[afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika]
Nr. 1, Januar - März 2008
Billanthropie und Biotech
Von Ute Sprenger ©
Mit 150 Millionen US-Dollar will die Bill & Melinda-Gates-Stiftung helfen, die Ernährung in Afrika zu sichern. Alte Bekannte aus dem globalen Agrobiotech-Geschäft haben dabei die Fäden in der Hand und streiten über die Rolle gentechnisch veränderter Pflanzen.
Wenn mit Reichtum gesegnete Menschen, wie der Microsoft-Gründer Bill Gates, die Gelder, die ihnen turbokapitalistische Märkte auf die Konten spülten, in philanthropische Projekte stecken, dann wird ihnen mitunter die selbstlose Attitüde nicht ganz abgenommen. Das Multimillionärs-Ehepaar Bill und Melinda Gates hat seine gleichnamige Stiftung in den letzten Jahren gewiss zu einer der bedeutendsten wohltätigen Organisationen in der medizinischen Forschung an HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose gemacht. Aber Ketzer vermuten schon länger, dass hinter der Stiftungsidee mehr als der ganz persönliche Wunsch dieses Mannes steckt, in die Annalen als etwas anderes als ein Krösus einzugehen. So fragt sich, ob es ambitioniert oder eher borniert ist, wenn man nun seit neustem Afrikas Landwirtschaft und afrikanische Kleinbauern mit den Errungenschaften der agrochemischen und agrobiotechnologischen Hightech-Forschung beglücken will. Denn auch auf diesem Feld tut sich die Gates Stiftung inzwischen um.
Bill Gates in der Technikfalle
Dazu hatte der Microsoft-Gründer im Verbund mit seinem Bridge-Partner, dem Multimilliardär Warren Buffet, unlängst eine erkleckliche Summe auf den Tisch gelegt. Im September 2006 stellten sie der Presse die mit 150 Millionen US-Dollar ausgestattete "Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika" (AGRA) vor. Die soll, so die Selbstdarstellung, die Produktivität von Kleinbauern steigern, um die Menschen Afrikas von Armut und Hunger zu befreien. Innerhalb von zehn Jahren sollen in 20 Ländern 400 neue Sorten eingeführt werden, um die Ernten um 50 Prozent zu steigern.
Zweifel sind angebracht, dass dies gut gehen wird. Denn die Zukunft von Afrikas Landwirtschaft liegt nicht etwa in industriellen Monokulturen, sondern in der großen Vielfalt der Pflanzen, die in den verschiedenen Kulturräumen des Kontinents angebaut und gezüchtet werden. Hier wäre vor allem zweierlei notwendig: Eine partizipative, bauernfreundliche Forschung und Investitionen in die Verbesserung der ländlichen Infrastrukturen. So etwas steht allerdings nicht auf der Agenda von AGRA. Skepsis äußert deshalb auch der nigerianische Umweltrechtler Nnimmo Bassey. Er unterstellt den Spendern weniger ethische Ambitionen als einen "Techno-Fix" und erinnert in diesem Zusammenhang an jenes englische Sprichwort, nach dem einem Mann mit einem Hammer in der Hand ein jedes Problem wie ein Nagel erscheine. Auf Bill Gates, der mit High-Tech-Lösungen sein Geld gemacht hat, könnte dies womöglich zutreffen.
Abgesehen von der paternalistischen Pose, böse Zungen würden sie auch neokolonial nennen, erinnert das Vorhaben zudem eindringlich an den untauglichen Top-Dow-Ansatz, der bereits in Regionen Indiens oder Argentiniens mittels so genannter moderner Agrarsysteme reichlich sozialen und ökologischen Flurschaden anrichtet. Aber wie sollen New Yorker Superreiche auch die Landwirtschaft Afrikas verstehen, wo in deren Heimatland, den USA, die Nahrungsversorgung auf gerade einmal zwölf Pflanzen basiert, während in afrikanischen Ländern schätzungsweise 2000 verschiedene Pflanzen der Ernährung dienen?
Deshalb ist AGRA wohl auch weniger ein Vorschlag, sich ernsthaft den Problemen des Kontinents zu nähern, als vielmehr Musik in den Ohren von Saatgutmanagern. Denn mit der angekündigten grünen Revolution wird das Saatgut der bäuerlichen Hand schon bald entwunden sein und dann einen marktförmigen Charakter annehmen. Dem traditionellen freien Austausch, der über Jahrhunderte die Vielfalt der Formen hat entstehen lassen und die Ernährung sichern half, wird somit in den von AGRA fokussierten Regionen ein Ende bereitet. Folglich verlören die dortigen Bauern die Kontrolle über ihr Saatgut und wären angewiesen auf den alljährlichen Neukauf - mit Geld, das sie nicht haben.
Manöver der Hightech-Lobby
Darüber hinaus ist auffällig, dass die Protagonisten ebenso wie die Versprechen dieser neuen grünen Revolution teilweise aufs Haar jenen der alten gleichen. So gilt als wesentlicher Einflüsterer dieser Afrika-Kampagne die Rockefeller-Stiftung. Die hatte schon seit den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts die Programme zur Produktionssteigerung durch Hochleistungssorten, Handelsdünger, Pestizide und kontrollierte Bewässerung von Mais und Weizen in Mexiko angeschoben und mischte auch zwei Dekaden später federführend bei der Gründung der Internationalen Agrarforschungszentren (CGIAR) mit.
In ihrem Schlepptau mit unterwegs ist der Mann, der als "Vater" der Hochleistungssorten gilt: Norman Borlaug, das greise Schlachtschiff der grünen Revolution. Neben Top-Leuten aus der Rockefeller-Stiftung sind bei AGRA Personal und Berater aus dem Umfeld des Agromultis Monsanto eingesetzt, darunter dessen Vizepräsident Robert Horsch. Verbindungen gibt es auch zu Andrew Young, dem umstrittenen ehemaligen US-Botschafter bei der UNO, der für Monsanto bereits früher einmal den Gentech-Propagandisten in Afrika gemacht hatte. In der Tat ist hier eine Vielzahl von Akteuren unterwegs, die bei genauerer Betrachtung immer wieder durch die gleiche Drehtür kommen, die zwischen US-Regierungsstellen wie dem Landwirtschaftsministerium, privaten Stiftungen, der Agrobiotech-Industrie und deren Satelliten-Instituten rotiert.
Offenbar resultiert diese neue Allianz aus der Kontroverse um die kontaminierte Nahrungsmittelhilfe für Afrika (s.a. "Erpresserische Hilfe. Die Politik des Hungers im Südlichen Afrika" der Autorin in afrika süd Nr. 6, 2007). Daraus hat man zumindest wohl soviel gelernt, dass eine Strategie zur Durchsetzung der Gentechnik auf dem afrikanischen Kontinent etwas mehr Fingerspitzengefühl benötigt. Nachdem es also mit der harten Tour nicht so gut lief, ist nun das Zuckerbrot an der Reihe.
Mit Kofi Annan und/oder mit GVO?
Die selbst ermächtigten Retter Afrikas haben mittlerweile in den eigenen Reihen schon einen ersten Konflikt. Dabei hatte es alles so gut angefangen. Die blütenweißen Stellvertreter der westlichen Agrotech-Lobby brauchten für ihre Kampagne ein schwarzes Gesicht als Aushängeschild und fanden es in Kofi Annan, dem honorigen ehemaligen UN-Generalsekretär. Der soll mit seiner Reputation für die nötigen höheren Weihen sorgen. Doch sollte man den Friedensnobelpreisträger nicht unterschätzen. Denn auch wenn der Ghanaer einst auf Drängen der US-Administration in sein Amt als UN-Chef kam, hatte er es sich später nicht nehmen lassen, eine eigene Meinung zu haben, etwa zum US-Krieg im Irak.
So war Annan kaum als AGRA-Präsident angetreten, da machte er in diesem Juli bei einem Besuch auf kenianischen Feldern schon klar, wo er die Probleme Afrikas verortet: "In der Allianz werden wir keine GVOs in unseren Programmen nutzen", zitierte ihn die kenianische Tageszeitung Business Daily am 17. Juli 2007. Denn für die zunehmende Ernährungsunsicherheit und Armut auf dem Kontinent seien schlechte Erzeugerpreise und nicht etwa das Saatgut verantwortlich. Das saß! Nachdem der erste Schreck verwunden war, fand sich auf der AGRA-Website ein kurzes Statement zu "Pflanzenzüchtung und Gentechnik". Darin wird betont, man schließe die Gentechnik als eine zukünftige Methode in der Saatzucht keineswegs aus.
Am 25. Juli dann veröffentlichten fünf gentechnikfreundliche Privatinstitute eine gemeinsame Erklärung mit dem Aufmacher "Afrika begrüßt die Klarstellung zur gentechnischen Forschung". Pikant dabei ist, dass die fünf allesamt Industrie-Lobbyisten westlicher Provenienz sind, darunter das ISAAA (International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications ) und die Initiative Africa Harvest, die von Unternehmen wie Monsanto, Syngenta und Bayer gegründet worden sind oder maßgeblich von ihnen finanziert werden.
In der kenianischen Presse wurde unterdessen tagelang gerätselt, was Annan nun wirklich gesagt habe. Der schweigt einstweilen dazu und erklärt, dass die Regierungen selbst zu entscheiden hätten, welche Weichen sie in der Landwirtschaft stellten. Als geübter Diplomat vermeidet er offensichtlich, in die Kontroverse auf diesem reichlich verminten Feld hineingezogen zu werden.
Quellen:
Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA): www.agra-alliance.org
Business Daily, Kenia: www.bdafrica.com
Presserklärung des Africa Biotechnology Stakeholders Forum:
www.absfafrica.org/Africa welcomes AGRA clarification.pdf
Der Text darf auf Rückfrage für nicht-kommerzielle Zwecke genutzt werden, vorausgesetzt die Angabe und Verlinkung der Quelle.
Abdruck (auch auszugsweise), Vervielfältigung, Zitat nur in Absprache mit der Autorin.
Zurück
|