von Jan Lyczywek
Auch in den Bergen sind die Situationen, in denen nur eine einzige Fläche weit und breit überhaupt landbar erscheint, eigentlich recht selten. Meist wirst Du die Wahl haben zwischen mehreren Wiesen, und es geht darum, die beste Möglichkeit zu wählen. Aus der Höhe aber, aus der Du noch wirklich die Wahlmöglichkeiten hast, sind viele Vor- und Nachteile der Wiesen, viele Hindernisse und Gefahren nicht unbedingt direkt sichtbar. Trotzdem kannst Du sie meist indirekt erkennen, an kleinen Hinweisen, an mehr oder minder versteckten Indizien.
In diesem Kapitel geht es darum, auf welche Hinweise Du achten solltest und an welchen Indizien sich Hindernisse erkennen lassen. Du kannst aber auch üben, auf diese kleinen Hinweise zu achten. Wenn Du mit dem Auto die katalogisierten Außenlandewiesen angucken gehst, dann schau Dir die Wiese nicht nur als Fußgänger an, sondern stelle sie Dir aus der Luft vor. Was sind die Vorteile dieser Wiese, warum ist sie gut geeignet? Woran könntest Du das aus dreihundert Metern Höhe erkennen?
Fast noch mehr kannst Du lernen, wenn Du Dir ungeeignete, schlechte Wiesen ansiehst. Als Fußgänger siehst Du natürlich den Zaun, der die Wiese teilt, oder den Steinhaufen in der Mitte, oder den zugewucherten Drainagegraben. Aber woran könntest Du diese Hindernisse aus der Luft bemerken?
Sieh Dir auch einmal Wiesen in der unmittelbaren Nähe des Flugplatzes an, erst zu Fuß und bei der nächsten Platzrunde aus der Luft. Welcher Grünton gehört zu welcher Bewuchshöhe und zu welcher Pflanzenart? Welche Hindernisse siehst Du aus der Luft direkt, welche nur schlecht? Hättest Du aus der Luft dieselbe Wiese ausgewählt, die Dir auch vom Boden aus als die beste erscheint?
Wir landen auch in den Alpen fast ausschließlich auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen. Wo ein Stückchen Land groß und eben genug ist, um einem Segelflugzeug Raum zum Landen zu bieten, wird dies Land fast immer auch bewirtschaftet sein, denn urbarer Boden ist kanpp in den beengten Tälern. Es lohnt sich also, sich mit den Gegebenheiten und Besonderheiten der regionalen Landwirtschaft näher zu befassen.
Gelegenheiten dazu gibt es genug. Bei jeder Fahrt, jeder Wanderung in den Alpentälern kannst Du dazulernen. Schau dich um: Was wird angebaut? Welche Maschinen verwendet der Bauer dazu? Welche Farbe, welche Struktur hat ein Feld in den verschiedenen Wachstums- und Bearbeitungsphasen? Welche Pflanzen blühen in den Wiesen? Zu welchen Jahreszeiten gibt es besondere Hindernisse, wie Heuständer, Siloballen, Kühe? Wie sehen die Zäune aus? Welche regional typischen Hindernisse lauern, wie Drainagegräben, Feldmäuerchen, Steinhaufen?
Mit Ausnahme der Obstplantagen Südtirols dominiert in dem von Unterwössen aus beflogenen Teil der Alpen Milchwirtschaft, unterbrochen von wenigen Äckern, auf denen Getreide und andere Feldfrüchte angebaut werden. Beim weitaus größten Teil der landwirtschaftlich genutzten Fläche in den Nord- und Ostalpen handelt es sich also um Wiesen. Als Weideflächen werden außer den Almen in höheren Lagen eher die unebeneren, steileren Flächen genutzt. Große, ebene Wiesen werden maschinell gemäht, um aus dem Gras Heu oder Silofutter zu machen.
Im Flachland hat sich die Regel braun vor grün bewährt.
Lieber einen geeggten Acker zu nehmen, als in jungem Getreide,
hohem Gras oder einer unebenen Brachfläche zu landen, ist dort
sicherlich sinnvoll. Bei uns jedoch ist die Regel allein schon
wegen der Seltenheit guter, ebener brauner Äcker wenig
hilreich. Häufig wird eine nicht vor allzu langer Zeit gemähte
Wiese die bessere Wahl sein.
Aus meiner eigenen Erfahrung bin ich allerdings zugegebenermaßen
auch etwas voreingenommen gegen braune Äcker. Ich bin
bisher fünf Mal auf Wiesen und vier Mal auf Äckern gelandet.
Die Wiesen waren allesamt gut, die Äcker bis auf einen einzigen
sehr guten mehr oder minder schlecht.
Die Flurordnung, also die Anordnung der einzelnen Grundstücke
in einem Tal, kann ernsthaft hinderlich sein bei der Auswahl einer
guten Außenlandewiese. Besonders in mittelbreiten Tälern, deren
Talgrund zwischen den Hangfüßen von ebenem Schwemmland gebildet
wird, liegen häufig lange, schmale Wiesen eine neben der anderen
rechtwinklig zur Talrichtung. Ärgerlich: da wäre das Land eben,
das Tal breit genug, die Wiesen ausreichend lang und dann
liegen sie so blöd, daß erstens kein Platz für einen langen
Anflug bleibt und zweitens der Talwind genau rechtwinklig von
der Seite kommt.
Die erforderliche Seitenwindlandung ist zur Not sicherlich machbar,
aber wenn man noch ausreichend Höhe hat, kann es sich sehr lohnen,
eine Wiese zu suchen, die schön parallel zum Tal liegt und trotzdem
eben ist.
Die Grenzen zwischen den einzelnen Parzellen sind aus der Luft meist schön erkennbar. Auch wenn auf zwei benachbarten Wiesen das Gleiche angebaut wird, gibt es doch oft einen Unterschied in der Färbung; vielleicht, weil der eine Bauer etwas früher gemäht oder später gedüngt hat als der andere. Und selbst bei gleicher Färbung ist meist eine dunkle Kante oder Linie entlang der Grenze erkennbar.
Auf keinen Fall solltest Du eine solche Feldgrenze überrollen oder extrem tief überfliegen. Die Wiesen können durch Zäune, Gräben und Mäuerchen getrennt sein. Vielleicht handelt es sich auch um eine natürliche Grenze, wie etwa einen Bach oder eine Geländestufe. Manche Bauern setzen einzelne, selbst im Endanflug praktisch unsichtbare Markierungs-Pfähle. Selbst wenn es keine solchen Barrieren gibt, entsteht doch häufig entlang dieser Grenzen ein schmaler Streifen dichten, verwachsenen Grases, an den von beiden Seiten immer nur hingemäht wird und der eine hinterhältige Kante bildet.
Traktorspuren geben oft den besten Hinweis auf versteckte Hindernisse, Geländestufen und andere Gemeinheiten. Stellen, die der Bauer mit seiner extrem geländegängigen Zugmaschine offensichtlich meidet, würde ich auch mit dem kleinen Flugzeug-Rad nicht überrollen wollen.
Gehen die Spuren wie um eine Verkehrsinsel auseinander und laufen danach wieder zusammen, könnte das auf einen Stromleitungs-Mast, einen Steinhaufen, einen einzelnen Pfahl oder vielleicht ein vom Grundwasser unterspültes regelrechtes Loch im Boden hinweisen. Bei einer ganz frisch gemähten Wiese ist zusätzlich vielleicht noch inselartig etwas höheres Gras stehengeblieben. Meist werden solche Ecken aber nachträglich mit dem Handmäher ausgemäht. Wenn das sorgfältig gemacht ist, erkennt man einen Pfahl möglicherweise nicht mehr an dem dunklen Strunk hohen Grases rund um seinen Fuß.
Manchmal sieht man aus der Luft, daß mitten in einer ansonsten ganz gleichmäßig aussehenden Wiese alle Traktorspuren an einer gedachten Linie wenden oder abknicken. Die Spuren kreuzen diese Linie nicht, oder nur an wenigen, bestimmten Stellen. Im besten Falle wird dies nur die Grenze zum Feld des Nachbarbauern sein. Zumindest aber muß man dort mit einem Zaun rechnen. Genauso gut könnte ein Bach, ein Graben, eine kleine, steile Geländestufe, ein erhöht liegender Fahrweg die Ursache sein. Ich würde es auf jeden Fall vermeiden, solche Linien zu überrollen oder sie tiefer als etwa anderthalb bis zwei Meter zu überfliegen. Auch die einzelnen Stellen, an denen der Traktor die Linie gekreuzt hat, je nachdem vielleicht Zaungatter, Bachstege oder angeschüttete Fahrrampen, sind normalerweise viel zu schmal oder zu steil für ein Segelflugzeug.
Aber auch, wenn es keine Hindernisse gibt, die der Bauer
offenbar umfahren hat, kann der Verlauf der Spuren Hinweise auf
Geländegefälle und Bodenwellen geben. Liegt die Wiese zum Beispiel
seitlich an einem flachen, kegelförmigen Hang, könnten die Spuren
aus der Luft gesehen wie Höhenlinien kurvenförmig an dem Berg
entlanglaufen.
Zeigt ein Feld überhaupt keine Fahrspuren, oder zumindest
die Andeutung einer Bearbeitungsrichtung, dann ist Vorsicht
geboten. Möglicherweise handelt es sich um eine Brachfläche,
vielleicht aber auch um extensiv genutztes Land, wie zum
Beispiel Kuhweiden. Schlimmstenfalls versteckt sich mooriger
Sumpf unter dem Bewuchs. Zur Not mag all dies landbar sein,
angenehm ist es nicht.
Nicht zuletzt können die Spuren auch einfach durch sehr hoch
stehendes Gras oder Getreide kurz vor der Ernte zugewachsen sein.
Abgesehen von dem höheren Flurschaden ist dabei die Gefahr recht
groß, mit einer Fläche hängenzubleiben und sich den Rumpf
abzudrehen.
So nützlich Traktorspuren sind, kann es doch sehr unangenehm sein, sie quer oder schräg überrollen zu müssen. Besonders bei schwerem Boden, oder wenn nach längerer Trockenheit die Spuren hartgebacken sind, bekommt das Fahrwerk empfindliche Schläge verpasst. Wenn immer möglich, würde ich daher die Landung parallel zur Bearbeitungsrichtung vorziehen. Ohnehin liegt letztere meist parallel zur langen Seite der Wiese, da der Bauer dann nicht so häufig wenden muß.