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Februar 2012

Subversion im Samenbau

Von Ute Sprenger ©

Eine Buchempfehlung zum Frühjahr

Gute Gartenhandbücher finden sich zahlreich. Wo aber winkt Abhilfe, wenn ich wissen will, ob Zucchini und Ölkürbis sich einkreuzen oder wie Saatgut von Nachtschattengewächsen, etwa der Aubergine, der Andenbeere oder der Tomate, gewonnen wird?

Seit gut 10.000 Jahren legt der Mensch nun schon Felder an und widmet sich dem, was gemeinhin als Gartenbau und Landwirtschaft bezeichnet wird. In vielen Ländern des Südens zählen dabei detaillierte Kenntnisse über die Saaten und ihre Eigenschaften zum kulturellen Erbe - wenn nicht gar zu den Fragen des Überlebens. In hiesigen Breitengraden hingegen ist das Wissen über den Samenbau eher rar gesät. In jedem Frühjahr liegen im Handel die bunten Kataloge und Tütchen bereit, die dicke Kürbisse, aromatische Tomaten oder knallige Balkonpflanzen versprechen, dazu Jungpflanzen mit Erntegarantie. Wer weiß schon, dass viele davon Hybride sind, die zwar im ersten Jahr gute Resultate bringen, deren Samen diese Eigenschaften aber nicht weiterträgt?

Das Angebot täuscht eine Vielfalt vor, die real nicht mehr vorhanden ist. Denn Samenbau und Sortenzucht wurden im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft zum geschützten Spezialwissen von Unternehmen in der Züchtung, darunter zunehmend multinationale Konzerne aus der Agrochemie. Deren in Laboren entwickeltes Saat- und Pflanzgut wird zumeist in klimatisch günstigen Billiglohnländern für den Weltmarkt vermehrt. Regional oder gar lokal angepasste Sortenvielfalt aber ist unter Gesichtspunkten größtmöglicher Wertschöpfung kaum lukrativ.

Vor diesem Hintergrund haftet dem Handbuch der Gemüse-Samengärtnerei durchaus ein Hauch Umstürzlerisches an. Dessen Mottos nämlich lauten „freier Austausch von Saatgut” und: „Züchtung zurück in die Gärten und auf die Felder”. Auf einen kurzen Hintergrund zur Bedeutung der Kulturpflanzenvielfalt und ein kleines „Einmaleins des Gemüse-Samenbaus” mit wertvollen Tips aus der Praxis folgen umfassende Portraits von wichtigen Kulturarten - von Baldrian- bis Zwiebelgewächsen - samt deren botanischer Zuordnung und Bestäubungsbiologie, Methoden des Anbaus, der Ernte, Trocknung, Aufbereitung, Reinigung von Saatgut und der Saatgutlagerung. Ein eigenes Kapitel widmet sich den Süßgräsern und Getreiden.

Mit einer Fülle praktischer Informationen, mit schönen Fotos und gelungenen Grafiken, bekommen EinsteigerInnen wie Profis hier also das Handwerkszeug für die Saatgutgewinnung und Vermehrung ihrer Lieblingssorten. Wem F1-Hybride und Gemüsesaaten aus dem Baumarkt genügen wird mit diesem Handbuch wohl kaum etwas anfangen können. Wer jedoch die Leidenschaft für die Anzucht von eigenen Saaten entdeckt hat, wird die knapp 30 Euro für das umfangreiche Kompendium gut angelegt wissen.

Andrea Heistinger, Arche Noah, Pro Specie Rara (Hrsg.):
Handbuch Samengärtnerei - Sorten erhalten. Vielfalt vermehren. Gemüse genießen.
Löwenzahn Verlag (4. überarbeitete Auflage 2010), 432 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-7066-2352-0.

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