Der Zweisystembetrieb
in Birkenwerder bei Berlin

Detlef Scheibe, Borna (b. Oschatz)

Fahrdraht im Bahnhof Birkenwerder

Im Frühjahr 1983 werden bekanntlich erstmalig Elloks auf der Fernbahn bis zum Bahnhof Flughafen Berlin-Schönefeld fahren. Damit verbunden ist ein elektrischer Gemeinschaftsbetrieb mit Gleich- und Wechselstromsystem auf einem gemeinsamen Bahnkörper. Derartige Anlagen werden im gesamten Berliner Raum künftig dort eingerichtet, wo elektrifizierte Fernbahnstrecken und die Berliner S-Bahn zusammenliegen. Dabei geht es darum, die Rückleitung des Gleichstromsystems (0,75 kV) von der des Wechselstromsystems (15kV) zu trennen. Die technischen Bedingungen sind dafür in einem Werkstandard der Deutschen Reichsbahn festgelegt. Drei Fälle können eintreten:

  1. Als Regelfall der elektrische Parallelbetrieb. Er wird durch metallische Trennung der Rückleitungen beider Stromsysteme ermöglicht.
  2. Als Sonderfall der elektrische Wechselbetrieb auf einem gemeinsamen Gleis durch wahlweise Zuschaltung der Rückleitung beider Stromsysteme.
  3. Als weiterer Sonderfall die Einrichtung des elektrischen Verbundbetriebes. Hierbei sind die Rückleitungen für beide Stromkerne metallisch verbunden. Triebfahrzeuge beider Stromsysteme können gleichzeitig auf einem gemeinsamen Gleis verkehren.

Der zuletzt erwähnte Sonderfall wird nach dem gegenwärtigen Stand der Elektrifizierungsmaßnahmen nur auf dem Bahnhof Birkenwerder bei Berlin Anwendung finden. Die Aufnahme des elektrischen Fernbahnbetriebes ist hier im Herbst 1983 vorgesehen.

In diesen Bahnhof münden die elektrisch betriebene Strecke der Berliner S-Bahn nach Oranienburg (= 0,75 kV) und die bisher nicht elektrifizierte Verbindung Birkenwerder-Hohen Neuendorf West-Falkenhagen. Die baulichen Verhältnisse ließen lediglich eine gemeinsame Nutzung des einzigen Bahnsteiges durch die elektrische S-Bahn und die von Dieselloks beförderten S-Bahnzüge nach Falkenhagen bzw. Albrechtshof zu. Ein Blick in das Kursbuch zeigt, daß die Wendezüge aus und in Richtung Falkenhagen (bisher je eine Lok der BR 110 und ein vierteiliger Doppelstockwagenzug) im Stundentakt verkehren. In der Regel treffen diese Züge fünf Minuten vor Ankunft der elektrischen S-Bahn am gleichen Bahnsteig ein und verlassen ihn vier Minuten nach Abfahrt der elektrischen S-Bahn.

Die dieselbetriebenen Züge werden in der Zwischenzeit in einer zwischen beiden S-Bahn-Gleisen befindlichen Abstellanlage nördlich des Bahnsteiges abgestellt. Außerdem verkehren vier Personenzugpaare zwischen Hennigsdorf und Oranienburg im Durchgangsverkehr mit Halt in Birkenwerder:

Trotz des enormen Aufwandes zur Erreichung eines geringen Widerstandes in der zur Rückleitung genutzten Gleisanlage bei der Berliner S-Bahn - erinnert sei hier nur an die kupfernen Schienenverbinder bei verschraubten Stößen - fließt ein nicht geringer Stromanteil der Gleichstrombahn über den Stromkreis der Wechselstrombahn (Fahrschiene - Triebfahrzeug - Fahrleitung - Unterwerk).

Der Verbundbetrieb wird entsprechend der Skizze auf den Gleisen 6, 8,16,14, 4 abgewickelt. Die Gleis- und Fahrdrahtverbindungen zu den Fernbahngleisen sind durch DZA (Doppelte zweischienige Abriegelstöße) und Doppelstreckentrenner abgeriegelt. Die Anlagen für den Gleichstrombetrieb werden technisch nicht verändert. Die Einspeisung der Fahrleitung erfolgt aus einem Transformator rnit dem Ubersetzungsverhältnis Ü = 1:1 und einer Leistung von 1250 kVA. Für diesen Sonderzweck werden ursprünglich für Schuppenspannungsprülanlagen entwickelte Transformatoren modifiziert. Es kommen zwei Transformatoren zum Einsatz, davon dient ein Transformator als Reserve. Diese Anlagen gehören dann zur künftigen Schaltstelle Hohen Neuendorf. Die Einspeisung für den Verbundbetrieb erfolgt von Hohen Neuendorf aus über eine Freileitung. Würden Gleisanlage und Fahrleitung des dem Gemeinschaftsbetriebes unterliegenden Bereiches nicht von denen der anschließenden Strecken der Wechselstrombahn getrennt, wäre eine unerwünschte Vormagnetisierung des Transformators der Wechselstromlok durch den zurückfließenden Gleichstrom die Folge. Hinzu käme die Tatsache, daß diese Erscheinung die Funktionstüchtigkeit des mit 15 kV (16 2/3Hz) betriebenen Fahrzeuges beeinträchtigen würde. Neben der galvanischen Abtrennung der Fahrleitungs- und Gleisanlage der Gemeinschaftsgleise 4, 6, 8, 14 und 16 vom übrigen Wechselstrombahnnetz (Gleise 1 und 2) durch Isolierstöße und Streckentrenner ist deshalb ein Transformator erforderlich. Er verbindet ohne galvanische Koppelung die Fahrleitungsanlage der Gemeinschaftsgleise mit dem anschließenden Fahrleitungsbereich bzw. direkt mit dem nächsten Umformwerk. Für den zurückfließenden Gleichstrom stellt er eine Art Sperre dar.

Aus: Modelleisenbahner, 2/1983

 

 

 

 

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Letzte Aktualisierung: 29. Mai 2000