Subject: Leserbrief: Ratten schlauer als Delphine?
Date: Fri, 04 Sep 1998 13:08:32 -0700
From: Ulrich Reinartz <ulisses@snafu.de
To: leserbriefe@spiegel.de

Liebe Spiegel Redaktion,

der Artikel "Tumbe Tümmler" aus der Ausgabe 35/1998 ließ mich nicht kalt. Deshalb dieser Leserbrief:

DER SPIEGEL Nr.35/1998, Wissenschaft:

Tumbe Tümmler - Ratten schlauer als Delphine?

Zu zweidimensional gedacht ist der Schluß aus der Tatsache, daß Tümmler Monate brauchen um Dreiecke von Vierecken zu unterscheiden, während Ratten und Tauben das schneller erledigen. Das Delphingehirn ist auf die Verarbeitung von 3-dimensionalen Informationen spezialisiert. Der primäre Orientierungssinn der Delphine ist das Echolot (Bio-Sonar), mit dem sie spielend in der Lage sind, verschiedene dreidimensionale Formen wie z.B. Kugeln und Zylinder voneinander zu unterscheiden und deren Größe millimetergenau zu beurteilen. Als Zugabe können sie auch noch das Material, aus dem das Testobjekt besteht, ermitteln. (W. Au, The Sonar of Dolphins,Springer, 1994). Ratten und Tauben dagegen haben durch die seitliche Lage ihrer Augen wohl ehr ein 2-dimensional geprägtes Weltbild.

Richtig ist die Aussage, daß die Dichte der Neuronen (Bei Landsäugern laut Spiegelartikel: 108 Neuronen pro Cortex-Kolumne) ein Kriterium für die Leistungsfähigkeit des Delphingehirns ("Nur" 30 Neuronen pro Cortex-Kolumne) ist. Überraschend ist nur: je geringer die Neuronendichte, desto höher der IQ, da bei einer geringen Neuronendichte umso mehr Platz für neuronale Verknüpfungen zur Verfügung steht. Die Anzahl der Verknüpfungen der Neuronen untereinander, stellt das eigentliche Kriterium für Intelligenz dar. Ein Minimum der Grauzellendichte wird bei Walen/Delphinen, Menschen, Menschenaffen und Elefanten erreicht. Das Verhältnis aus der Gesamtheit des entsprechenden Nervengewebes und den darin enthaltenen Neuronen ergibt den Grauzellkoeffizienten: Maus 8,5, Kaninchen 15, Mantelpavian 24, Menschenaffen 31-39, Mensch 47, Pilotwal, eine Delphinart 47, andere Wale/Delphine 55-80 (Quelle:Dr. Hans-Günter Petzold, Humbold Uni, Rätsel um Delphine, A.Ziemsen Verlag - Wittenberg 1985)

Weitere Indizien für die außerordentlichen kognitiven Fähigkeiten der Delphine sind deren Spieltrieb und Humor, selbst bei ausgewachsenen Delphinen, das hochentwickelte Sozialverhalten, die komplexe Kommunikation (Delphine geben sich Namen!), der Gebrauch von, ja sie lesen richtig, Werkzeugen, sowie die Tatsache, daß sich Delphine genau wie einige Menschenaffenarten und wir Menschen, im Spiegel als Individuum erkennen. Delphine als Fachidioten des Kunstschwimmens herabzuwürdigen sehe ich schlichtweg als Unverschämtheit an und ich hoffe, daß sich auch noch andere Stimmen zu Wort melden, um zur Ehrenrettung dieser wunderbaren Wesen beizutragen. Ganz besonders interessiert mich die Meinung von Delphinschützer und -forscher Lorenzo von Fersen zu dieser journalistischen Umsetzung seiner Foschungstätigkeit.

Berlin                       Mit freundlichen Grüßen, Ulrich Reinartz

     



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