[GID - Gen-ethischer Informationsdienst]

Nr. 153, August/September 2002

LibertyLink für Müllers Bienen

Von Ute Sprenger ©

Transgener Raps und Honig aus Kanada bereiten schon heute manch einem Erzeuger Kopfschmerzen. Denn die mit den Risiken der Gentechnik verbundenen Fragen der Haftung sind nicht geregelt. Politik und BioTech-Unternehmen zeigen hier wenig Einsatz. Auch in der Versicherungswirtschaft sucht man noch nach Antworten.

Ralf Müller hat ein schönes und zudem nützliches Hobby. Der Flugzeugbauer aus Neuhaus im nördlichen Niedersachsen hält in seiner Freizeit Honigbienen. Zwischen dem Nordseehafen Cuxhaven, dem Wattenmeer und dem Flüsschen Oste liegt das idyllische Land Hadeln mit bewaldeter Geest und fruchtbaren Marschen. Hier findet seine geflügelte Schar reichlich Nahrung. Mit seiner Imkerei zählt Ralf Müller zu den 90.000 Bienenhaltern in Deutschland, die alljährlich etwa 25.000 Tonnen Honig erzeugen ­ das sind rund 20 Prozent des deutschen Honigverbrauchs. Die "Mädels", wie die Arbeitsbienen unter Imkern liebevoll genannt werden, müssen für ein Glas Honig rund 40.000 mal ausfliegen und dabei zwei bis sieben Millionen Blüten besuchen, um Pollen und Nektar zu sammeln. So mancher Landwirt und Gärtner schätzt die Nähe zu einem Imker. Denn bei ihren Sammelflügen bestäuben die Bienen zahlreiche Nutzpflanzen. Üblich sind deshalb Absprachen über günstige Aufstellplätze der Bienenkörbe und Informationen etwa über die Anwendung von Insektiziden und Fungiziden.

Bienen und andere ahnungslose Kreaturen

Die Idylle hinterm Deich rings um den Flecken Neuhaus bekam jedoch vor einigen Jahren einen Knacks. Dafür verantwortlich ist ein Streit um Rapsflächen mit transgenen Pflanzen, um deren Pollen und um die Frage, ob Honig aus der Nähe von Freilandversuchen vermarktbar ist oder nicht. Die ganze Palette von Fragen um Risiken und Haftung bei der Gentechnik hat Müller in den vergangenen Jahren rauf und runter gebetet, hat versucht, seine MitbürgerInnen aufzuklären und die Imkerschaft zu bewegen, "dem Treiben ein Ende zu setzen". Bisweilen gab es dabei Unterstützung von den Grünen und von Greenpeace. Mittlerweile aber hat er die Lust verloren sich einzusetzen, sagt der Freizeitimker heute. "Ich habe viel versucht, aber ich steh' in meiner Region fast alleine da. Und es nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Meine Frau hat sich beschwert und meine Bienen auch."

Wie alles begann: In Norddeutschland hat der Raps als Trachtpflanze große Bedeutung. Tatsächlich ist Rapshonig mit seinem mild-süßen Aroma der häufigste Sortenhonig in Deutschland. Wenn Honig eine Sortenbezeichnung trägt, dann muss bis zu 80 Prozent aus dieser Quelle stammen. Ralf Müllers Bienenvölker, die in diesem Sommer unter anderem Ackerbohnen befliegen, standen im Jahr 1999 nahe dem Winterraps eines benachbarten Bauern. Und damit fing der Ärger an. Denn besagter Acker war ein Versuchsfeld, auf dem GenTech-Raps der Sorte RoundupReady wuchs. Dessen Hersteller, der US-Konzern Monsanto, hatte zwischen 1997 und 1999 die Genehmigung zum Anbau der herbizidresistenten Sorte in Neuhaus an der Oste. Aber das fand der Imker erst später heraus. Der Bauer, sagt Müller, hatte ihm dies seinerzeit jedenfalls verschwiegen. Und als im drauffolgenden Jahr seine Bienenstöcke ein paar Kilometer weiter westlich im Raps auf einem Hof bei Neuenkirchen standen, wuchs auch hier wenige hundert Meter weiter Gentech-Raps ­ diesesmal allerdings die Sorte LibertyLink der Firma Agrevo, die heute Aventis/Bayer heißt. "Meine Honigernte war gut", erinnert sich Müller. Sein Problem begann, als die ersten Kunden fragten, wo denn sein Rapshonig herstamme. "Ich habe viele Kunden aus der Bioecke. Und als die hörten, dass da ein Versuchsfeld in der Nähe meines Standortes war, haben sie den Honig freundlich aber bestimmt abgelehnt."

Wenig Hilfe in Sicht

Hilfesuchend wandte Ralf Müller sich Mitte 2000 an seinen Verband, den Deutschen Imkerbund. Er müsse vermuten, so der Freizeitimker, dass seine Bienen ohne sein Wissen Pollen aus gentechnisch verändertem Raps gesammelt haben. Nun wolle er wissen, ob er den entsprechenden Landwirt auf Schadenersatz verklagen könne und wer die Untersuchung und Sanierung seiner womöglich kontaminierten Völker übernehmen würde. Seinem Verband schlug er vor, die Imkerschaft "über eventuelle Gefahren der Gentechnik" und jeweilige Versuchsfelder zu informieren. Im Imkerbund zeigte man allerdings wenig Verständnis für seine Befürchtungen und noch weniger Interesse daran, das Thema Gentechnik aufzugreifen. Müller schätzt, dass dort die Haltung vorherrscht: Nach Tschernobyl sind wir besser ruhig und sehen zu, dass wir unseren Honig loswerden. Stattdessen teilte man dem Imker mit, Gefahren seien "nicht in einem einzigen Fall nachgewiesen", und deshalb halte man es "nicht für verantwortbar, den Eindruck zu erwecken, als seien Gefahren bisher belegt."

Diese Verbandsmeinung war offenbar nur wenig von Informationen getrübt. Denn zur gleichen Zeit untersuchte bereits ein Team um den Bienenkundler Professor Hans-Hinrich Kaatz in Jena den horizontalen Gentransfer von Gentech-Pflanzen auf Bienen. Die Forscher konnten Erbmaterial von transgenem Raps mit einer Herbizidresistenz in Darmbakterien von Honigbienen nachweisen.

Sind Haustiere vor Gentechnik geschützt?

Auch auf juristischer Schiene fand Imker Müller seinerzeit keine Hilfe. Zwar gilt die Biene nach dem Tierseuchengesetz als Haustier und ist auch vor Pestiziden zu schützen. Aber wie der Rechtsbeirat des Imkerbundes bedauernd erklärte, gäben weder Honigverordnung noch Bienenschutzverordnung oder Bienenseuchengesetz im Falle der Gentechnik etwas her. Wenngleich die Vermarktung des Honigs problematisch sein mochte, ein Anspruch auf Schadenersatz bestünde deshalb nicht, weil der wissenschaftliche Nachweis für gesundheitliche Nachteile fehle. "Man kann nur hoffen, dass der Gesetzgeber hierauf reagiert", hieß es in dem Schreiben. Als später die Umweltorganisation Greenpeace seinen Honig auf mögliche Rückstände von Gentech-Pollen untersuchen ließ, war im Sediment nichts mehr zu finden. Womöglich aber war da auch schon zu viel Zeit vergangen und die belastete Ernte längst aus den Waben geschleudert und verkauft.

Den Landwirt, auf dessen RoundupReady-Rapsfeld seine Bienen seinerzeit unwissentlich geweidet hatten, traf Müller auf einer Veranstaltung mit Monsanto Deutschland und den regionalen Grünen wieder. Von ihm fühlt der Imker sich hinters Licht geführt. "Die gute Nachbarschaft hat sich erledigt", bemerkt er dazu trocken. "Der glaubt, die Gentech-Pflanzen zu brauchen und sieht darin eine kostengünstige Lösung." Der Leiter des Freilandversuchs schlug Ralf Müller seinerzeit vor, ihm den Honig abzukaufen. Dies hätte der Imker nur mitgemacht, "wenn die Etiketten den Hinweis getragen hätten: Enthält wahrscheinlich Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen." Doch tatsächlich muss Honig, der transgene Pollen enthält, in Deutschland nicht einmal gekennzeichnet werden, wie beim Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV) zu erfahren ist. Denn die Pollen gelten in dieser Form nicht mehr als vermehrungsfähiger Organismus.

Fehlendes Problembewusstsein

Seit der Schaffung des Gentechnikgesetzes ­ also seit über 10 Jahren ­ schwelt die Frage der Haftung für Gentechnikschäden. Und während es noch vor der letzten Bundestagswahl vor vier Jahren hieß, nach den Wahlen werde wohl etwas dazu geschehen, verschwand das Thema dann doch wieder vom Tisch. Mit wachsender Zahl transgener Freilandflächen allerdings könnte das fehlende Problembewusstsein bei Politik und Industrie der Einsicht in einen dringenden Handlungsbedarf weichen. Denn neben Imkern werden zunehmend auch Landwirte oder der Handel vor Probleme durch ausgekreuzte, verschleppte oder vermengte Saaten gestellt.

Eine wirksame Kontrolle der Kontamination aber ist nicht machbar. So berichtet ein Team um den Agrarforscher Professor Peter W.B. Phillips von der kanadischen Universität Saskatchewan, dass Maispollen sich gewöhnlich bis zu 50 Meter vom Feld ausbreiten, aber auch noch 400 Meter weiter entdeckt wurden. Rapspollen wurden sogar in 25 km Entfernung gefunden. Die jeweiligen Pufferzonen um die Felder mit transgener Saat müssten folglich immer umfangreicher werden. Unter anderem dieser enorme Landverbrauch könnte schließlich Landwirte und Züchter abschrecken, so vermutet das Team, neue Sorten zu testen.

Die Autoren der Studie legen deshalb Vertretern aus Politik und Industrie nahe, die biologische und regulatorische Kontrolle zu verbessern. Wie das ausehen könnte, wird ebenfalls diskutiert. Dabei kommt die umstrittene Terminator-Technologie zur Erzeugung steriler Saaten zu neuen Ehren. Ebensowenig originell sind die seit langem diskutierten und offenbar wenig beherzigten Vorschläge, Refugien für Insekten zu schaffen, um die Resistenzbildung zu begrenzen, Erzeuger zum Fruchtwechsel zu verpflichten und ein wirksames Monitoring zu etablieren. Billig sei dies alles nicht, aber Behörden und Industrie sollten "die Wirkung solcher Kontrollmechanismen abwägen gegen absehbar steigende Haftungskosten, wenn alles so bleibt, wie es ist", schreibt das Team um Professor Phillip den Betreibern ins Stammbuch. (Nature Biotechnology, June 2002, Vol. 20, S. 537 ff)

Vermarktungsschäden sind nicht versichert

Die deutsche Versicherungswirtschaft bietet hiesigen Unternehmen zwar eine Deckung, erklärt Manuela Zweimüller, Biochemikerin bei der Münchener Rückversicherung und zuständig für Fragen zur Haftpflicht bei der Freisetzung transgener Organismen. Doch gilt der Versicherungsschutz für Personen-, Sach- und Umweltschäden. Wenn aber ein Imkerhonig womöglich transgene Pollen aufweist und infolgedessen Vermarktungsschwierigkeiten auftreten, "dann ist das ein Vermögensschaden des Imkers und damit sein unternehmerisches Risiko. Vermarktungsschäden sind nicht versichert, ob mit oder ohne Gentechnik."

Allerdings plädiert auch die Münchener Rück derzeit dafür, dass Hersteller und Anwender die Gentechnikrisiken neu kalkulieren. Auch hier ist man der Meinung, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. "Hier sind aber Politik und Industrie zuständig, nicht die Versicherungswirtschaft. Klar ist, über die Haftung kann man die Frage der wirtschaftlichen Risiken, die die Gesellschaft akzeptiert, nicht lösen. Auch die Industrie sollte freiwillg mehr machen als das Notwendige", erklärt Zweimüller gegenüber dem GID. "Was wir deshalb vorschlagen, das ist ein Dialog mit allen Beteiligten: Befürworter, Gegner, Verbände müssen miteinander reden." So etwas werde eine Weile dauern, aber man müsse jetzt damit beginnen.

Irritierte Behörden

Angesichts der massenhaften Freisetzungsversuche transgener Raps- und Maispflanzen, die als Trachtpflanzen auch hier zu Lande die Honigerzeugung gefährden und weil Bienen sich nun einmal nicht zähmen lassen und frei fliegen, ist man beim Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerverband inzwischen aktiv geworden. "Noch ist ein Schaden nicht sichtbar", sagt dessen Vorsitzender Ulrich Hofmann. "Aber wir wissen nicht, wie die Bienen und die Umwelt langfristig reagieren." Auch bei Asbest hätte man immer gesagt, alles wäre sicher. Und erst nach einer Inkubationszeit von 30 Jahren sei dann der Krebs aufgetreten. Gemeinsam mit Greenpeace stellte der Verband in diesem Frühsommer deshalb bei Biere-Eickendorf in Sachsen-Anhalt unweit eines Feldes mit GenTech-Raps von Aventis ein Bienenvolk auf. Der nun untersuchte Honig wies eindeutig Spuren von Erbgut der Pflanzen auf. "Natürlich werden die gesammelten Pollen in den Honig eingeschwemmt", sagt Hofmann. "Die verantwortlichen Konzerne sagen es gäbe kein Problem, wenn die Verunreinigung unter 0,1 Prozent läge. Aber es geht um unsere Existenz."

Bei dem anhaltinischen Freilandversuch, der im vergangenen Jahr begann und bis 2008 durch die Zulassungsbehörde, das Robert Koch-Institut (RKI), genehmigt ist, hat sich transgener herbizidresistenter Raps auch auf umliegende Felder ausgekreuzt. Im Magdeburger Regierungspräsidium heißt es dazu, die kontaminierte Ernte des Nachbarn werde derzeit gesondert gelagert und man habe Proben zum Screenen eingeschickt. Die Frage nach Haftung und Entschädigung löst in der Behörde gewisse Irritationen aus. Die Freisetzung, so schließlich die Antwort, sei doch durch das RKI genehmigt worden. Ein Blick in die Beschreibung des Vorhabens offenbart, dass die Zulassungsbehörde nicht einmal die Einhaltung eines Sicherheitsabstands bei diesen und zig weiteren Freisetzungen in elf Bundesländern mit der gleichen Rapssorte für nötig befand. Was mögliche Kompensationen angeht, so sollen momentan Gespräche zwischen Aventis und dem betroffenen Landwirt laufen.

Im niedersächsischen Neuhaus sind die Tests mit der Monsanto-Saat inzwischen abgeschlossen. Der Versuchsanbau bei Neuenkirchen mit dem GenTech-Raps von Aventis geht jedoch ­ ebenso wie in Biere-Eickendorf ohne Isolationsabstand ­ weiter bis zum Jahr 2008. Und auch wenn der Freizeitimker Ralf Müller derzeit irgendwie genug hat von dem Zwist um die gentechnische Kontamination, die Sorge bleibt, dass seine "Mädels" einen Schaden an den transgenen Pollen nehmen. Und damit bleibt auch die Frage, wer dafür aufkommt.

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