Ruth Stoops ist am Ende. Von ihrem letzten Macker rausgeworfen, bleibt ihr nur noch der Griff zur Papiertüte. Diese versteckt entweder eine Alkflasche oder entwickelt beruhigende Dämpfe aus Farbspraydosen und Modellkleber. Von den Hütern des Gesetzes aufgegriffen, teilt ihr der Polizeiarzt mit, dass sie erneut schwanger ist. Zwei Kinder hat sie bereits zur Adaption freigegeben, zwei zieht ihr Bruder Tony auf. Der entnervte Richter, der Ruth zum 16. Mal vor sich sieht und sie bereits 6 Mal auf Kosten des Staates in eine Entziehungsklinik geschickt hat, gewährt dem Staatsanwalt freien Lauf: wenn Ruth ihr Kind nicht abtreiben sollte, wird sie wegen Gefährdung ihres ungeborenen Kindes angezeigt und mindestens bis zur Geburt in den Knast gesteckt.
In der Untersuchungshaft wird sie von einem reizenden Quartett fanatischer Pro-Life Kämpferinnen aufgelesen, die Ruth für ihre Zwecke benutzen wollen. Scheinheilig nimmt Gail Stoney die Schwangere bei ihrer Familie auf. Ruth ist zunächst ganz aus dem Häuschen. Nicht nur begleicht jemand eine Kaution für sie, nein, sie darf sich auch noch baden, sattessen und ausschlafen. Nur das Kind will sie trotzdem demnächst loswerden. Als sie in ihrer Gastfamilie schließlich auch noch einen unerschöpflichen Vorrat an benebelnden Lösungen entdeckt und im Klebe-Rausch Mamas kleines Wunder schlägt, wird sie flugs verstoßen – und gerät in die nicht minder determinierten Hände der Pro-Choice Front.
Alle geben vor, Ruth helfen zu wollen, bis selbst deren etwas langsam gewordene Gehirnfunktionen erkennen, dass sie stets dazu benutzt wird, der Gegenseite und dem Rest der (amerikanischen) Welt durch sie eine Botschaft zu vermitteln. Politische Ziele sind Ruth dabei fremd, sie muss letztendlich sehen, dass sie nicht selbst auf der Strecke bleibt. Doch die Situation ist ernster als ihr lieb sein kann: beide Kriegsparteien haben über Ruths Schicksal und das ihres achtwöchigen Föten einen nationalen Ausnahmezustand verhängt...
Das Konzept einer Frau, die sich um die ganze "höchst wichtige" Politik nicht schert, sondern nur irgendwie über die Runden kommen will, am liebsten mit einer Tüte Sprayfarbstoff im Gesicht, trägt entscheidend zu dem Erfolg des Filmes bei. Ebenso wie die Charakterisierungen der verschiedenen Lebensstile. Nicht überspitzt, wie es das Zucker-Abraham-Zucker-Gespann in Szene gesetzt hätte, aber eben doch bezeichnend. Weder passt die white trash gezeichnete Ruth mit frischer Dauerwelle in den bürgerlich-religiösen Familienclan, noch mit südamerikanischer Naturfaserkleidung zu den politisch Bewussten. Dies ist ein großer Verdienst der MaskenbildnerInnen und der Schauspielkunst der Hauptdarstellerin Laura Dern. Gerade sie musste sich seit 10 Jahren durch ihre bekanntesten Rollen in Blue Velvet, Wild at Heart und Jurassic Park mit einem Image des normalen netten Blondchens von nebenan rumschlagen. Wunderbar, wie Ruths Versuche, dieses Bild nun zu erfüllen, gekonnt jämmerlich fehlschlagen.
Offiziell karikiert der Film, wie schon in den Angaben zu If
These Walls Could Talk, beide Seiten des sozialen Unruheherdes,
und tatsächlich bekommen auch die FrauenrechtlerInnen ihr Fett weg.
So unterscheiden sich die Methoden der einen nicht viel von denen der anderen.
Allerdings dürfte recht bald klar sein, dass den FilmemacherInnen
drastischere Zeichnungen für die religiöse Rechte eingefallen
sind. Dennoch: Unsere Heldin gehört weder zu den einen noch den anderen,
und denkt herrlich egozentrisch nur an sich selbst.
Die FrauenrechtlerInnen scheinen in der Filmwelt größtenteils aus Homos beider Arten zu bestehen. Eine offensichtliche Tucke gibt gutgemeinte aber strategisch unbeholfene Ratschläge, und angeleitet wird die lokale Sektion von einem Lesbenpärchen. Während die rechts-religiöse Gemeinde vor ihrer Babysaver-Flagge in pathetischen Morgengesang fällt, singen die Lesben die pralle Frau Mond an.
Makaber wird auf die Doppelmoral des religiösen Völkchens
hingewiesen, z.B., indem das Thema Missbrauch in den Raum gestellt wird.
Die seit Jahren abwesende Mutter Stoops gesellt sich zum Open Air Happening
der rechten FanatikerInnen vor Ruths Zufluchtsort und weist eine entsprechende
Beschuldigung gegen einen ihrer Ex-Lover als "antike Geschichte" von sich.
Und die öligen Massageeinheiten, die sich Burt Reynolds als
nationaler Führer Blaine Gibbons von einem herangewachsenen Jungen
holt, den er einst vor dem Schirurgenmesser bewahrte, wirken ebenfalls
vielsagend.