[GID - Gen-ethischer Informationsdienst]

Nr. 175 - April 2006, S. 27 - 28

Kommerzieller Anbau von transgenem Reis im Iran?

Von Ute Sprenger ©

Der Atom-Konflikt mit dem Iran bestimmt derzeit das mediale Bild dieses Staates im Mittleren Osten. Dass dort bereits eine weitere Risiko-Technolgie realisiert wird, scheint hiesigen Medien bislang entgangen zu sein. Nun behaupten westliche Gentech-Apostel, die islamische Republik habe als erstes Land transgenen Reis kommerziell verwertet. Doch ist Vorsicht geboten beim Wahrheitsgehalt solcher "Erfolgsmeldungen".

Genveränderte Reispflanzen mit einer Insektenresistenz waren im Iran seit den 90er Jahren entwickelt worden, wurden in den letzten beiden Anbauperioden vermehrt und sollten ursprünglich in diesem Jahr großflächig angebaut werden. Es handelt sich dabei um ein gemeinsames Projekt zwischen iranischen ForscherInnen und dem auf den Philippinen ansässigen Internationalen Reisforschungsinstitut IRRI. Das zumindest scheint festzustehen. Es wurde nicht nur von US-Zeitschriften und Einrichtungen der Gentech-Lobby verkündetet. Auch in iranischen Medien und auf der Website des staatlichen Instituts für Agrarbiotechnologische Forschung (ABRII) ist nachzulesen, dass im Iran in einem Verbundprojekt an insektenresistentem transgenem Reis gearbeitet wird.

Als Zeugen für die anstehende Kommerzialisierung zitierten verschiedene Quellen Behazad Ghareyazie, den Leiter jenes iranischen Instituts. Dort wird neben Reis auch Baumwolle, Mais, Weizen, Zuckerrübe, Raps, Kartoffel und Kümmel gentechnisch bearbeitet. Der ABRII-Leiter hatte Anfang 2005 westlichen Medien gegenüber erklärt, dass sein Land bereits transgenen Reis zugelassen habe und diesen nun als Nahrungsmittel anbauen werde. Demnach hatte das iranisch-philippinische Team in die einheimische aromatische Reissorte Tarom molaii das insektizide Toxin Bt eingebaut (cry1Ab Gen), das den Pflanzen eine Resistenz gegen schädliche Insekten wie den Reisstängelbohrer verleiht. Dieser transgene Reis wurde seit 1999 im Labor und im Freiland erprobt und sollte laut Ghareyazie von 2006 an auf die Teller seiner Landsleute kommen.

Angeblicher Durchbruch

Im Iran wächst Reis auf einer Fläche von gut 600.000 Hektar. Das Land erzeugt offziellen Angaben zufolge nur etwa ein Drittel seines eigenen Bedarfs selbst. Aus iranischer Sicht mag der Anbau neuer transgener Reissorten also gerechtfertigt sein. Verspricht dieser doch auf den ersten Blick mehr Unabhängigkeit von Importen und damit mehr Souveränität. So zog die Ankündigung Ghareyazies ihre Kreise. Und als China im Herbst 2005 aufgrund von Akzeptanzproblemen und Sicherheitsbedenken die Geschwindigkeit bei der Entwicklung von Gentechreis drosselte und die Genehmigung für den kommerziellen Anbau vorerst zurückstellte, wurde der iranische Vorstoß im Westen dankbar aufgegriffen.

James Clive von der industriefinanzierten Einrichtung ISAAA, die alljährlich Daten zum kommerziellen Erfolg von transgenen Kulturen veröffentlicht und stets auf der Suche nach Beweisen für die philantropische Wirkung der modernen Biotechnologien ist, bejubelte zum Jahresbeginn 2006 den angeblichen Durchbruch bei dieser wichtigen Nahrungspflanze. Die iranische Kommerzialisierung von Gentechreis, so heisst es dort, hätte "enorme Bedeutung für die Linderung der Armut, des Hungers und der Mangelernährung und dies nicht nur für die Reis anbauenden und konsumierenden Länder in Asien, sondern für alle Biotech-Kulturen und ihre weltweite Akzeptanz". Für gesichert hält man bei ISAAA auch, dass bereits im Vorjahr auf 4.000 Hektar Bt-Reis kultiviert worden ist.

Und im "Des Moines Register", einem Wirtschaftsblatt am Hauptsitz des Biotech-Konzerns Pioneer Hi-Bred, liest man, der Iran habe nun das Rennen um den ersten Platz im transgenen Reisanbau gemacht. Von vorausgegangenen "extensiven Sicherheitstests" ist dort die Rede und davon, dass dies nun den Nachweis der Nützlichkeit dieser Technologie für Bauern in Entwcklungsländern erbringe. Als Zeuge hierfür fungiert Joel I. Cohen vom International Food Policy Research Institute (IFPRI) in Washington, einem Think-Tank der gentechnikgestützten Agrarforschung. Cohen hatte schon in den 90er Jahren, als er noch leitender Mitarbeiter in der Agentur für Internationale Entwicklung USAID war, bei der Vermittlung eines akzeptanzsteigernden Projektes für den BioTech-Gianten Monsanto in Afrika Pate gestanden.

Ernährungssicherheit mit gesunder Nahrung hat Vorrang

Tatsächlich aber ist die Interpretation der Informationen aus dem Iran bei genauerer Betrachtung nicht ganz so überzeugend, wie seitens westlicher Gentech-Befürworter gewünscht. Denn glaubt man der iranischen Organisation Centre for Sustainable Development and Environment (CENESTA), so gehen sämtliche Aussagen über den kommerziellen Anbau von gv-Reis auf eine einzige Quelle aus dem Inland zurück: Behazad Ghareyazie, den Leiter des ABRII.

Doch nicht nur, dass jener laut CENESTA seit kurzem ausgewechselt wurde. Auch bewerte die neue Regierung unter Präsident Ahmadinedschad den Einsatz der Gentechnik und insbesondere eine Kommerzialisierung von transgenem Reis anders als sein Vorgänger Khatami. Deshalb werde nun erst einmal geprüft, welche Sicherheitsfragen eine großflächige Freisetzung schaffe. Während man im Landwirtschaftsministerium die Kommerzialisierung befürworte, so heisst es, seien Vertreter des Umweltministeriums strikt dagegen. Zudem betone der derzeitige Leiter der iranischen Agrarforschung, dass die neue Politik des Landwirtschaftsministerium der Ernährungssicherheit Vorrang gebe, und dies unter dem Vorzeichen sowohl der Selbstversorgung des Landes als auch der Erzeugung von gesunder Nahrung.

Kritische Stimmen

Offenbar ist also den Aposteln der Gentech-Lobby nicht vorstellbar, dass auch in der arabischen Welt debattiert wird. Weshalb sich wohl niemand die Mühe machte, einmal genauer zu recherchieren, ob das von Ghareyazie verbreitete Bild auch den Tatsachen entspricht.

Schließlich brauchte es nicht erst den Regierungswechsel im Iran, um auf kritische Stimmen zum iranischen Vorhaben eines großflächigen Anbaus von transgenem Reis zu stoßen. So mahnte bereits Anfang 2005 der Leiter der ägyptischen botanischen Genforschung an der Tanta Universität, Mohammed Hamoud, seine iranischen Kollegen zur Vorsicht. Die Kommerzialisierung des Reis könne verfrüht sein, so Hamoud gegenüber dem Internet Magazin SciDev.Net, denn es mangele noch an Erkenntnissen über die Sicherheit für den menschlichen Konsum und für die Umwelt. Und auch im Land selbst gab es Widerspruch. Als im Oktober 2005 aus Anlass des Welternährungstages sich nahe der thailändischen Hauptstadt Bangkok Repräsentanten aus der Zivilgesellschaft von zehn Reisanbauländern trafen, befand sich unter den Unterzeichnern einer Erklärung für gentechnikfreien Reis auch die iranische Organisation CENESTA. Und zum Jahresende 2005 schließlich machten iranische Medien die Kontroverse in Gentechnikfragen zwischen Behazad Ghareyazie, dem Leiter des ABRII, und dem Umweltministerium öffentlich. Zu einem Zeitpunkt also, der noch vor der "Erfolgsmeldung" durch das ISAAA lag.

Quellen:
Global Status of Commercialized Biotech/GM Crops: 2005, ISAAA (Clive James), 11.01.06.
Iran takes rice biotech lead, Des Moines Register, USA, 22.01.06.
Agricultural Biotechnology Research Institute of Iran (ABRII), www.abrii.ac.ir/en/tissue/results.html.
Large scale cultivation of GMOs will not take place, Shargh Newspaper, Iran, übersetzt von CENESTA, 18.12.05.
Iran, FAO to expand hybrid rice farming, Mehrnews.com, 11.12.05.
Iran... Releases world's first Bt rice, Tehran Times, 07.12.05.
University students should not be discouraged from biotechnology studies: expert. Economic news in brief, MNA, Iran, 05.12.05.
Public must have say in GMO rice debate, China Daily, 24.11.05.
USAID in Africa: "For the American Corporations", Seedling, GRAIN, April 2005.
Iranian scientists produce country's first GM rice, SciDev.Net, 18.02.05.
Transgenic rice, a hundred percent safe: ABRC, MNA, Iran, 22.11.04.

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