[INKOTA-Brief, Die Nord-Süd-Zeitschrift aus Berlin]

Nr. 142, Dezember 2007

Erpresserische Hilfe

Die Politik des Hungers im südlichen Afrika

Von Ute Sprenger ©

In akuten Notsituationen kann Nahrungsmittelhilfe lebensrettend sein. Allerdings gerät die Unterstützung mit Naturalien zunehmend unter Beschuss, erst recht seitdem bekannt wurde, dass dabei auch transgener US-Mais geliefert wird. In Teilen des südlichen Afrika sind in diesem Jahr die Getreideernten geringer ausgefallen als erwartet. Zu befürchten ist, dass die Gentech-Lobby erneut die Nothilfe machtpolitisch im Kampf gegen das im Cartagena-Protokoll zur Biosicherheit verankerte Vorsorgeprinzip einsetzt.

Weltweit wird 90 Prozent aller Nahrungsmittelhilfe anstatt mit Geldern zum Kauf von Hilfsgütern in der jeweiligen Region in Naturalien aus anderen Ländern geliefert. Tatsächlich ist die Naturalienhilfe unter Nichtregierungsorganisationen ebenso wie in Reihen internationaler Geber immer mehr umstritten, denn sie hängt stark vom Angebot der Geberländer ab und ist nur wenig an den Bedürfnissen der Empfänger orientiert. Die Gefahr besteht, dass damit regionale Märkte der betroffenen Regionen zerstört werden. Im Zeitalter der Gentechnik kam zu dieser Kontroverse eine weitere hinzu. In deren Zentrum steht die Lieferung von gentechnisch verunreinigtem Mais aus den USA in einige der Staaten der SADC-Gemeinschaft (Southern African Development Community) – und damit verbunden einmal mehr die Frage, wem diese Art der humanitären Hilfe eigentlich dient. Unter das Sperrfeuer von Biotech-Lobbygruppen geriet dabei besonders die Regierung Sambias.

USA: Verschmutzte Nahrungsmittelhilfe

Gut die Hälfte seiner Ressourcen an Getreide, Hülsenfrüchten, Pflanzenölen oder Milchprodukten erhält das Ernährungsprogramm der UN (WFP) aus den USA. Dort wähnt man sich nach wie vor in der Rolle des traditionellen Weltversorgers. Die Vereinigten Staaten seien nun einmal „in der Lage, enorme Mengen an Nahrung anzubauen“, heißt es dazu in einer Mischung aus Selbstüberhöhung und Stolz auf der Website der staatlichen Entwicklungshilfeorganisation USAID. Insofern schicke man als weltgrößter Nahrungsmittelexporteur einen Teil dieser Waren seit 50 Jahren auch als Hilfslieferungen ins Ausland. Doch beruht diese Hilfe weniger auf US-amerikanischem Edelmut in humanitären Angelegenheiten, als auf der Ansicht, bei der Nahrungsmittelhilfe hätten US-Farmer quasi ein Gewohnheitsrecht auf den Absatzmarkt in Notgebieten.

Nun haben viele dieser US-Farmer seit 1996, dem Beginn des kommerziellen Gentech-Anbaus, auf transgene Kulturen umgesattelt. Transgener Mais steht dort heute auf 73 Prozent der Maisflächen, bei Sojabohnen sind es sogar 91 Prozent. Trotzdem verweigert sich der Agrar-Exportweltmeister mit Verweis auf die Kosten bis in die Gegenwart einer getrennten Verarbeitung seiner Ernten. Infolgedessen sind nahezu alle Lieferungen von Mais, Sojabohnen oder Reis aus diesem Land mit GVO („gentechnisch veränderte Organismen“) verunreinigt.

Kontroverse um Souveränität

Der Streit um die Lieferungen von kontaminierter Nahrungsmittelhilfe ins südliche Afrika nahm im August 2002 seinen Anfang. Seinerzeit gerieten einige afrikanische Staaten in die Schlagzeilen, weil deren Regierungen trotz akuter Nahrungsknappheit die Lieferungen des Welternährungsprogramms verweigert hatten. Aufgrund einer Dürreperiode wurde in Malawi, Lesotho, Simbabwe und Sambia in der ersten Jahreshälfte 2002 der Katastrophenzustand erklärt. Ende Mai bat Sambias Präsident Levy Mwanawasa die internationale Gemeinschaft um Unterstützung bei der Bewältigung der Ernährungskrise. Wenige Wochen später traf eine erste Lieferung des Welternährungsprogramms in Sambia ein: 50.000 metrische Tonnen Körnermais aus den USA. Was die Programm-Verantwortlichen seinerzeit beim Import freilich verschwiegen: Die Fracht war gentechnisch verunreinigt.

Allerdings war man in Sambia vorgewarnt. Denn der südliche Nachbar Simbabwe hatte kurz zuvor schon in einer Lieferung des UN-Programms transgenen Mais entdeckt und daraufhin dankend abgelehnt. Auch in Sambia war deshalb eine Kontamination nicht ausgeschlossen. Zwar zeigte dessen Regierung sich anfangs noch unschlüssig, folgte dann aber dem Rat einheimischer Wissenschaftler, die vor der Verteilung des Getreides warnten. Nach Rücksprache mit Fachleuten aus Bauernverbänden, Kirchen und Wissenschaft fiel schließlich die Entscheidung. „Die Beratungen haben ergeben, dass das Land noch nicht bereit ist für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel“, erklärte der Regierungssprecher im nationalen TV-Sender. Man verfüge nicht über die notwendige Struktur, um deren Wirkung auf Menschen oder die Umwelt beurteilen zu können. Das WFP wurde deshalb aufgefordert, den transgenen Mais wieder außer Landes zu schaffen. An die internationalen Geber erging gleichzeitig die Bitte, die Suche nach gentechnikfreien Reserven für die Ernährung der Bevölkerung zu unterstützen.

Die Simbabwer hatten inzwischen beschlossen, nur vermahlenen Mais als Nahrungsmittelhilfe zu akzeptieren, eine Linie, auf die auch Mosambik, Lesotho, Swaziland, Malawi und Angola wenig später einschwenkten. Für die Afrikaner ging es bei dieser Kontroverse – und geht es auch heute noch – um die Souveränität über ihre Nahrung. Umso mehr, als wenig später bekannt wurde, dass gentechnisch kontaminierte Nahrungsmittelhilfe schon seit 1996 in die Region (und ebenso an die Philippinen, Indien, Bolivien, Kolumbien, Guatemala, Nicaragua und Ecuador) geliefert worden war. Sambias damaliger Landwirtschaftsminister warf deshalb der Gebergemeinschaft jahrelange Täuschung vor.

In den Reihen von WFP und USAID reagierte man mit Unverständnis und Verärgerung auf die afrikanischen Forderungen, wobei besonders Sambia unter massiven Druck der großen Hilfsorganisationen aber auch der US-Gentechlobby, geriet. Seitens WFP/USAID behauptete man, kein anderes als transgenes Getreide liefern zu können. Dennoch konnten die Sambier in den folgenden Wochen und Monaten mit Unterstützung anderer bilateraler Institutionen und Geber – darunter der Europäischen Union – gentechnikfreie Nahrungsmittel aus der Region beschaffen. Im Land selbst begann man gleichzeitig, die Diversifizierung beim Anbau und die Nutzung zertifizierten Saatguts zu fördern. Im Januar 2003 meldeten Nachrichtenagenturen, das WFP habe schließlich doch Ersatz für Sambia gefunden. Allerdings ließen die USA es auch danach nicht dabei bewenden. So soll die USAID im März 2004 versucht haben, in Sambias Vorlagen für einen Gesetz zur Biosicherheit unter anderem das Konzept der „substanziellen Äquivalenz“ einzuführen. Mit diesem Konzept hantieren die USA, wenn sie in Abrede stellen, dass Produkte aus transgenen Verfahren andersartig sind als konventionelle.

Afrikanisches Modellgesetz

Ein wesentlicher Aspekt bei der Entscheidung der sambischen Regierung, die Einfuhr von transgenem US-Mais abzulehnen, war das Vorsorgeprinzip. Die SADC-Länder (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) hatten sich bereits vor dem Kontaminationsskandal auf die Anwendung dieses Prinzips, das auch im Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit verankert ist, geeinigt. Demnach muss beispielsweise die Regierung eines Landes vor Einfuhr von lebenden GVO, also auch transgenem Getreide oder Saatgut, durch den Importeur informiert werden. Auf dieser Grundlage hatte die Afrikanische Union zuvor im Jahr 2001 ein Afrikanisches Modellgesetz entworfen, das den Ländern weitgehende Schutzmechanismen bei Risikovorsorge und Haftungsregelungen im Fall von Kontaminationen durch GVO an die Hand gibt.

Die Gründe für Sambias strikte Ablehnung der Einfuhr von GVO, aber auch für die Restriktionen der anderen Staaten, sind gesundheitliche, agronomische und wirtschaftliche Vorbehalte. Anders nämlich als etwa in den USA ist Mais – neben Hirse, Sorghum oder Cassava – im südlichen Afrika ein Grundnahrungsmittel. Erkenntnisse darüber, wie der tägliche Konsum von gentechnisch verändertem Mais sich auf den menschlichen Organismus auswirkt gibt es bislang keine – erst recht nicht bei durch Hunger geschwächten Personen. Sorge machte auch die Bedrohung, die von den transgenen Sorten für die einheimischen Maisorten ausging. Denn den dortigen LandwirtInnen steht eine große Vielfalt angepasster Maissorten zur Verfügung.

Es ist zu befürchen, dass transgener Körnermais aus der Nahrungsmittelhilfe auskreuzt und so die Erosion der alten Sorten beschleunigt – mit unabsehbaren Folgen für die langfristige Sicherung der Ernährung in der Region. Und schließlich fehlt es in den Ländern an finanziellen und technischen Kapazitäten für den Aufbau eines für die Gentechnik notwendigen Sicherheitssystems, ebenso wie zum Umgang mit Fragen von geistigen Eigentumsrechten. Zudem besteht das Risiko, den gentechnikskeptischen europäischen Exportmarkt infolge von Kontaminationen zu verlieren.

Propaganda gegen gute Argumente

Es gibt also ein ganzes Bündel guter Argumente, um die afrikanischen Interessen zu schützen. Wenn dennoch hochrangige US-Politiker die EU beschuldigen, hinter der Weigerung der Afrikaner zu stecken, den US-Mais anzunehmen, so ist dies ein politischer Winkelzug. Für Saliem Fakir, Südafrika-Leiter der Umweltorganisation IUCN, ist Afrika hier der Bauer im Schach gegen das Vorsorgeprinzip in der europäischen Position zur Agro-Gentechnik. Tatsächlich war man seinerzeit in US-Lobbykreisen gerade dabei, eine Allianz zu schmieden, um das in der EU seit 1998 bestehende De-facto-Moratorium für Neuzulassungen von transgenen Pflanzen mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation zu Fall zu bringen. Diese Klage wurde Mitte Mai 2003 gemeinsam mit Argentinien und Kanada eingereicht. Verbündete dazu hatte man vergeblich auch in Afrika gesucht.

Insofern war und ist dieser von den USA losgetretene Konflikt mit Ländern Afrikas im Kern eine Instrumentalisierung humanitärer Notlagen im Kontext des Handelskrieges um die Gentechnik in der Landwirtschaft. Mit erpresserischem Druck auf afrikanische Staaten versucht(e) man dabei zu erreichen, dass diese ihre Entscheidungen zu Beschränkungen oder Einfuhrverboten von GVO wieder rückgängig machen. Dass die meisten der Länder auf Europas Nachbarkontinent hier bis heute widerstehen, wird in Europa selbst bislang noch viel zu wenig wahrgenommen.

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