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THEATERKRITIK
Eldorado von Marius von Mayenburg. Premiere an der Schaubühne am 11. Dezember 2004. Regie: Thomas Ostermeier. Mit Dieter Mann, Stephanie Eidt, Matthias Matschke, Ingrid Andree, André Szymnaski und Judith Engel
Katzengold
von Michael Bienert
Es riecht nach Wald. Der Specht hämmert, das Käuzchen ruft, auf der Schaubühne wachsen dicke Bäume durch die Decke. Jeden Augenblick müßten Hänsel und Gretel um die Ecke biegen oder vielleicht der Weihnachtsmann. Das erste Wort auf der Bühne aber hat ein Mann mit dem klingenden Namen Aschenbrenner: Fern hinter den Wäldern sind Helikopter aufgestiegen. Aschenbrenner klebt kein Ruß an den Händen, er trägt einen korrekten Anzug wie der Chef eines Bestattungsinstituts. Seine Erzählung von grausigen Kriegshandlungen in einer nahen Stadt ist das Vorspiel zu einem Rechenschaftsbericht vor den Geldanlegern im Publikum. Denn in Wahrheit ist Aschenbrenner Bauunternehmer, und wo viel kaputt gebombt wird, da winken ihm satte Profite.
So bedeutungsschwanger wie diese Eröffnung ist das ganze neue Stück Marius von Mayenburgs, der schon im Titel den Mythos von Eldorado bemüht. Um die überbordende Symbolik, die gekünstelte Sprache und die durchsichtige Konstruktion des Stücks interessant zu machen, müßte ein Regisseur so rabiat vorgehen wie vor zwei Jahren Luk Perceval, als er Mayenburgs Das kalte Kind am selben Theater zur Uraufführung brachte. Perceval schlug das Stück kurzerhand in Stücke und baute ein Spiegelkabinett, in dem er das Familiendrama psychoanalytisch ausleuchtete. Das war grausam für den Dramatiker, aber packend fürs Publikum. Schaubühnenchef Thomas Ostermeier sucht diesmal eine einvernehmliche Bühnenlösung mit seinem Hausautor Mayenburg. Wie vor Jahren bei Feuergesicht streben sie einen magischen Realismus auf Jan Pappelbaums surreal möblierter Bühne an. Leider bleibt beides auf der Strecke, die Magie und der Realismus.
Wieder verklammert eine Familiengeschichte die düsteren Wortfantasien des Autor. Anton, ein Angestellter in Aschenbrenners Firma, muß eigenhändig seine Entlassungspapiere unterzeichnen, nachdem er die Unterschriften des Chefs gefälscht hat. Seine gänzlich unmusische Frau Thekla (Stephanie Eidt) verliert zur selben Zeit den Glauben an ihre Pianistinnenkarriere. Wie viele Mittdreißigerinnen sucht sie ihr Heil in einer Schwangerschaft. Ihr Mann ist ein armseliges Würstchen in schlecht sitzendem Anzug (Matthias Matschke) und traut sich nicht mit der Wahrheit über seine Kündigung heraus. Anton spielt weiter den Workoholic, bis sich Aschenbrenner (Dieter Mann) erhängt. Der Bürgerkrieg ist noch nicht zu Ende und macht dem Immobilienspekulanten einen Strich durch die Rechnung. Als auch noch Theklas Mutter mit dem Anwalt droht, weil Anton ihr Geld veruntreut, nimmt er gleichfalls den Strick.
Ingrid Andree als Mutter ist eine Überraschung an Ostermeiers juveniler Schaubühne: eine Schauspielerin, die noch mit Gründgens, mit Noelte, mit Kortner gearbeitet hat. Und sie ist die einzige, die das Konstruierte und Gespreizte ihrer Figur momenthaft glaubhaft machen kann, eine greise Geldadelige, die ihren dummen jungen Liebhaber (André Szymanski) an der kurzen Leine hält. Judith Engel in der Nebenrolle einer von Thekla abhängigen Klavierschülerin hätte etwas Rührendes, wenn ihre Geschichte nicht allzu durchsichtig wäre. Das gilt ähnlich für Anton und Thekla, die sich mit Sätzen plagen müssen wie: Ich kenne den schweren Ernst in Deinen Augen.
Ein bißchen weniger Ernst, eine Portion Selbstironie hätten den Abend vielleicht gerettet. So sitzt das Kunstwollen wie eine Käseglocke über der Bühne und sperrt das Publikum von jeder Anteilnahme aus. Zum Schluß wirbt Aschenbrenners Geist um Anlegerkapital für Bauten auf anderen Planeten. Aber wir ahnen schon: Das Theater wird dort ähnlich ambitioniert und auch nicht besser sein.
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