6. Außenlandung

von Jan Lyczywek

Besondere Fälle

Ringelpietz

Ein recht großer Teil der Außenlande-Schäden entsteht durch unabsichtlichen Ringelpietz. „Bei der Landung fädelte eine Fläche in hohem Bewuchs ein. Bei der nachfolgenden Drehung um die Hochachse brach der Rumpf am Leitwerksansatz.“ So oder ähnlich steht es in vielen Unfallberichten.
In hohem Gras oder Getreide passiert das deshalb so leicht, weil man nie ganz ausschließen kann, wegen leichter Schräglage oder aufgrund von Quergefälle der Wiese mit einer Fläche zuerst zu berühren. Was so stark bremst, ist nicht nur der Anprall der Pflanzen an der Flügelnase, sondern auch die Reibung der langen Halme, die sich um die Flügelvorderkante herum auf die Oberseite legen.

Die Gefahr eines unbeabsichtigten Ringelpietzes ist mit der wichtigste Grund, Wiesen oder Felder mit hohem Bewuchs möglichst zu meiden – ganz abgesehen von dem höheren Flurschaden und dem Risiko versteckter Gräben, Kanten oder Zäune.

Ein gänzlich anderes Thema ist der beabsichtigte und geplante Ringelpietz. Ein unglücklich eingeteilter Anflug, falsch eingeschätzter Talwind, nicht erkanntes Geländegefälle können leicht dazu führen, daß die Wiese zu kurz wird. Oft gibt es keine Chance, einfach in die nächste Wiese weiterzugleiten, geschweige denn weiterzurollen. Wenn ein kräftiger Zaun, ein Erdwall, eine Busch- oder Baumreihe oder gar Gebäude die Wiese begrenzen, endet eine Kollision mit diesen Hindernissen nicht nur in einem unvermeidlichen Bruch, sondern wahrscheinlich auch mit schweren Verletzungen des Piloten.

Wird absehbar, daß die Länge der Wiese nicht reicht, dann ist es die beste und sicherste Lösung, gezielt vorher eine Fläche abzulegen, um nicht in die Hindernisse am Ende der Wiese hineinzurollen. Das gleiche gilt natürlich für Hindernisse mitten in der Wiese, die man aus der Luft einfach nicht gesehen hat, wie zum Beispiel Zäune, Geländestufen oder abgestellte Maschinen, die die geplante Ausrollstrecke blockieren.

Beim absichtlichen Ringelpietz gibt es allerdings einiges zu beachten:

Die Bremswirkung ist beeindruckend. Das Flugzeug schleudert blitzartig herum, Rad und Rumpfboot bauen die überschüssige Energie auf wenigen Metern seitlich schiebend ab. Die Schleifspur des Rades ist tief und weckt Bewunderung für das arme Fahrwerk, das die Belastung klaglos mitgemacht hat. In den meisten Fällen geht ein gut ausgeführter Ringelpietz tatsächlich ohne jede Beschädigung am Flugzeug aus. Dennoch sollte man das Flugzeug nach einer solchen Aktion eingehend durchschauen.

Die am meisten gefährdeten Punkte sind:

Trotz der Bruchgefahr ist ein Ringelpietz für den Piloten sehr sicher. Das Verletzungsrisiko ist äußerst gering. Selbst, wenn das Hindernis doch noch getroffen wird, rollt man nicht mit dem Cockpit voran dagegen, sondern schleudert seitlich mit Flügel oder Leitwerk hinein. Dann bricht zunächst einmal das Leitwerk, der Rumpf und der eine Flügel. Dabei wird viel Energie abgebaut, die sonst gefährlich geworden wäre.

Als Handlungsalternative muß der absichtliche Ringelpietz auf jeden Fall im Kopf verfügbar und ohne Überlegen abrufbar sein.

Menschen

Das wohl unangenehmste „Hindernis“, das ich mir auf einer Außenlandewiese vorstellen kann, sind Menschen, die dort arbeiten oder ihre Freizeit verbringen. Für mich wäre das ein Grund, lieber eine andere Wiese zu suchen. Was aber tun, wenn es keine alternativen Landemöglichkeiten mehr gibt?

Ein offenbar nicht auszurottender Blödsinn ist die Empfehlung, mit einem zackigen tiefen Überflug auf sich aufmerksam zu machen. Erstens ist die Landeeinteilung nach dieser Aktion nicht gerade einfacher, zweitens aber ist die Wirkung mehr als zweifelhaft. Wenn das Flugzeug überhaupt bemerkt wird, bleibt es doch fraglich, ob die Leute die Geistesgegenwart besitzen, mitzudenken und die Wiese zu räumen. Heutzutage ist eher damit zu rechnen, daß sie ihren Rucksack abstellen, die Digitalkamera herausziehen und freudig das erneut herannahende Fotomotiv erwarten. Oder hast Du am Flugplatz noch nie Leute erlebt, die mitten auf der Landebahn stehen und fasziniert einem Flugzeug im Endanflug zugucken?

Besser ist es, in Ruhe das Verhalten der Menschen zu beobachten und danach die Entscheidungen zu treffen. Wird die Wiese gerade bearbeitet, sei es, daß gemäht, Heu gewendet oder eingeholt oder Gras zu Siloballen verarbeitet wird, dann genügen ein, zwei Minuten Beobachtung, um zu kapieren, nach welchem Schema der Bauer mit seinen Maschinen fährt.

Meist wird es dann sicherer sein, im bereits bearbeiteten Teil der Wiese zu landen – dort hat der Bauer eigentlich keinen Grund, nochmals hinzufahren, und der Flurschaden ist geringer. Nur wenn die Wiese gerade gedüngt wird, würde ich im eigenen Interesse den noch nicht bearbeiteten Teil vorziehen, verständlicherweise.

Spaziergänger und Wanderer haben meist auch eine klare Richtung, wenn nicht, dann die Landung wenigstens so einteilen, daß es möglichst unwahrscheinlich ist, doch noch jemanden zu gefährden.

Tiere

„Zu den Kühen“ ist eine gängige Umschreibung für Außenlanden. Die Franzosen haben daraus sogar ein eigenes Verb gemacht: „se vacher“, abgeleitet von „la vache“, die Kuh.

Weidende Tiere sind aber ein schwerwiegendes Problem, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Kollision mit einer Kuh oder einem Pferd kann allein aufgrund deren Masse tödlich ausgehen – nicht nur für das Tier, sondern auch für den Piloten. Die Hoffnung, durch einen schnellen Überflug die Viecher vertreiben zu können, halte ich hier ebenfalls für völligen Blödsinn. Besser dürfte es sein, Aufsetzen und Ausrollen mit dem größtmöglichen Abstand zu den weidenden Tieren zu planen und zu hoffen, daß sie erst aufgeschreckt werden, wenn das Flugzeug am Boden ist.

Weideflächen sind von der Bodenbeschaffenheit her sowieso nicht die besten Landewiesen. Abgesehen davon, daß wie oben erwähnt eher steilere und unebenere Flächen als Weiden genutzt werden, führt längere Beweidung gerade durch Kühe zu ziemlich buckeligen, stellenweise matschig getrampelten Wiesen, die sicher nicht den komfortabelsten Untergrund zum Landen bieten. An sehr steilen Hängen (zum Landen bei weitem viel zu steil) trampeln Rinder über die Jahre regelrechte Terrassen in den Berg.

Weiden sind rundum eingezäunt, das ist logisch und meist auch sichtbar. Häufig aber werden größere Weideflächen nochmals durch dünne Elektrozäune unterteilt, damit die Tiere nicht mit einem Mal die ganze Wiese zertrampeln, sondern sie Stück für Stück abweiden. Diese Zäune werden daher häufig umgesetzt und haben heutzutage oft keine Holzpfähle mehr, sondern dünne Metall- oder Kunststoffstangen. Aus der Luft sind weder diese Pfähle noch der Elektrodraht zu sehen. Allenfalls erkennt man die Zäune an den verschiedenen Grüntönen des bereits abgefressenen und des noch hochstehenden Grases.

Nach der Landung in einer Weide bleibt so und so noch das Problem, das Flugzeug gegen die stumpfsinnige Neugier von Kühen oder die Panik durchgehender Pferde zu verteidigen. Es wäre nicht das erste Loch in einer Fläche, das auf diese Weise entstanden ist.

Zäune

Ein Wort noch zu Zäunen: gängige Lehrbuchmeinung ist, daß man Drahtzäune einigermaßen sicher durchrollen kann, wenn man mit der Rumpfspitze auf einen Pfahl zielt und mit diesem den Zaun niederreißt, so daß die gespannten Drähte unter dem Rumpfboot durchlaufen.

Bei Elektrozäunen mit dünnen Holz- oder Metallpfählen mag dies recht gut funktionieren, da sie nicht sonderlich fest sind, die Drähte nicht so knallig gespannt werden können und die Pfähle relativ große Abstände haben. Damit dürfte es meist einigermaßen ungefährlich sein, in einen solchen Zaun hereinzurollen – auf jeden Fall sollte man aber versuchen, mit der Rumpfnase einen Pfahl zu treffen, um den Zaun niederzureißen und dafür zu sorgen, daß der Draht unter dem Cockpit durchgeht.

Wenn das allerdings nicht klappt, ist das Risiko schwerer Verletzungen aus zwei Gründen recht hoch: Einmal könnte es sein, daß man die Festigkeit des Pfahls unterschätzt hat und er nicht so ohne weiteres abknickt, sondern stattdessen das Cockpit zerstört. Insbesondere für Pferdekoppeln werden oft sehr hohe und extrem kräftige Pfähle verwendet.

Genauso wenig zu unterschätzen ist das Risiko, daß einer der Drähte oben über die Rumpspitze läuft, sei es, daß man den angepeilten Pfahl nicht richtig getroffen hat, sei es, daß der Draht von dem erfolgreich niedergerollten Pfahl abreißt und zwischen den benachbarten Pfählen gespannt bleibt. Hat man Pech, dann zerstört so ein Draht die Haube und kommt ins Cockpit, wo er den Piloten bedrohlich verletzen kann. Holländische Flugzeuge haben deswegen häufig zwei Abweiserbügel aus kräftigem Stahlrohr innen in der Haube. Besonders gefährlich ist Stacheldraht, weil er sehr kräftig und gut gespannt ist und außerdem die Haube leichter durchbricht.

Die oft sehr kräftigen permanenten Zäunen außen um die Wiesen, deren kräftige, tief eingeschlagene und eng beieinander stehende Holzpfähle manchmal mehrere Reihen von Stacheldraht tragen, würde ich also niemals zu „durchrollen“ versuchen, genausowenig natürlich Zäune aus Rundholz oder Metallrohren. In solchen Fällen ist eher ein Ringelpietz angebracht, um sich den Zaun vom Leibe zu halten – auch wenn es das Flugzeug kostet.

Kabel und Seile

Seilbahnen sind zwar eher beim Hangfliegen gefährlich, können aber in einem engen Tal auch die Landeeinteilung für die Außenlandung erschweren. Eine Kollision mit einem Seil endet leider häufig tödlich; gemein daran ist, daß man Seile nur sehr schlecht sieht.

Materialbahnen und Almaufzüge sind besonders tückisch; laut Kalckreuth stehen die Talstationen in schmalen oder steilflankigen Tälern gern in Talmitte, das Seil läuft ohne Stützen hoch an den Hang. Kalckreuth empfiehlt, die Plausibilität einer möglichen Materialbahn zu prüfen: Gibt es Holzeinschläge, Baustellen, Almhütten oben im Berg? Ergibt eine Materialseilbahn Sinn?

Auch normale Seilbahnen oder Sessellifte laufen manchmal lange Stücke mastenlos. Hat man den ersten Masten irgendwo im Hang entdeckt, sollte man unbedingt die ganze Linie von der Talstion bis zur Bergstation rekonstruieren. Immerhin sind die Berg- und Talstationen heutzutage oft recht auffällige Gebäude. Wenn man die Linie überfliegt, dann möglichst über oder besser talseits von einem der Stützmasten, da weiß man wenigstens sicher, wie hoch das Seil hängt.

Sehr gut sichtbar sind die großen Stahlmasten der mehradrigen Überland-Hochspannungsleitungen. Vorsicht an steilen Hangfüßen, manchmal hängen diese Kabel über lange Distanzen frei. Häufig sind sie dann mit Kugeln markiert, leider nicht immer. Die dünneren Masten der örtlichen Stromversorgung und des Telefon-Netzes erkennt man aus größerer Höhe und steilem Blickwinkel manchmal nicht so gut. Der Schatten des Mastes, in gemähten Wiesen hin und wieder auch der dunkelgrüne Strunk hochstehenden Grases rund um den Fuß können Indizien sein.

Vorsicht bei eher schmalen Wiesen: Keine Stromfirma stellt ohne Not einen Elektromasten mitten in eine Wiese. Wenn der Streifen Grün also eingeklemmt ist beispielsweise zwischen Straße und Fluß, dann kann es gut sein, daß ihn eine Leitung quert, ohne daß ein Mast in der Wiese zu sehen ist. Vielleicht steht der eine Mast direkt an der Straßenböschung und der andere an der Buschreihe am Fluß. Auf diesen unebenen, vielfarbigen Untergünden sieht man weder den Mast selbst noch seinen Schatten.

Wird doch einmal eine Landung quer zu einer Stromleitung unvermeidlich, dann muß die Höheneinteilung besonders gut geplant sein. Es ist immer einfacher und sicherer, eine Leitung zu überfliegen. Wie bei Seilbahnen immer genau über einem Mast queren, nur dort kann man sich sicher sein, nicht das oberste Kabel (das bei größeren Leitungen ein schlecht sichtbarer, einzelner und dünner Nullleiter ist) übersehen zu haben.

Das Unterfliegen einer Leitung ist wesenlich schwieriger und gefährlicher. Insbesondere die niedrigen Leitungen der Ortsnetze sowie Telefonleitungen hängen recht tief. Das im Flug richtig einzuschätzen, erfordert gute Nerven und hervorragende Flugzeugbeherrschung. Wenn man schon nicht umhin kommt, unter einer Leitung hindurchzulanden, dann sollte zumindest der Abfangbogen, möglichst aber auch der Aufsetzpunkt so weit, wie es die Wiese irgend zulässt, vor der Leitung liegen, um die Kabel wenigstens nicht zu unterfliegen, sondern zu unterrollen.

Wasser

Gezielte Wasserlandungen sind eher aus Schweden bekannt, wo die Entscheidung mangels anderer Alternativen hin und wieder nur noch zwischen Wasser und Wald gefällt werden kann, und dann natürlich vergleichsweise leicht fällt.

Denkbar ist eine ähnliche Situation aber auch in den Alpen. Jochen von Kalckreuth schreibt über einige Wasserlandungen seiner Vareser Clubfreunde in den Seen des Tessins, wo dicht bebaute Steilufer manchmal keine andere Möglichkeit mehr lassen. Zumindest schadet es nicht, eine Wasserlandung einmal zu durchdenken, um im Falle eines Falles diese Handlungsalternative fertig verfügbar zu haben.

Zunächst einmal wiederholen wir kurz die Grundregeln: Gurte fest anziehen, Anflug parallel zum Ufer, wenn möglich gegen den Wind, Bremsklappen einfahren und mit Mindestfahrt auf der Wasseroberfläche aufsetzen.

Hinzu kommen drei Punkte, an die man vielleicht nicht selbstverständlich denkt:

  1. Fahrwerk ausfahren. Die Rumpfunterseiten moderner Plastikflugzeuge sind nach außen gewölbt und erzeugen starken Abtrieb, sobald sie die Wasseroberfläche berühren. Das ausgefahrene Fahrwerk stört die Umströmung des Rumpfbodens ähnlich wie eine Störklappe und reduziert damit den Abtrieb. Zudem ist in flachem Wasser das Fahrwerk ein Schutz gegen unsanfte Grundberührung.
  2. Radbremse gezogen halten, falls das Flugzeug eine von den (eingefahrenen) Bremsklappen getrennte Radbremse hat. Sonst rollt das Rad auf der Wasseroberfläche an und erzeugt durch die Drehbewegung zusätzlichen Abtrieb im Wasser (Magnuseffekt).
  3. Lüftung schließen. Anscheinend ist der Wasserstrahl recht kräftig und unangenehm.

In einem Fluß dürfte es sinnvoll sein, mit der Strömung des Wassers aufzusetzen, um die Relativgeschwindigkeit zum Wasser möglichst gering zu halten. Der Talwind bläst normalerweise ohnehin talaufwärts, so daß man dann auch noch Gegenwind hat.

Bleibt noch etwas Zeit, sich die Landestelle auszusuchen, dann kann eine flaches, gut zugängliches Ufer die Bergung wesentlich erleichtern.

Thema von Folge 7: „Flugvorbereitung: Flugkarten und Streckenplanung“