Postkoloniale Erinnerungskultur in Berlin

Von Ute Sprenger © 19. Juni 2012

Mit einer Informationstafel wird seit kurzem in Berlins Mitte an die koloniale Vergangenheit Deutschlands erinnert. Das Afrikanische Viertel der Hauptstadt, dessen Straßen nach deutschen Kolonien und nach Kolonialisten wie Adolf Lüderitz, Gustav Nachtigal und Carl Peters benannt wurden, ist hierzulande das größte Flächendenkmal mit kolonialpolitischem Bezug.

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Es entstand auf Anregung des Berliner Magistrats ab Ende des 19. Jahrhunderts als “Kolonialviertel” am Rand des ehemaligen Arbeiterbezirks Wedding. Die Idee wurde auch andernorts aufgegriffen. Inzwischen ist die mit den Straßennamen verbundene Geschichte von Betrug, Gewalt, Kriegen und Völkermord jedoch weitgehend verdrängt und vergessen. Das Wohngebiet erscheint als ein Quartier wie jedes andere.
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Bereits in den späten 1970er Jahren gab es im Wedding einen ersten Vorstoss zur Umbenennung von Straßen, die nach Kolonialschreibern oder Eroberern benannt sind. Seinerzeit traf dies noch auf taube Ohren. Einem Bündnis von Organisationen der afrikanischen Diaspora und anderen Gruppen ist es nun zu verdanken, dass das Erinnern hier einen Ort bekommen hat.

 

Stele - Postkolonialer Erinerungsort Anfang Juni 2012 versammelten sich gut 150 Menschen im Afrikanischen Viertel, um gemeinsam mit lokaler Polit-Prominenz und AkteurInnen aus der Zivilgesellschaft eine Stele einzuweihen. Dem war eine jahrelange Kontroverse vorausgegangen. Das Ringen zwischen dem zuständigen Bezirksparlament in Berlin-Mitte und Nicht-Regierungsorganisationen um Inhalte und Darstellungen mündete schließlich in einen Kompromiss. Die Tafel trägt nun zwei verschiedene Texte mit den jeweiligen Sichtweisen auf die deutsche Kolonialgeschichte. Die Stele soll ein erster Schritt sein zu einem postkolonialen Lern- und Gedenkort, dessen Realisierung der Bezirk im Mai 2011 beschlossen hatte. Für die NGO-Seite geht es dabei auch um die Geschichte der Opfer. Die Umbenennung jener Straßen, mit denen einst die Täter gewürdigt wurden, steht deshalb nach wie vor auf ihrer Agenda.

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