Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA: mehr Handel, weniger Rechte
Von Ute Sprenger ©
Während hiesige Saatgut-Initiativen sich noch damit abplagen durchzublicken, was es mit der Reform
des EU-Sortenrechts auf sich hat und wie die europäische Agrarpolitik (GAP) in Deutschland künftig
umgesetzt wird, mahlen andernorts bereits die politischen Mühlen heftig weiter. Seit kurzem nämlich
wird zwischen Brüssel und Washington über ein Freihandelsabkommen unter dem Kürzel TTIP
verhandelt, das es in sich hat. Es geht dabei u. a. um die Abschaffung so genannter
Handelshemmnisse, was den Verbraucherschutz ebenso wie das geistige Eigentum betrifft. Insofern
droht neben einem Mehr an Gentechnik auf hiesigen Feldern und Tischen, neben Chlorhähnchen
aus US-Produktion oder dem Fracking eine neue Phase des Streits über Fragen der Kulturförderung
und ebenso über die Patentierung von Pharmazeutika und Pflanzensorten. Europaweit machen
inzwischen die Kritiker_innen dagegen mobil.
Fünf Jahre nach Beginn der globalen Finanzkrise verhandelt die Obama-Administration derzeit über zwei der weltweit größten
Handelsabkommen. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und den EUMitgliedsstaaten
soll nach offizieller Lesart die Märkte und das Wirtschaftswachstum ankurbeln und in
beiden Regionen Arbeitsplätze schaffen. Kritiker_innen befürchten indes einen massiven Abbau
europäischer Rechte und Standards. Vorläufer der in diesem Frühjahr begonnenen Gespräche ist die
so genannte Transpazifische Partnerschaft (TPP) der USA mit elf Anrainerstaaten des Pazifiks,
darunter Australien, Chile, Singapur und Vietnam. Mit beiden Handelsabkommen sollen die
Bedingungen für die weitere Deregulierung des weltweiten Austauschs von Gütern und
Dienstleistungen festgeklopft werden. Die Verhandlungsrunden finden weitgehend hinter
verschlossenen Türen statt.
In den vergangenen 15 Jahren haben die führenden Wirtschaftsnationen mit regionalen und
bilateralen Freihandelsverträgen bislang bereits mehr oder weniger erfolgreich ihre strategischen
Interessen gegenüber Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika durchsetzen können. Zeigte sich
doch, dass es für die USA, für EU-Mitgliedsstaaten oder für Japan weitaus reibungsloser lief
Handelsliberalisierungen in individuellen Gesprächen anstatt in multilateralen Foren im Rahmen der
Welthandelskonferenz (WTO) auszuhandeln. Sahen sie sich dort zunehmend Länderblöcken mit
ähnlichen Interessen gegenüber, was auch ärmeren Staaten ermöglichte den Schutz ihrer eigenen
Wirtschaft einzufordern, werden solcherart demokratische Prinzipien in regionalen Abkommen
erfolgreich unterlaufen. Zu den besonders umstrittenen Themen im Rahmen der WTO zählen die
Landwirtschaft sowie Regelungen zu handelsbezogenen geistigen Eigentumsrechten (TRIPs), also
der Schutz von Ursprungsregeln, Warenzeichen, Copyrights, Patenten oder anderen Formen
geistigen Eigentums. Insbesondere transnationale Konzerne betrachten die Prozesse und Debatten
in den multilateralen Verhandlungen als Fortschrittsbremse. Um auch strittige Fragen durchzusetzen,
flexibilisierten die USA deshalb ihre Strategie und setzen nunmehr auf Handelsabkommen jenseits
der WTO. Auch wirtschaftsmächtige EU-Staaten finden Gefallen an den wirkungsvollen Alternativen
bilateraler oder regionaler Handels- und Investitionsvereinbarungen.
Beim Freihandelsabkommen TTIP geht es um die Abschaffung nicht-tarifärer Handelshemmnisse
zwischen der EU und den USA. Dies betrifft unterschiedliche Verbraucherschutzgesetze und
Qualitätsstandards im Nahrungsmittelbereich ebenso wie Regelungen zum Ausstoss von
Treibhausgasen oder zum Schutz der Landwirtschaft. In einer Transatlantischen Freihandelszone
bestünde demnach die Möglichkeit, dass künftig Investoren und Konzerne gegen Staaten klagen, weil
sie ihre Interessen und den Zugang zu den Märkten eingeschränkt sehen. Was etwa im Agrarbereich
weitreichende Auswirkungen haben wird, sei es bei Anbaugenehmigungen für den Gentechnik-Mais, bei
Zulassungen von Riesenmastställen oder bei Patentprüfungen für genetische Ressourcen. Dies belegt
auch der unlängst von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte Vertragsentwurf zum Freihandel
in der Pazifikregion. Darin bestehen die USA u. a. auf weitreichende Patentrechte für Pflanzen, Tiere
oder Arzneimittel.
Während derzeit die Gespräche zur Handelsliberalisierung von EU und USA in die dritte Runde
gehen, machen derweil dessen Kritiker_innen an der Basis mobil. Bürgerrechtsorganisationen,
Verbraucherschutzverbände, die Gewerkschaften und Umweltgruppen rufen zum Widerstand gegen
die Transatlantische Freihandelszone und eine damit verbundene Absenkung von in Europa
erkämpften Standards auf.
Zum Weiterlesen:
Agreements, EU-Kommission
TAFTA – die große Unterwerfung, Le Monde diplomatique, 8.11.13
TTIP-Freihandelsabkommen zwischen USA und EU. Es geht um mehr als nur Zölle, Süddeutsche Zeitung, 11.11.13
Transatlantisches Freihandelsabkommen: Die Kritiker machen mobil, Heise Online, 26.11.13
TTIP – Elefantenhochzeit für Freihandel stoppen, Hintergründe bei attac
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