betrachten die Prozesse und Debatten in den multilateralen Verhandlungen als Fortschrittsbremse. Um auch strittige Fragen durchzusetzen, flexibilisierten die USA deshalb ihre Strategie und setzen nunmehr auf Handelsabkommen jenseits der WTO. Auch wirtschaftsmächtige EU-Staaten finden Gefallen an den wirkungsvollen Alternativen bilateraler oder regionaler Handels- und Investitionsvereinbarungen.

Beim Freihandelsabkommen TTIP geht es um die Abschaffung nicht-tarifärer Handelshemmnisse zwischen der EU und den USA. Dies betrifft unterschiedliche Verbraucherschutzgesetze und Qualitätsstandards im Nahrungsmittelbereich ebenso wie Regelungen zum Ausstoss von Treibhausgasen oder zum Schutz der Landwirtschaft. In einer Transatlantischen Freihandelszone bestünde demnach die Möglichkeit, dass künftig Investoren und Konzerne gegen Staaten klagen, weil sie ihre Interessen und den Zugang zu den Märkten eingeschränkt sehen. Was etwa im Agrarbereich weitreichende Auswirkungen haben wird, sei es bei Anbaugenehmigungen für den Gentechnik-Mais, bei Zulassungen von Riesenmastställen oder bei Patentprüfungen für genetische Ressourcen. Dies belegt auch der unlängst von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte Vertragsentwurf zum Freihandel in der Pazifikregion. Darin bestehen die USA u. a. auf weitreichende Patentrechte für Pflanzen, Tiere oder Arzneimittel.

Während derzeit die Gespräche zur Handelsliberalisierung von EU und USA in die dritte Runde gehen, machen derweil dessen Kritiker_innen an der Basis mobil. Bürgerrechtsorganisationen, Verbraucherschutzverbände, die Gewerkschaften und Umweltgruppen rufen zum Widerstand gegen die Transatlantische Freihandelszone und eine damit verbundene Absenkung von in Europa erkämpften Standards auf.

Zum Weiterlesen:
Agreements, EU-Kommission
TAFTA – die große Unterwerfung, Le Monde diplomatique, 8.11.13
TTIP-Freihandelsabkommen zwischen USA und EU. Es geht um mehr als nur Zölle, Süddeutsche Zeitung, 11.11.13
Transatlantisches Freihandelsabkommen: Die Kritiker machen mobil, Heise Online, 26.11.13
TTIP – Elefantenhochzeit für Freihandel stoppen, Hintergründe bei attac

Der Text darf auf Rückfrage für nicht-kommerzielle Zwecke genutzt werden, vorausgesetzt die Angabe und Verlinkung der Quelle.
Abdruck (auch auszugsweise), Vervielfältigung, Zitat nur in Absprache mit der Autorin.

Zurück