Der Hexenclub

(The Craft)

SOUNDTRACK

(Varèse Sarabande / Colosseum)

Sobald es um die musikalische Erkundung der mystischen Tiefen der Psyche geht, läßt man in Hollywood Graeme Revell den Score zu einem Film komponieren. Der löst die Aufgabe zumeist suoverän, jedoch nicht immer originell. Die Eingangssequenzen von The Craft erinnern an seine Musik zu Strange Days, weite Teile könnten so, in Instrumentierung und durch den Gesang, von Dead Can Dance vorgetragen worden sein. Immer wieder verwendet er Einlagen von Frauenstimmen (leider kein Vermerk: woher hat er bloß die Samples, die Stimme kommt mir sehr bekannt vor?). Eine Frau, die in einer nicht identifizierbaren Sprache singt, dringt zur ZuhörerIn wie durch einen Nebel (durch einen Vorhang) hervor, dringt gleichsam vom Unterbewußtsein an die Oberfläche. The Craft vermittelt die Atmosphäre einer Anbetung. Die Rituale der Hexenkunst werden durch fiebernde, verstörende Passagen untermalt, die einem wohl das Fürchten lehren sollen. Eine zweischneidige Angelegenheit, sind die dazugehörigen Bilder überhaupt nicht abschreckend, eher bewirken sie, daß in der ZuschauerIn das Interesse für die Magie geweckt wird. Die Filmmusik zu The Craft ist somit weit düsterer als der Film. Einzig die Szenen, in denen Schlangen, Würmer und anderes Getier zur Ausgeburt der Phantasie werden, spiegeln den wahren Charakter der Musik wider.

(Sony Music)

Immer noch die beste Lösung: eine CD mit der eigentlichen Filmmusik und eine CD mit den Songs aus einem Film. The Craft von Sony Music spricht die jüngere KäuferInnenschicht an, überwiegend werden hier Songs aus der Sparte Gitarrenrock versammelt. Während die düstere Musik des Komponisten Graeme Revell die Atmosphäre des Geschehens trägt, spiegeln die Songs das eigentliche Umfeld der vier jungen Hexen wider. (Und die gehen alle noch in die High School.) Schule ist schon schlimm genug, besonders da die vier aus unterschiedlichen Gründen ihre Anschlußschwierigkeiten an den Klassenverband haben, die Musik soll dann wenigstens Spaß bringen. Nicht alle Bands von The Craft sind einem breiteren Publikum bekannt. Heather Nova hat bereits ihre AnhängerInnenschaft, ebenso Juliana Hatfield, Elastica und Spacehog. Doch schaut man genauer in die Linernotes, findet sich z.B. neben Matthew Sweet (der bei drei Songs Gitarre spielt) Lindsey Buckingham (Fleetwood Mac). Die InterpretInnen tragen überwiegend Coverversionen vor, die Originale stammen von Peter Gabriel (I Have the Touch, Heather Nova), Lennon & McCartney (Tomorrow Never Knows, Our Lady Peace), Marianne Faithfull (Witches Song, Juliana Hatfield) oder Morrissey (How Soon Is Now?, Love Spit Love). Die Produzenten haben sich mit Titeln wie Dark Secret (Matthew Sweet), Jumping Into the Fire (Tripping Daisy), The Horror (Spacehog) an eine bestimmte Thematik gehalten, das gibt dem Compilation-Album den roten Faden. Der letzte Track ist sozusagen ein Bonus, denn Graeme Revells Song Bells, Books and Candles ist nichts anderes als der Titel The Magic Store vom Score, nur wurde er hier mit einer weiteren Tonspur belegt, also mit einer (nicht näher benannten) Sängerin eingespielt.

en, Berlin

copyright: Queer View (PPL Juni 1996)

<<< zurück