[GID - Gen-ethischer Informationsdienst]

Nr. 178, Oktober 2006

Reis LL 601: Kaum Aufklärung in Lateinamerika

Von Ute Sprenger ©

Zu Beginn des Jahres 2006 wurde bekannt, dass gentechnisch veränderter Reis aus den USA illegal in den Handel gelangt war. Wie sich später herausstellte, entstammte die Verunreinigung den Versuchsreihen von Bayer CropScience. Das Chemieunternehmen hatte den Reis LL601 mit einer Resistenz gegen das Bayer-Herbizid Liberty bis 2001 in den USA getestet. In Europa und Japan wurden Einfuhrsperren für US-Reis verhängt (2009 und 2010 verurteilten US-Gerichte Bayer CropScience zu empfindlichen Schadenersatzzahlungen an die Landwirte). In vielen Ländern sind allerdings die Möglichkeiten zur Überwachung und zum Nachweis transgener Organismen sehr begrenzt. Ein Bericht aus dem Herbst 2006:

Während der Kontaminationsskandal mit dem ungenehmigten transgenen Bayer-Reis LL 601 in den Medien Deutschlands und Europas Nachrichtenwert erlangte und Behörden und Supermarktketten mehr oder weniger adäquat auf die Verunreinigung reagieren, rufen Erzeuger, VerbraucherInnen und Umweltschützer in Afrika und Lateinamerika bislang vergebens nach Information und Aufklärung. Und dies, obwohl dort Reis vielerorts als Grundnahrungsmittel weitaus bedeutender ist als in unseren Breitengraden und in großen Mengen aus den USA bezogen wird.

Größter Importeur von US-Reis ist Mexiko. Aufgrund der Subventionen können US-Famer Reis billiger produzieren, als ihre mexikanischen Kollegen. Mexikos nationaler Reiserzeugerverband Fenaparroz vermutet, dass der transgene Reis seit langem schon ins Land kommt. In einem Schreiben an den Landwirtschaftsminister vom September 2006 warf der Verband der Regierung vor, weder die Öffentlichkeit zu informieren, noch sich um Analysen der US-Importe zu kümmern. Zwar soll die staatliche Lebensmittelkontrolle verschiedene Proben genommen haben. Doch ist bis dato unbekannt was dabei herauskam. Mexiko hatte erst 2004 ein Gesetz für die biologische Sicherheit verabschiedet.

Auch in Costa Rica bemühen der dortige Erzeugerverband Conarroz ebenso wie das politische Bündnis Frente Amplio sich seit einigen Wochen um Aufklärung. Denn auch dort ist man zunehmend auf die Einfuhr von US-Reis angewiesen, weil aufgrund des Preisverfalls für einheimische Bauern andere Produkte, wie Zierpflanzen oder Melonen, inzwischen lukrativer sind. Seitens der Überwachungsbehörde für Agrarprodukte empfahl man dem Verband Anfang September, sich an die Importeure zu wenden, denn im Land selbst gebe es keine zuverlässige Analysemethode zum Nachweis transgener Organismen. Conarroz sucht nun in der Region nach Importeuren anderer Länder, die gentechnikfreie Ware liefern können. Für das kommende Jahr werden 36.000 Tonnen benötigt. Doch auf die amerikaweite Ausschreibung gingen nur zwei US-Offerten ein. Die Ware wurde nicht nur zu einem überhöhten Preis angeboten, sondern auch ohne das geforderte Reinheitszertifikat. Ende September wurden deshalb beide Angebote abgelehnt.

US-Landwirte liefern etwa zwölf Prozent der weltweit gehandelten Reismengen. Auch deshalb wird dort intensiv an transgenen Varianten gearbeitet. Laut US-Datenbank über Freisetzungen, erhielten die Unternehmen AgrEvo und Aventis (beide inzwischen in Bayer CropScience aufgegangen), Bayer CropScience, Syngenta, Genetic Resources Inc. und die Universität von Louisiana bislang 251 Genehmigungen für Experimente mit gv-Reis. Wobei Bayer in der Forschung und Entwicklung derzeit vorn zu liegen scheint. Denn das Unternehmen hat als einziges eine Zulassung für Anbau und Vermarktung zweier transgener Varianten mit einer Toleranz gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium (LLRice06 und LLRice62 mit Phosphinothrizin Toleranz, auch PPT). Diese Pflanzen überstehen eine Dusche mit der Bayer-Hausmarke Liberty (Glufosinat). Versprochen wird damit beispielsweise eine wirksame Bekämpfung des im Reisanbau unwillkommenen Roten Reis, ein sogenannter Unkrautreis, der zunehmend dort auftritt, wo vorgekeimt direkt gesät wird. Eine Praxis, die zwar im Gegensatz zur herkömmlichen Anbaumethode den Arbeitsaufwand und den Wasserverbrauch verringert, gleichzeitig aber den Einsatz von Maschinen und Agrochemie fördert.

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