NJW 1987, 3141
Gericht: LG Düsseldorf
Datum: 08.07.1987
Az: 25 T 234/87
NK: Art. 4 GG; §§ 134, 138 BGB
Fundstelle: NJW 1987 49, 3141
Rechtszug: nachfolgend OLG Düsseldorf, 02.03.1988 - 3 Wx 290/87


Titelzeile:

GG Art. 4; BGB §§ 134, 138

Ordnet die Erblasserin in einem Testament zugunsten ihrer drei Töchter zu Lasten einer Tochter Testamentsvollstreckung an, solange diese Tochter der Scientology-Church oder einer anderen religiösen, pseudoreligiösen oder wissenschaftlichen Sekte angehört, so ist diese Anordnung der Testamentsvollstreckung sittenwidrig und daher nichtig. (Leitsatz der [NJW-] Redaktion)

LG Düsseldorf, Beschl. v. 8.7.1987 - 25 T 234/87

Zum Sachverhalt

Die Bet. zu 1 bis 3 sind Schwestern. Die Verstorbene, die Mutter der Bet. hat ein privatschriftliches Testament hinterlassen. In diesem hat die Verstorbene folgende Testamentsvollstreckung angeordnet. Dort heißt es u.a.: "Zu den besonderen Aufgaben des Testamentsvollstreckers gehört es, die Beteiligung meiner Tochter E am Nachlaß und alle ihr aus dem Nachlaß zustehenden Vermögenswerte zu verwalten, solange E einer religiösen, pseudoreligiösen oder wissenschaftlichen Sekte angehört oder einer solchen ihren Interessen und Zielen eng verbunden ist und nicht mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, daß sie die ihr aus meinem Nachlaß zustehenden Vermögenswerte einer solchen Sekte durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen zuwendet. Die Beteiligung meiner Tochter E am Nachlaß soll in erster Linie dazu verwandt werden, ihr und ihrer Familie einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Im übrigen soll sie meiner Tochter für die Zeit erhalten bleiben, nachdem sie sich von jeder Sekte im obigen Sinne äußerlich und innerlich gelöst hat."

Auf Antrag der Bet. zu zu 2 und 3 hat das AG den Bet. zu 2 und 3 ein Testamentsvollstreckungszeugnis erteilt. Gegen die Erteilung hat die Bet. zu 1 Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist unwirksam. Diese ist nichtig. §§ 134, 138 BGB, denn sie verstößt gegen die guten Sitten. Der Zweck der Anordnung der Testamentsvollstreckung geht dahin, durch einen materiellen Vorteil den Entschluß der Bet. zu 1 in einer bestimmten Richtung zu beeinflussen.

Es kann hier dahinstehen, ob die Scientology-Church, der die Bet. zu 1 nahe steht, eine Religionsgemeinschaft im herkömmlichen Sinne darstellt. Jedenfalls hat die Erblasserin durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung die in Art. 4 I GG geschützte Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des Bekenntnisses der Bet. zu 1 versucht zu beeinflussen. Denn sie hat durch die weitere Anordnung, die Testamentsvollstreckung ende, wenn die Bet. zu 1 sich von der Scientology-Church oder einer ähnlichen Sekte lossage, u.a. zu erkennen gegeben, daß sie diese durch Gewährung eines "Vermögensvorteils" zu einem Verhalten veranlassen wollte, welches durch die Gewährung solcher Vorteile nicht erreicht werden darf (vgl. RG, SeuffArch 69, Nr. 48; BayObLG, SeuffArch 50, Nr. 97; OLG Rostock, SeuffArch 49, Nr. 4; Brox, ErbR, 9. Aufl., Rdnr. 258; Langer-Kuchinke, ErbR, 2. Aufl., S. 507-508; Lübtow, ErbR, 348-349). Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, daß die Erblasserin durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht nur die zum Nachlaß gehörende Firma erhalten und der Bet. zu 1 den Anteil am Nachlaß sichern wollte, sondern daß die Erblasserin auch einen Ablöseprozeß von der Scientology-Church seitens der Bet. zu 1 herbeiführen wollte. Zwar hat der Zeuge W bekundet, daß es das Anliegen der Erblasserin gewesen sei, die Firma wirtschaftlich zu erhalten und auch ihrer Tochter am Nachlaß wirtschaftlich zu erhalten; die Anordnung der Testamentsvollstreckung habe keinesfalls als Gängelung der Bet. zu 1 verstanden werden sollen. Berücksichtigt man aber, daß die Erblasserin kurze Zeit vor Errichtung der letztwilligen Verfügung, nämlich mit Schreiben vom 23.5.1981, der Bet. zu 1 mitgeteilt habe, sie werde das mit der Bet. zu 1 bestehende Arbeitsverhältnis kündigen, wenn diese nicht von der Sekte loskomme und glaube, dort leben zu müssen, so läßt das schon den Schluß zu, die 13 Tage später angeordnete Testamentsvollstreckung solle eine Ablösung von der Scientology-Church herbeiführen bzw. beschleunigen. Auch die kurze Zeit später nach der Errichtung der letztwilligen Verfügung von der Erblasserin an die Bet. zu 1 gerichteten Schreiben vom 10.6. und vom 8.7.1981 weisen darauf hin, daß die Lösung von der Scientology-Church von der Erblasserin bezweckt worden ist. Dies erhellt insbesondere daraus, daß sie der Bet. zu 1 eine Frist zum Nachweis eines Austritts bis zum 31.8.1981 gesetzt hat. Obwohl diese Schreiben lediglich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses von dem Berhalten der Bet. zu 1 abhängig machen, lassen sie auch Rückschlüsse auf den Grund für die Anordnung der Testamentsvollstreckung zu.

Die Nichtigkeit betrifft nicht nur die Verwaltungs- sondern auch die Auseinandersetzungstestamentsvollstreckung. Denn der Zeuge W hat bekundet, daß auch die Auseinandersetzungstestamentsvollstreckung wegen der "Sektenangehörigkeit" der Bet. zu 1 angeordnet worden ist.

(Mitgeteilt von Rechtsanwalt W. Blümel, München)