Blitz Besprechung

Der Schakal
(The Jackal)

USA, 1997, 124min
Regie: Michael Caton-Jones
Cast: Diane Venora, Mathilda May, Tess Harper

Wieviele Gesichter hat der Schakal alias Bruce Willis? Um dies herauszufinden, ist ein Besuch des Films fast schon überflüssig, ein Blick auf das Kinoplakat reich völlig aus.

Im Vorfeld hatte Der Schakal und seine filmische Umsetzung für kontroverse Diskussionen gesorgt. 1973 hatte Fred Zinnemann des Bestseller Day of the Jackal von Frederick Forsyth mit Edward Fox in der Hauptrolle verfilmt. Für das Remake waren u.a.  Mel Gibson und Nick Nolte im Gespräch gewesen. Man wollte durch zugkräftige Namen die finanzielle Seite der Hollywood-Produktion absichern. Doch weder der im letzten Jahr verstorbene Zinnemann noch Forsyth wollten mit einer Neubearbeitung des Stoffes etwas zu tun haben. So basiert Der Schakal denn auch nur frei auf Zinnemanns Original.

Das führte natürlich auch zu einigen Änderungen im Drehbuch. Der Attentäter hat diesmal nicht De Gaulle im Visir, sondern eine andere prominente Person, die noch nicht verraten werden soll. War der Auftraggeber noch bei einer Honorarforderung von einer halben Millionen geschockt, zuckt er im Remake bei 70 Millionen mit keiner Wimper. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Einführung einer weiteren Hauptperson, in Gestalt eines Ex-IRA-Kämpfers, der als einziger den Schakal identifizieren kann. Für den FBI-Mann Carter Preston (Sidney Portier – zuletzt in Sneakers 1992 zu sehen gewesen) und seine russische Kollegin Major Valentina Koslova (Diane Venora) ist der Schakal ein Mann ohne Identität, dessen Ziele immer erst nach gelungenen Attentaten offensichtlich werden, dessen Zeitplan undurchsichtig bleibt und der seinen Aufenthaltsort blitzschnell wechseln kann. Preston und Koslova glauben, dass einzig ein zur lebenslanger Haft verurteilter Ex-IRA-Mann (Richard Gere) in dieser Situation helfen kann.
 

 
ch, Düsseldorf
Foto ©: Universal
 
Queer Watchlion

Was macht ein Profikiller, wenn er in der Nähe des bevorstehenden Tatorts ein möglichst diskretes, geheimes Quartier sucht? Ganz einfach, er geht in eine Schwulenbar, läßt sich von einem vertrauensseligen Mann abschleppen und zieht dann bei ihm ein. Das ist sicherer als jedes Stundenhotel. Und wenn es die Umstände erfordern, dass der Profikiller seinen schwulen Gastgeber umbringen muss, findet die Polizei aufgrund der szeneüblichen Anonymität keine Spur.

Zu dieser Situation kommt es in Frederick Forsyths Roman Der Schakal, der 1971 erschien, und dessen Verfilmung 1973 für volle Kinos sorgte. Angesichts der radikalen Schwulenfeindlichkeit, die damals auf den Leinwänden üblich war, ist das Taktgefühl des Regisseurs Fred Zinnemann geradezu sensationell. Der Schwule ist bei ihm keine Witzfigur, sondern ein ganz normaler, gepflegter junger Mann. Erschossen wird er nur, weil im Fernsehen gerade das Bild des Schakals als Fahndungsfoto erschienen ist und er seinen Gast dabei erkannt hat; das hätte einem Hetero ebensogut passieren können. Zinnemann inszeniert die Erschießung des Schwulen ganz sachlich, ohne Schadenfreude oder Sadismus.

In starkem Kontrast zu Zinnemanns Nüchternheit steht die Neuverfilmung der Geschichte durch Michael Caton-Jones. Hier wird dem schwulen Zuschauer geschmeichelt - und dann gibt es eine schallende Ohrfeige. Wenn der Schakal die Schwulenbar betritt, spielt der Film ganz offensichtlich mit der Beliebtheit, die der Hauptdarsteller Bruce Willis bei vielen Schwulen genießt: Stellvertretend für alle schwulen Willis-Fans ist Douglas (Stephen Spinella) fassungslos vor Freude, als der attraktive Fremde ihn anmacht, ihn sogar küßt. (Jawohl, Bruce Willis küsst in diesem Film einen Mann! Ausgiebiger als Kevin Kline und Tom Selleck in In & Out! Allerdings wird der Kuss so gefilmt, dass die Lippen der beiden Männer verdeckt sind.) Douglas - offenbar ein erfolgreicher Geschäftsmann - gibt dem Fremden seine Visitenkarte und ist ganz hin und weg, als sein Schwarm auch tatsächlich anruft. Diesmal ist jedoch vom unwiderstehlichen Willis-Charme nichts zu spüren. Der Schakal macht aus seiner Geringschätzung von Douglas kein Geheimnis, und obwohl auch hier eine Fahndungsmeldung im Fernsehen die tödlichen Schüsse auslöst, bleibt der Eindruck bestehen, dass der Schakal Douglas aus Verachtung tötet und nicht nur, um einen lästigen Zeugen zu beseitigen.

Generell werden in diesem Film die Opfer des Schakals so dargestellt, dass ihr Tod nicht zu sehr wehtut, wahrscheinlich wollte Willis nicht als Fiesling dastehen. Einige Polizisten sterben in Ausübung ihrer Dienstpflicht, das ist Berufsrisiko. Dann ist da ein schmutziger, schmieriger Waffenhändler, dem die Hose rutscht, und eben Douglas, der alberne, leichtsinnige Schwule, der nur darauf wartet, ermordet zu werden.

Achtung: Spoiler-Alert im folgenden Absatz

Ein kleiner Trost ist die russische Majorin Valentina Koslova (Diane Venora), die im Kampf gegen den Schakal ihr Leben lässt. Ihr wird nicht nur eine lang ausgedehnte, bewegende Sterbeszene gegönnt - selbst der Schakal, der sie in den Bauch geschossen hat, verabschiedet sich mit einer zärtlichen Geste von ihr. Majorin Koslova ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Lesbe; sie behauptet zwar, aufgrund ihrer Gesichtsnarbe für das männliche Geschlecht indiskutabel zu sein, aber ihr burschikoses Auftreten verstärkt den Eindruck, sie benutze die Narbe nur als Vorwand, um die Männer fernzuhalten.

Und was bevorzugt der Schakal? In einer merkwürdigen Szene sitzt Bruce Willis im weißen Frottee-Bademantel auf einem Stuhl und entspannt sich. Seine Haare sind im Augenblick blond gefärbt. Die linke Schulter ist nackt, da ist ihm der Mantel heruntergerutscht, aber das stört ihn nicht, offenbar läuft er gern schulterfrei herum. Willis bewegt seinen Kopf ziemlich tuntig hin und her, und wir denken zunächst, er halte sich bei Douglas auf und spiele deswegen die Tunte. Doch dann stellt sich heraus, dass er allein - und die Tuntigkeit nicht gespielt ist.

Interessant auch, dass zwischen dem Bösen und dem Guten (Richard Gere) keine Frau steht. In Zinnemanns Film hat der Schakal sich noch an eine Frau herangemacht, um seinem Ziel näherzukommen, zwar nur aus Berechnung, aber immerhin. Bruce Willis lässt von Frauen ganz die Finger, obwohl das Hetero-Publikum von einem männlichen Action-Star erwartet, dass er wenigstens einmal kurz mit einer Frau ins Bett steigt. Fehlanzeige. Die einzige Frau, der gegenüber er sich ansatzweise zärtlich gibt, ist Majorin Koslova, nachdem er sie angeschossen hat. Gern hat er das nicht getan, sie stand einfach nur auf der falschen Seite. Wenn er ein paar Worte mit ihr wechselt, entsteht der Eindruck: Männer unter sich. Oder Schwestern unter sich.

© 1998 Frank Noack, Berlin
 
Deutschland: 12. März '98 im Verleih von Concorde – Castle Rock / Turner.
US: 14. November '97
GB: 9. Januar '98
Frankreich: 21. Januar '98
Filmdaten:

Offizieller Link: http://www.thejackal.com/ 

copyright: Queer View, 11. März 1998