VERN-Strecke - Aufbau auf dem Tempelhofer Feld, Mai 2010
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VERN & Friends auf dem Tempelhofer Feld
Ein Fest der biologischen und kulturellen Vielfalt!

[Berlin, 08. Mai 2010]
"Biodiversität schafft Bewegungsfreiheit", so lautete das Credo der urbanen GärtnerInnen und LandwirtInnen, die zur Parkeröffnung auf dem ehemaligen Berliner Flughafengelände auf die nördliche Landebahn geladen hatten. Bei Erlebnisangeboten und Gesprächen konnten die Flaneure sich an diesem Tag auch über den Erhalt und die Nutzung historischer Kulturpflanzen in Zeiten des Klimawandels oder über die weltweite Bewegung für Agrobiodiversität informieren. Wer bisher seine Pflanzen vor allem im Baumarkt erstand, wunderte sich vielleicht über die phantasievollen Namen und über die Formenvielfalt, die selbst bei Tomaten oder Getreidesorten herrscht. Interessierte HobbygärtnerInnen waren eingeladen, ihre Liebe für die alten Sorten neu zu entdecken. Sie konnten sich gleich vor Ort mit Saatgut und Pflanzen historischer Sorten versorgen. (Fotostrecke zum Tag auf dem THF)

Tigerella, Schwärzels Freilandtomate und der Champagnerroggen waren die Stars auf der nördlichen Landebahn am Tag der Parkeröffnung auf dem legendären Tempelhofer Flughafengelände. Der VERN (Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg & Berlin) hatte die BerlinerInnen und Gäste aus der Region zu einer Informationsstrecke gebeten, an der es dort ein weites Spektrum an - für diesen Ort etwas ungewöhnlichen - Angeboten gab, von Hintergründen zu historischen Kulturpflanzen bis zu Gesprächen über den Nutzen der biologischen Vielfalt für die Züchtung unserer Tage, etwa als Absicherung gegen die Wechselfälle des Klimas. Der Verein betreibt in Greiffenberg bei Angermünde (Uckermark) einen Erhaltungs- und Schaugarten und koordiniert ein brandenburgweites Netzwerk von Erhaltungsinitiativen.

Allein 19 verschiedene Tomatensorten hatten die in Brandenburg und in Berlin aktiven FreundInnen der Vielfalt an diesem 8. Mai nach Tempelhof mitgebracht. Tigerella und Schwärzels sind nur zwei davon. Viele dieser Sorten sind von dem schon seit 1996 existierenden Verein dem Vergessen entrissen worden. In dessen Saatgutlager schlummern Tausende von Pflanzensorten, von denen alljährlich im Erhaltungsgarten in der Uckermark etwa 2.000 Sorten ausgesät werden - von Zierpflanzen über Gemüse, Giftpflanzen und Kartoffeln bis hin zu Getreide. Denn die beste Art das eingelagerte Saatgut lebendig zu erhalten, ist, es regelmässig auszupflanzen. Auch in befreundeten Gärten in anderen Regionen Brandenburgs und mittlerweile selbst in Berlin halten engagierte Menschen die Nutzpflanzenvielfalt - auch Agrobiodiversität genannt - am Leben. (*)

Experimentierfreudige BesucherInnen des Tempelhofer Festes konnten sich vor Ort mit besonderen Liebesäpfeln, duftenden Gartenfedernelken, seltenen Erdbeerpflanzen, Saatkartoffeln oder historischen Salatsaaten für Balkon, Fensterbrett und Garten versorgen. Während die Grossen sich zum entspannten Gespräch an den Tischen niederließen, wühlten die jüngeren BesucherInnen in den Getreidesäcken mit dem Champagnerroggen, malten historische Zeichnungen von Salatköpfen aus oder vertrieben sich die Zeit beim Pflanzen-Quiz. Als Gewinn winkte ein Tütchen mit historischer Saat der Bunten Forelle, einem Blattsalat, den Wissenschaftlerinnen von der Humboldt-Universität gemeinsam mit dem VERN wieder zum Leben erweckt und mit einer Sortenbeschreibung für die Gärtnerei nutzbar gemacht haben.

Und bei der Verkostung von frischem Champagnerroggen-Brot stellte so manch ein Besucher fest, dass Brot vom Bäcker, aus guten Zutaten gemacht, eindeutig besser schmeckt als die Massenware aus dem Discounter oder von aufgetauten Backrohlingen. Das leckere Brot war von einer Neuköllner Bio-Bäckerei gespendet worden, die den Norddeutschen Champagnerroggen verbackt - eine brandenburger Getreiderarität, die der VERN erfolgreich in die Wertschöpfungskette zurückgebracht hat.

Eingeladen zu der lustvollen Erkundungstour der biologischen Vielfalt in Feld und Garten hatte der VERN, gemeinsam mit besagtem Forschungsprojekt der Humboldt-Universität zur Prüfung historischer Salatsorten, dem Eichwerder Pflanzenmuseum aus dem Oderbruch (IPG Kesselberg e.V.) und den Berliner Gemeinschafts- und Interkulturellen Gärten. In direkter Nachbarschaft mit den Kreuzberger Prinzessinnengärten sowie dem Kinder-Koch-Mobil präsentierten sich die Organisatoren "VERN & Friends" auf dem Tempelhofer Feld unter dem Titel "Urbane Landwirtschaft". Den Flaneuren auf dem 380 Hektar großen Gelände boten sich damit Einblicke in das breite Spektrum der aktuellen Diversitäts- und Garten-Bewegung, die seit den späten 1990er Jahren sowohl ländliche als auch städtische Initiativen weltweit zusammenbringt.

(*) Ein Großteil des VERN-Saatguts - insbesondere von Getreide, Kartoffeln, Tomaten, sonstigen Gemüsearten und ausgewählten Zierpflanzengruppen - stammt ursprünglich von Sorten, die über Jahrhunderte in Bauerngärten oder in barocken Gärten gehegt und gepflegt wurden, im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft und der Homogenisierung des Lebensmittelangebots in den vergangenen fünfzig Jahren jedoch verdrängt worden sind. Durch diese Verdrängung des kulturellen Erbes in der Landwirtschaft aber verliert die Menschheit ihre Sicherung für die Ernährung der Zukunft. Denn damit geht weltweit auch jener Schatz an biologischer Vielfalt in den Gärten und auf den Äckern verloren, der für die Züchtung neuer und regional angepasster Sorten notwendig ist. So kann eine breite Basis genetischer Ressourcen auch eine Absicherung in Zeiten der Erderwärmung bieten. Diese Erkenntnis und die Erfahrung, dass vielfältig bepflanzte Gärten und Felder die Ernährung vielerorts besser sichern können, als anfällige und teure Monokulturen, führte in vielen Regionen in Entwicklungsländern dazu, dass dort Bauern und Bäuerinnen sich zusammenschliessen, um organisiert für den Erhalt und die Nutzung der Agrobiodiversität ausserhalb der Genbanken (on-farm) einzutreten.

Zur Fotostrecke vom 08. Mai 2010 auf dem THF

© Ute Sprenger
[VERN e.V. - Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg & Berlin]

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