Der Komponist Conlon Nancarrow (1912 - 1997) hat in seinem mexikanischen Exil 52 Stücke ("Studies") für selbstspielendes Klavier geschrieben.
Diese Stücke haben die Eigenschaft, traditionelle musikalische Mittel zu völlig neuen, sozusagen "nie gehörten" Schöpfungen zu verbinden: Nancarrow bedient sich der traditionellen chromatischen Skala, und in der Hauptsache schreibt er für Klavier, allerdings für Player Piano, also das "elektrische Klavier", das ohne Pianisten auskommt. Seine zeitbezogene Art des Komponierens kann man als "einmalig" bezeichnen
Die Zeit als wichtigstes kompositorisches Mittel erklärt auch die Gebundenheit des Komponisten an ein Maschineninstrument; denn die entstehende Polyrhythmik der meisten "Studies" ist für einen Spieler aus Fleisch und Blut nicht ausführbar. Wer sollte ein polyphones Werk mit zwölf Stimmen, die zwölf eigenen Metren folgen, spielen können?
Kein geringer als György Ligeti hat Nancarrows Musik als "die größte Entdeckung seit Webern und Ives" bezeichnet. Dieses zugespitzte Lob ist gewiss ein Hinweis auf die Einmaligkeit dieses Komponisten. Sein vergleichsweise kleines vre, bedingt durch seine zeitraubende Arbeitsweise, wird einen schwergewichtigen Weltruhm verhindern. Gerade deswegen ist es wichtig, sein Andenken zu bewahren, indem man seinen Bekanntheitsgrad steigert.
Eine Verräumlichung der Player-Piano-Studies ist gewiss ein gangbarer Weg, diese Musik aufzuführen. Der mexikanische Komponist Carlos Sandoval Mendoza (*1956) war eine Zeitlang (1990 - 1994) Assistent Nancarrows und ist geistiger Schirmherr einer Aufführung der Studies 21 und 37 im Berliner "Tesla" * am 30.November 2006. Die technische Federführung dieser Veranstaltung lag beim Elektronischen Studio der TU Berlin und seinem Leiter Folkmar Hein. Am erstaunlichsten mutet bei diesem Projekt an, dass die Verräumlichung nicht nachträglich in die Werke "hineingedeutet" werden musste, sondern ohne Abstriche in der Komposition enthalten war, von Nancarrow selbst angelegt. Meine Aufgabe war es, zusammen mit Carlos Sandoval das Zwölf-Kanal-Master für diese Veranstaltung zu produzieren.
Im Maiprogramm 2007 des Webradios der DEGEM war zu diesem Projekt das Radiofeature "Löcher im Dutzend" zu hören. Verwendet werden dort u.a. die stereophonisierten 12-Kanal-Versionen. Das Feature ist auf Anfrage als Audio-CD erhältlich.
Im Juni 2007 habe ich im ZKM Karlsruhe zu dieser Produktion einen Vortrag gehalten. Die folgenden Skripte enthalten den Inhalt dieses Vortrags (Nicht identisch mit dem Radiofeature).