5. Außenlandung

von Jan Lyczywek

Die Landung

Fahrt

Solange wir normales Thermikwetter haben, ohne dominierenden Gradientwind und mit normal ausgebildeten Talwindsystemen, gilt die alte, simple Grundregel: Fliege auch bei der Außenlandung genau so an, wie Du es von zuhause gewöhnt bist. Mit der gewohnten Fahrt anzufliegen, hat den zusätzlichen Vorteil, daß Bremsklappenwirkung, Gleitwinkel, Abfangbogen, Horizontbild und Rollstrecke aus der Erfahrung gut einschätzbar sind.

Wer in Unterwössen landen gelernt hat, fliegt vergleichsweise schnell an, und das ist gut so. Die Düse zwischen Buchberg und Kiesgrube, die Turbulenzen im Endanflug und der manchmal starke Windgradient erfordern eine solide Fahrtreserve. Genau diese Reserve brauchst Du auch, wenn Du in unbekanntem Gelände, bei nicht ganz klaren Windverhältnissen außenlandest.

Ein beträchtlicher Teil der Außenlandeunfälle kann auf Strömungsabriß oder gar Trudeln im Landeanflug zurückgeführt werden. Das muß nicht sein – den Landeanflug langsamer zu fliegen, als vom Unterwössener Flugplatz her gewohnt, wäre unsinnig und gefährlich.
Es ist aber auch nicht nötig, wesentlich schneller anzufliegen, nur weil es eine Außenlandung wird. Nochmals: Solange das Wetter und die lokalen Gegebenheiten nicht besonders extrem sind, ist die vom Unterwössener Anflug her gewohnte Reserve richtig, sicher und ausreichend.

Anders kann das natürlich aussehen bei einer Außenlandung im Föhn, in der Nähe eines Cumulonimbus, der sich gerade austobt, im Gewitter oder bei einem Frontdurchgang. Um den damit verbundenen Windgeschwindigkeiten, Turbulenzen und plötzlichen Windsprüngen begegnen zu können, werden unter Umständen weit höhere Anfluggeschwindigkeiten nötig. Überrascht uns solches Wetter zuhause am Platz, ist das dort aber auch nicht anders.

Einteilung

Auch hier lautet die Grundregel: Teile Deinen Anflug genau so ein, wie Du es zuhause am Platz machst. Speziell für Unterwössener Piloten gibt es aber meiner Ansicht nach einige Dinge zu beachten:

In Unterwössen müssen wir im Gegenanflug notgedrungen links am Buchberg vorbei. Deswegen liegen Position und Gegenanflug ungewöhnlich nahe am Flugplatz, und der Queranflug wird sehr kurz. Diese kurze Strecke läßt nur wenig Spielraum, um durch einen schräg vom Flugplatz weg verlaufenden Queranflug überschüssige Höhe abzubauen, oder durch einen schräg zum Platz hin gelegten Queranflug fehlende Anflughöhe zu korrigieren.
Wir kompensieren diesen fehlenden Korrektur-Spielraum, indem wir die richtige Höhe auf andere Art und Weise einregeln, nämlich durch den Zeitpunkt des Abfliegens an der Position sowie durch den Zeitpunkt des Eindrehens aus dem Gegenanflug in den Quer- und Endanflug. Dafür nutzen wir feste „Peilpunkte“: Buchberg, Zigeunerwiese, Kiesgrube. Zusätzlich haben wir ja noch den Höhenmesser.

Bei der Außenlandung aber fehlen diese Peilpunkte, und der Höhenmesser nutzt auch nichts. Aus Nervosität, und weil nach einem längeren Streckenflug in großen Höhen das Gefühl für den Abstand zum Boden fehlt, wird man bei den ersten Außenlandungen meist schon an der selbstgewählten Position zu hoch in den Gegenanflug abfliegen. Jetzt kann es durchaus gefährlich sein, Position und Gegenanflug zu nahe an die Landewiese gelegt zu haben. Der Blickwinkel zurück zur Wiese wird schnell immer spitzer, bis die Wiese schließlich ganz seitlich hinter Flügel oder Haubenrahmen verschwindet. Nun fehlt jede Möglichkeit, die Höhe einzuschätzen und den Zeitpunkt des Eindrehens richtig zu wählen. Aus Angst, die bereits außer Sicht geratene Wiese nicht mehr zu erreichen, wird man unwillkürlich zu früh drehen. Dann aber bietet der viel zu kurze Queranflug keine Möglichkeiten mehr, den Fehler noch wirksam zu korrigieren, man ist zu hoch und wird zu weit kommen. Das Falscheste wäre es jetzt, irgendwelche Vollkreise oder S-Schlenker zu fliegen oder noch eine gänzlich andere Wiese zu suchen. Besser ist es, durch Bremsklappen und Slippen, zur Not durch einen Ringelpietz nach dem Aufsetzen den Flieger doch noch einigermaßen sauber zu landen.

Noch besser ist es natürlich, sich erst gar nicht in diese wirklich unangenehme Situation zu bringen. Das Rezept dazu ist recht einfach, kostet am Anfang aber etwas Überwindung:

Von der so gewählten Position aus wird die Wiese sehr weit weg und unter einem ungewohnt flachen Winkel erscheinen, das ist aber gerade der Sinn der Sache. In geschätzten 150 - 200 Meter über Grund fliegst Du ab in den Gegenanflug. Fliege den Gegenanflug wie im Lehrbuch schön parallel zur vorgesehenen Landerichtung, nicht irgendwie zur Wiese hingebogen. Wenn der Abstand zur Wiese groß genug gewählt war, dann bleibt der Aufsetzpunkt nun während des gesamten Gegenanfluges bequem im Blickfeld. Der richtige Zeitpunkt zum Eindrehen in den Queranflug läßt sich allein dadurch schon besser einschätzen. Und selbst wenn der Zeitpunkt etwas unglücklich gewählt sein sollte, hast Du nun noch einen langen Queranflug zur Verfügung, mit dem Du fehlende oder überschüssige Höhe bequem und sicher korrigieren kannst.

Bist Du zu tief, dann flieg den Queranflug etwas schräg zum Aufsetzpunkt hin. Bist Du zu hoch, dann lege ihn schräg vom Aufsetzpunkt weg. Bist Du wesentlich zu hoch, dann bietet der lange Queranflug zusätzlich auch genügend Zeit, jetzt schon die Bremsklappen wirksam einzusetzen. Bis zu dem Punkt, an dem der Queranflug die Endanflug-Grundlinie schneidet, sollte die Höhe endgültig passen. Jetzt drehst Du ganz normal in den Endanflug und fliegst mit halb ausgefahrenen Klappen und dem gewohnten Gleitwinkel an, die restlichen Feinkorrekturen machst Du ganz normal mit den Klappen.

Also nochmal: der Schlüssel zu einer sicheren Landeeinteilung mit ausreichendem Korrektur-Spielraum ist ein langer Queranflug. Insgesamt darf das Rechteck aus Gegenanflug, Queranflug und Endanflug ruhig zum Beinahe-Quadrat werden. Für die Landung an einem fremden Platz gilt das natürlich ganz genauso, falls nicht die Position durch andere Flugzeuge, Anflugkarten oder Funkanweisung vorgegeben ist.

Fahrwerk

Ausführliche Diskussionen gibt es zu diesem Thema und sehr verschiedene Lehrbuchmeinungen, deshalb hier nur meine Ansicht: Ich würde das Fahrwerk immer ausfahren. Auch in sehr ungegeignetem Gelände schluckt selbst ein ungefedertes Fahrwerk noch einen Teil der Landestöße. Vor allem aber hält es einen kleinen, möglicherweise jedoch entscheidenden Abstand zwischen Boden und dem Piloten. Bei einer Landung ohne Fahrwerk schlagen einzelne Steine oder Felsbrocken durch die dünnen GfK-Schalen unserer Rümpfe problemlos durch und können zu schweren Verletzungen führen. Und bei einem Aufschlag in völlig ungeeignetem Gelände nimmt das sich verbiegende und schließlich aus dem Rumpf brechende Fahrwerk einen Teil der Energie auf, der dann schon nicht mehr auf andere Art und Weise umgesetzt werden muß. Wird ein absichtlicher Ringelpietz nötig, dann ist er mit ausgefahrenem Fahrwerk einfacher, wirksamer und zudem mit weniger Bruchgefahr für den Leitwerksträger verbunden.

Nicht ganz von der Hand zu weisen sind natürlich die Gegenargumente, die man zum Beispiel bei Kalckreuth findet: Ohne Fahrwerk wäre die Roll- beziehungsweise Rutsch-Strecke deutlich kürzer, und ein schmaler Graben könne überrutscht werden, wohingegen man mit Fahrwerk darin hängenbliebe. Die Fälle, in denen eine solche Landung die letzte Alternative ist, dürften aber eher selten sein, und sie im Voraus richtig einzuschätzen, erfordert eine Menge Erfahrung und einen kühlen Kopf.

Im Zweifelsfalle ist daher meine Meinung: Fahrwerk raus.

Thema von Folge 6: „Außenlandung: Besondere Fälle“