Juris Eintrag
Gericht: BVerfG 1. Senat 3. Kammer
Datum: 07.05.1997
Az: 1 BvR 1974/93, Az: 1 BvR 1987/93
NK: GG Art 5 Abs 1 S 1, GG Art 1 Abs 1, GG Art 2 Abs 1, GG Art 4 Abs 1, BGB § 1004, BGB § 823
Fundstelle:
Rechtszug: vorgehend KG Berlin, 12.10.1993 (Az.: 9 U 2470/93)
vorgehend LG Berlin, 02.02.1993 (Az.: 27 O 661/92)

Titelzeile

    Nichtannahmebeschluß: Keine Verletzung von GG Art 5 Abs 1 durch gerichtliche Verurteilung, die Veröffentlichung von Angaben aus der Sozialsphäre einer Privatperson zu unterlassen

Orientierungssatz

  1. Bei einem Eingriff in die Meinungsäßerungsfreiheit wird der Einfluß des Grundrechts schon dann verkannt, wenn das Gericht seiner Beurteilung eine Äußerung zugrunde legt, die so nicht gefallen ist, wenn es dieser einen Sinn gibt, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat, oder wenn es sich unter mehreren objektiv möglichen Deutungen für die zur Verurteilung führende entscheidet, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen (vgl BVerfG, 26.06.1990 (Az.: 1 BvR 1165/89), BVerfGE 82, 272 [280f]).
    1. Bei der Anwendung von BGB § 823 Abs 1 iVm § 1004 Abs 1 als maßgeblicher Anspruchsgrundlage sind die Ausstrahlungswirkung der Meinungsäßerungsfreiheit einerseits und der Persönlichkeitsschutz andererseits zu berücksichtigen. Für den Schutz der Persönlichkeitssphäre des Einzelnen können sich aus dem entgegenstehenden Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Einschränkungen ergeben. Insoweit ist durch Güterabwägung unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob die Einwirkung auf die Persönlichkeitssphäre nach Art und Reichweite durch das von GG Art 5 Abs 1 geschützte Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (vgl BVerfG, 1973-06-05, 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202 [220f]).
    2. Soweit Äußerungen die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung des Betroffenen zum Gegenstand haben, kommt neben oder statt GG Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 und Art 4 Abs 1 als Grundlage des Persönlichkeitsschutzes in Betracht. An der Notwendigkeit einer Abwägung ändert das jedoch nichts. GG Art 4 Abs 1 steht zwar nicht unter Gesetzesvorbehalt, unterliegt aber immanenten Schranken in Gestalt kollidierender Grundrechte.
  2. Hier: im Hinblick auf die Konfliktlage zwischen dem Publikationsinteresse einer Tageszeitung einerseits und den Belangen des Persönlichkeitsschutzes andererseits nicht zu beanstandende zivilgerichtliche Verurteilung zur Unterlassung von Äußerungen über eine Scientologin.

Gründe

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die zivilgerichtliche Verurteilung zur Unterlassung von Äußerungen über eine Scientologin.

I.

   1. Die Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 1974/93 (nachfolgend Beschwerdeführer zu I) verlegen die in Berlin und den neuen Bundesländern bzw. im übrigen Bundesgebiet erscheinenden Ausgaben der "tageszeitung" (taz). Der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 1987/93 (nachfolgend Beschwerdeführer zu II) ist Pastor und Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens sind seit 1988 Scientologen. Der Beklagte zu 1) war bis Oktober 1992 Inhaber der S. GmbH, für die auch seine Ehefrau, die Beklagte zu 2), arbeitete. Aufgrund von Spenden in den Jahren 1988/89 wurden die Beklagten namentlich als Spender für die "Kriegskasse" der "International Association of Scientologists" (IAS) in der von dieser Organisation verlegten Zeitschrift "Impact" genannt. Die Beklagte zu 2) hat hierbei die Bezeichnung "Patron with Honors", der Beklagte zu 1) die Bezeichnung "Patron Meritorious" erhalten, was eine Spende von mindestens 100.000 bzw. 250.000 $ voraussetzt. Zusätzlich wurde der Beklagte zu 1) namentlich in der offiziellen Liste des "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE), eines der Scientology-Church nahestehenden und deren Ziele verfolgenden Unternehmerverbandes, aufgeführt.

Gestützt auf eine vom Beschwerdeführer zu II) verbreitete Mitteilung veröffentlichte die taz am 24. Juni 1992 unter der Überschrift "Scientology-Mann will sich bei Krupp einkaufen" einen Artikel, der sich mit den wirtschaftlichen Aktivitäten der Scientology-Organisation und dem Versuch des Beklagten zu 1) befaßt, verschiedene größere Wirtschaftsunternehmen in Berlin und auf dem Gebiet der ehemaligen DDR von der Treuhandanstalt zu erwerben. Darin heißt es über die Beklagten: H. ist nicht nur Stahlbauingenieur. Der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg rechnet ihn zu den "besonders hoch eingestuften Scientologen", zu den Anhängern des fanatischsten, reichsten und rabiatesten Psycho-Kults auf deutschem Boden. Rund 300.000 Menschen sollen hierzulande der aus den USA importierten Organisation angehören. G.: "H. hat mit seiner Frau zusammen mindestens 350.000 US-Dollar in die 'Kriegskasse' der Scientology eingezahlt," und wird in einer internen Liste als "Patron Meritorious" geführt.

   2. Die Beklagten beanstandeten die Mitteilung ihrer Spenden und den damit verbundenen Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zur Scientology-Organisation. Nachdem zunächst die Beschwerdeführer zu I) eine - später für erledigt erklärte - negative Feststellungsklage erhoben hatten, nahmen die Beklagten im Wege der Widerklage die Beschwerdeführer auf Unterlassung der Äußerungen in Anspruch. Das Landgericht wies die Widerklage des Beklagten zu 1) ab. Auf die Widerklage der Beklagten zu 2) verurteilte es die Beschwerdeführer aber, nicht öffentlich zu verbreiten, daß die Beklagte zu 2) Spenden an die Scientology-Church geleistet habe; die Beschwerdeführer zu I) verurteilte es außerdem, die öffentliche Verbreitung der Äußerung zu unterlassen, daß die Beklagte zu 2) Scientologin sei.

Die beanstandete Presseberichterstattung verletze das Persönlichkeitsrecht der Beklagten zu 2). Sie sei in der durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Bekenntnisfreiheit betroffen, die aufgrund der näheren Umstände bei ihr anders als bei dem Beklagten zu 1) der Privatsphäre zuzuordnen sei. Die Beschwerdeführer hätten nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagte zu 2) mit ihrer Spendentätigkeit und der Hinnahme der namentlichen Erwähnung in der Zeitschrift "Impact" bewußt die Öffentlichkeit gesucht habe. Obgleich die Beklagte zu 2) in dem Zeitungsartikel nicht namentlich erwähnt und ihre Mitgliedschaft in der Scientology-Church nicht ausdrücklich behauptet werde, sei sie als Ehefrau des namentlich genannten Beklagten zu 1) ohne weiteres identifizierbar. Ein unbefangener Durchschnittsleser könne die betreffende Berichtspassage nach ihrem Kontext nur so verstehen, daß die Beklagte zu 2) Scientologin sei.

Der darin liegende Eingriff in ihre Privatsphäre sei unzulässig. Die Öffentlichkeit habe zwar ein Interesse zu erfahren, von wem und in welcher Höhe eine umstrittene Organisation Spenden erhalte. Das Schutzinteresse der Beklagten zu 2) überwiege aber. Sie sei keine Person der Zeitgeschichte. Anders als ihr Ehemann sei sie nicht an Geschäften beteiligt, an denen ein Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehe. Allein durch ihre Ehe mit dem Beklagten zu 1) sei sie ebenfalls nicht zur relativen Person der Zeitgeschichte geworden. Eine das Informationsinteresse der Allgemeinheit befriedigende Berichterstattung wäre hier auch ohne die Kenntlichmachung der Beklagten zu 2) möglich gewesen. Das Kammergericht wies die Berufung unter Bezugnahme auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils zurück.

   3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer zu I) die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie tragen dazu im wesentlichen vor: In den angegriffenen Urteilen würden ihnen Äußerungen verboten, die sie gar nicht publiziert hätten. Der beanstandete Artikel sei nicht so zu verstehen, daß die Beklagte zu 2) Scientologin sei. Ebensowenig enthalte er die Behauptung, sie habe an die Scientology-Church gespendet. Die von den Gerichten vorgenommene Abwägung sei verfassungswidrig. Den angegriffenen Urteilen liege die Annahme zugrunde, die Beklagte zu 2) habe bei ihrer Spende die Vorstellung gehabt, ihre namentliche Nennung beschränke sich auf den Kreis der Scientologen. Diese Annahme sei jedenfalls angesichts einer erneuten Veröffentlichung der Spenderliste in der Zeitschrift "Impact" im Juli 1993 unhaltbar, denn im Ausgangsverfahren hätten sie, die Beschwerdeführer, schon vorher darauf hingewiesen, daß auch Außenstehende diese Zeitung erhalten könnten. Andererseits hätten die Gerichte die Bedeutung der Pressefreiheit unterschätzt. Die Scientology-Organisation sei eine ideologisch ausgerichtete und autoritär geführte Psycho-Gruppe, deren Vereinbarkeit mit der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland zweifelhaft sei. Da der Beklagte zu 1) versucht habe, mehrere größere Stahlbauunternehmen zu erwerben, stelle es eine für die Öffentlichkeit interessante Tatsache dar, daß seine Familie in der Lage sei, 350.000 US-Dollar in die "Kriegskasse" einzuzahlen.

Dieser Umstand lasse die Beklagten gemeinsam als relative Personen der Zeitgeschichte erscheinen. Nehme man hinzu, daß der Name der Beklagten zu 2) nicht genannt und sie nicht als Anhängerin der Scientologen bezeichnet worden sei, so müsse die Abwägung zugunsten der Pressefreiheit ausfallen.

   4. Der Beschwerdeführer zu II) macht ergänzend im wesentlichen geltend: Die von den Gerichten vorgenommene Interessenabwägung werde Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht gerecht. Die Gerichte hätten ein höherrangiges Interesse der Beklagten zu 2) in deren negativer Bekenntnisfreiheit gesehen. Anstatt die problematische Frage zu prüfen, ob die Scientology-Organisation tatsächlich eine Religionsgemeinschaft sei, hätten sie auf deren Selbstverständnis abgestellt. Das widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Darüber hinaus hätten die Gerichte auch die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung des öffentlichen Meinungskampfes verkannt. Weder das Landgericht noch das Kammergericht hätten sich mit seiner Glaubens- und Bekenntnisfreiheit auseinandergesetzt, die hier ebenfalls Beachtung verlange.

Das Urteil des Kammergerichts verletze darüber hinaus sein Recht auf Gehör. Es sei nicht erkennbar, daß das Gericht seine schon im Berufungsverfahren vorgetragenen verfassungsrechtlichen Argumente überhaupt berücksichtigt habe.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerden werfen keine verfassungsrechtlichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Rechten der Beschwerdeführer angezeigt, denn sie haben keine Aussicht auf Erfolg.

   1. Die angegriffenen Urteile verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.

   a) Bei einem Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit wird der Einfluß des Grundrechts schon dann verkannt, wenn das Gericht seiner Beurteilung eine Äußerung zugrunde legt, die so nicht gefallen ist, wenn es dieser einen Sinn gibt, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat, oder wenn es sich unter mehreren objektiv möglichen Deutungen für die zur Verurteilung führende entscheidet, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen (BVerfGE 82, 272 [280 f.]).

Ein solcher Fehler ist den Gerichten bei der Deutung der beanstandeten Äußerung jedoch nicht unterlaufen. Beide Gerichte entnehmen ihr die Behauptung, die Beklagten hätten Spenden an die Scientology-Church geleistet. Der Einwand der Beschwerdeführer zu I), die "Kriegskasse" werde von der wirtschaftliche Belange verfolgenden Organisation "WISE" geführt, findet in den von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen keine Stütze, schlöße diese Deutung im übrigen aber auch nicht aus. In dem beanstandeten Artikel ist undifferenziert von der "'Kriegskasse' der Scientology" die Rede. Bei dem Leser, auf dessen Sicht abzustellen ist und der in der Regel die organisatorischen Einzelheiten der Scientology-Bewegung nicht kennt, wird damit der Eindruck erweckt, die Beklagten hätten an die als Scientology-Church bekannte Organisation gespendet.

Ebenso wenig begegnet die Deutung Bedenken, die Beklagte zu 2) sei Scientologin. Die Gerichte sehen durchaus, daß diese Behauptung nicht ausdrücklich aufgestellt worden ist, berufen sich für ihr Verständnis aber auf den Kontext, der den gezogenen Schluß nahelegt, wenn nicht sogar aufdrängt.

   b) Bei der Anwendung von § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB als maßgeblicher Anspruchsgrundlage sind die Ausstrahlungswirkung der Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und der Persönlichkeitsschutz andererseits zu berücksichtigen. Für den Schutz der Persönlichkeitssphäre des Einzelnen können sich aus dem entgegenstehenden Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Einschränkungen ergeben. Insoweit ist durch Güterabwägung unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob die Einwirkung auf die Persönlichkeitssphäre nach Art und Reichweite durch das von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (vgl. BVerfGE 35, 202 [220 f.]).

Soweit Äußerungen die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung des Betroffenen zum Gegenstand haben, kommt neben oder statt Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG Art. 4 Abs. 1 GG als Grundlage des Persönlichkeitsschutzes in Betracht. An der Notwendigkeit einer Abwägung ändert das jedoch nichts. Art. 4 Abs. 1 GG steht zwar nicht unter Gesetzesvorbehalt, unterliegt aber immanenten Schranken in Gestalt kollidierender Grundrechte.

   c) Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe läßt sich eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht feststellen.

   aa) Der Konflikt zwischen dem Äußerungsinteresse der Beschwerdeführer und dem Interesse der Beklagten zu 2), daß ihre Person betreffende Angaben nicht publiziert werden, ist in den angegriffenen Entscheidungen erkannt. Sie haben auch beachtet, daß diese Konfliktlage eine Abwägung erforderlich macht, bei der das von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Publikationsinteresse einerseits und die Belange des Persönlichkeitsschutzes andererseits in die Waagschale fallen.

   bb) Die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Belange haben die Gerichte nicht zu Lasten der Beschwerdeführer unzureichend erfaßt oder in ihrer Bedeutung verkannt. Aus dem Umstand, daß die Scientology-Bewegung in der Öffentlichkeit umstritten ist, schließen das Landgericht und - ihm folgend - das Kammergericht auf ein Interesse der Allgemeinheit, darüber informiert zu werden, welche Pläne die Mitglieder der Gruppierung haben und wie sie bei deren Verwirklichung vorgehen. Das spezielle Informationsinteresse im Zusammenhang mit den Erwerbsbemühungen des Beklagten zu 1) haben die Gerichte ebenfalls berücksichtigt. Schließlich haben sie auch ein generelles Interesse der Öffentlichkeit bejaht zu erfahren, von wem und in welcher Höhe Spenden an die Scientology-Organisation geflossen sind.

   cc) Auf der anderen Seite haben sie das Interesse der Beklagten zu 2) berücksichtigt, einen Eingriff in die ihrer Privatsphäre zugerechnete negative Bekenntnisfreiheit abzuwehren. Diese Sicht ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn es sich bei Scientology um eine Religion oder Weltanschauung handelt. Der Beschwerdeführer zu II) rügt indes, beide Gerichte hätten nicht geklärt, ob dies tatsächlich zutreffe. Die Frage ist in der Tat offen geblieben; das Landgericht stellt ausdrücklich nur auf das Selbstverständnis der Beklagten zu 2) ab. Ob allein dieses Selbstverständnis die Berufung auf Art. 4 Abs.1 GG rechtfertigt, kann indes offenbleiben. Das Landgericht verweist auf die negative Bekenntnisfreiheit nur, um eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung zu begründen und daraus ein abwägungserhebliches Recht auf Schutz vor Indiskretion abzuleiten. Sollte Scientology keinen Religions- oder Weltanschauungscharakter haben, so würde sich daran aber nichts Wesentliches ändern. Denn die Zugehörigkeit zu einer umstrittenen Organisation, der in der Öffentlichkeit verbreitet der Charakter einer unlautere Ziele verfolgenden Sekte beigemessen wird, die aber - wovon Landgericht und Kammergericht ausgehen - nach dem Selbstverständnis der Beklagten zu 2) eine Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft ist, fällt ebenfalls in den gegen beliebige öffentliche Darstellung geschützten Persönlichkeitsbereich. Sofern kein spezielles Grundrecht eingreift, gewährleistet diesen Schutz das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Daß die Gerichte auf Art. 4 Abs. 1 GG abgestellt haben, wäre nur von Bedeutung, wenn sie daraus ein besonderes Gewicht des Persönlichkeitsschutzes abgeleitet hätten. Dies ist aber nicht erkennbar.

Die Gerichte haben die Zugehörigkeit der Beklagten zu 2) zur Scientology-Organisation und ihre Spende der Privatsphäre in Abgrenzung zur sogenannten Sozialsphäre zugerechnet, der sie geringeren Schutz zubilligen.

Diese Zuordnung begegnet keinen Bedenken. Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die jedenfalls nach dem eigenen Verständnis der betroffenen Person weltanschaulich oder religiös geprägt ist, rechnet ebenso wie die finanzielle Unterstützung einer solchen Organisation prinzipiell zur privaten Lebensgestaltung, also zu dem der Öffentlichkeit abgewandten Bereich.

Anders kann es sein, wenn die Person mit ihren Überzeugungen bewußt, etwa in missionarischer Zielsetzung, an die Öffentlichkeit tritt oder diese Überzeugungen in ihrem Verhalten gegenüber anderen betätigt. Die Beklagte zu 2) hat demgegenüber ihre Zugehörigkeit zur Scientology-Organisation und ihre Spende nicht durch eigenes Verhalten zurechenbar in einen die Privatsphäre überschreitenden Rahmen gerückt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sie nicht bewußt die Öffentlichkeit gesucht, da sie jedenfalls nicht wußte, daß die Mitgliederzeitschrift "Impact" über den Kreis der Scientologen hinaus verbreitet wurde. Für das Kammergericht stellte sich die Sachlage - wie seine Verweisung auf das landgerichtliche Urteil zeigt - ebenso dar.

Die Beschwerdeführer zu I) wenden freilich ein, spätestens seit November 1992 sei der Beklagten zu 2) aufgrund entsprechenden Sachvortrags im Ausgangsverfahren bekannt gewesen, daß die in den Ausgaben der Zeitschrift "Impact" abgedruckte Spenderliste über den Kreis der Scientologen hinaus auch anderen interessierten Personen zugänglich sei; dennoch habe sie die erneute Publikation in der Impact-Ausgabe vom Juli 1993 nicht verhindert. Diesem Einwand braucht hier aber nicht nachgegangen zu werden. Aus ihm folgte nämlich nicht, daß das Kammergericht den Schluß hätte ziehen müssen, die Beklagten hätten nunmehr ihr Bekenntnis zur Scientology der Öffentlichkeit bewußt preisgegeben oder die Preisgabe doch in Kauf genommen. Zum einen ist nicht erkennbar, daß sie den von ihnen bestrittenen Behauptungen der Beschwerdeführer über die bestimmungsgemässe Verbreitung der Zeitschrift "Impact" über den Kreis der Scientologen hinaus Glauben schenkten. Zum anderen haben sie nach ihren nicht erkennbar bestrittenen Angaben im Berufungsverfahren in dessen weiterem Verlauf wirksame Schritte unternommen, um eine erneute Veröffentlichung ihrer Namen in der Spenderliste zu verhindern.

   dd) Auch die Argumentation, mit der die Gerichte den rechtlich geschützten Belangen der Beklagten zu 2) den Vorrang vor dem Äußerungsinteresse der Beschwerdeführer einräumen, hält grundrechtlicher Überprüfung stand: Landgericht und Kammergericht stellen für die Abwägung maßgeblich darauf ab, ob der Betroffene eine Person der Zeitgeschichte ist. Dieser Ansatz ist nicht zu beanstanden, falls schon bei der Ausfüllung des aus § 23 Abs. 1 KUG entlehnten Begriffs dem öffentlichen Informationsinteresse Rechnung getragen wird.

Dem entspricht es, wenn das Landgericht als Person der Zeitgeschichte eine solche Person versteht, die ständig oder vorübergehend im Blickpunkt zumindest eines Teils der Öffentlichkeit steht. Die Erwägungen, mit denen es die Eigenschaft der Beklagten als einer (relativen) Person der Zeitgeschichte verneint hat, verkennen nicht grundsätzlich die Bedeutung und Tragweite der Meinungsäußerungsfreiheit. Da die Beklagte zu 2) nach den gerichtlichen Feststellungen mit ihrer scientologischen Überzeugung und der Spende nicht an die Öffentlichkeit getreten ist und sich an den unternehmerischen Aktivitäten des Beklagten zu 1) nicht beteiligt hat, könnte allein die Ehe mit dem Beklagten zu 1) sie unter dem Aspekt der Spendenhöhe in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken. Das Landgericht hat sich mit dieser Frage zwar nur sehr knapp beschäftigt, indem es darauf hinweist, daß im Regelfall Angehörige von Personen der Zeitgeschichte nicht selbst zu solchen würden. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung, besondere Umstände lägen im Fall der Beklagten zu 2) nicht vor, ist aber vertretbar; der Umstand, daß neben dem Beklagten zu 1) auch die Beklagte zu 2) einen hohen Betrag an die IAS gespendet hat, stellt im Hinblick auf die Geschäfte des Beklagten zu 1) keinen so wesentlichen Aspekt dar, daß man aufgrund dessen die Beklagte zu 2) zwingend ebenfalls im Blickpunkt der Öffentlichkeit sehen müßte. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil die Berichterstattung über den Beklagten zu 1) und seine Verbundenheit mit der Scientology-Organisation durch den Verzicht auf die Erwähnung der Beklagten zu 2) nicht wesentlich behindert wird. Aus der Spenderliste in der Zeitschrift "Impact" ließ sich die Größenordnung der von ihm geleisteten Spenden gesondert entnehmen. Die Presseinformation des Beschwerdeführers zu II), auf die sich die Beschwerdeführerin zu I) stützte, gab diese Information entsprechend weiter.

   2. Die angegriffenen Urteile verletzen nicht die Bekenntnisfreiheit des Beschwerdeführers zu II). Unabhängig davon, ob der Unterlassungsausspruch überhaupt den Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 GG berührt, kann für die Abwägung nicht wesentlich ins Gewicht fallen, daß die Äußerung des Beschwerdeführers zu II) religiös motiviert ist.

   3. Schließlich ist auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG durch das Berufungsurteil feststellbar. Daß das Kammergericht das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers zu II) zu Art. 5 Abs. 1 GG unerwähnt gelassen hat, läßt angesichts der Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil, das die grundrechtliche Konfliktlage unter dem Blickwinkel von Art. 5 Abs. 1 GG bereits eingehend gewürdigt hatte, nicht den Schluß auf fehlende Kenntnisnahme oder Berücksichtigung zu; es kann vielmehr so verstanden werden, daß das Kammergericht die betreffenden verfassungsrechtlichen Erwägungen des Beschwerdeführers zu II) nicht für stichhaltig hielt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.