Landesarbeitsgericht Berlin

Verkündet
am 11. Juni 1997

GeschZ. (bitte immer angeben)
13 Sa 19/97
65 Ca 39176/95

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

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Beklagten und Berufungsklägers,

Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Etzel & Burmester,
Grindelhof 62, 20146 Hamburg,

gegen

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Klägerin und Berufungsbeklagte, Prozeßbevollmächtigte:
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hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 1997
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht
A l e x a n d e r
als Vorsitzenden
sowie die ehrenamtlichen Richter     Schramm und Leidig
für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Oktober 1996 - 65 Ca 39176/95 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Alexander         Schramm         Leidig

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer mit Schreiben des Beklagten vom 14. Dezember 1995 ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise zum 31. Januar 1996 erklärten fristgemäßen Kündigung.

Die am 10. September 1959 geborene Klägerin ist Psychologin. Sie stand aufgrund schriftlichen, bis zum 30. April 1996 befristeten Arbeitsvertrages (Bl. 4/5 R. d.A.) seit dem 1. Mai 1995 als Mitarbeiterin für psychologische Beratung gegen eine Bruttovergütung von zuletzt 3.228,92 DM monatlich in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten, nachdem sie seit etwa 1 1/2 Jahren Arbeitnehmerin des Club Dialog e.V., einem Mitglied des Beklagten, war.

Nach § 4 des Arbeitsvertrags bestanden die vorrangigen Aufgaben der Klägerin in der psychologischen Betreuungs- und Beratungsarbeit in russischer Sprache, der individuellen psychologischen Beratung, der Betreuung von Familien, Alleinstehenden, Kindern und Jugendlichen in akuten Krisensituationen und in der Zusammenarbeit mit Ärzten und Psychiatern. Darüber hinaus hatte die Klägerin cooperativ im Projektteam mitzuwirken und je nach Arbeitssituation, entsprechend Vorbildung, Qualifikation und Fähigkeit auch andere zumutbare Aufgaben zu übernehmen. Weitere Beschäftigungsverhältnisse und Nebenbeschäftigungen waren dem Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Nach § 9 des Vertrages war die Klägerin verpflichtet, ihre Arbeitskraft ungeteilt der Tätigkeit im Projekt, dem Anliegen und den Aufgaben des Beklagten sowie des Club Dialog e.V. zu widmen und deren Interessen in jeder Hinsicht zu wahren sowie zu fördern. Sie hatte über Projekt-, Verbands- und Vereinsangelegenheiten, über Vorgänge und Fakten, die ihr im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten, gegenüber Außenstehenden jederzeit Verschwiegenheit zu bewahren.

Der Club Dialog ist ein gemeinnütziger Verein, der sich mit der Betreuung russisch sprechender Berliner befaßt. Er kümmert sich u.a. um Rußland-Deutsche und jüdische Immigranten. Insgesamt gibt es ungefähr 50.000 russisch sprechende Berliner, die als zu betreuende Personen in Frage kommen. Der vorgenannte Club ist gleichzeitig Selbsthilfeorganisation und Interessenvertretung für diese Menschen. Er berät sie in allen sozialen Bereichen und führt kulturelle Veranstaltungen durch. Innerhalb des Clubs Dialog gibt es ein Projekt mit der speziellen Aufgabenstellung der Betreuung russisch sprechender Jugendlicher, ein multikulturelles Jugend- und Kommunikationszentrum, genannt "Die Scheune". Das Projekt wird im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes finanziert. Die Finanzierung der Aufgaben des vorgenannten Vereins erfolgt teilweise auch durch das B¨ro der Ausländerbeauftragten. Die Klägerin war auch in diesem Kommunikationszentrum tätig.

Die Klägerin hatte 1995 enge Verbindungen zu einer Berliner Organisation der Scientology-Bewegung, die nach den Feststellungen u.a. des Bundesarbeitsgerichts in dem Urteil vom 22. März 1995 - 5 AZB 21/94 - (Bl. 70 bis 125 d.A.) eine Institution zur Vermarktung bestimmter Erzeugnisse ist, wobei die religiösen oder weltanschaulichen Lehren als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele dienten. Dianetik ist dabei das theoretische Gedankengebäude der Scientologen. Hierbei handelt es sich um ein vom Gründer dieser Bewegung L. Ron Hubbard (LRH) geschaffenes Kunstwort. Die verschiedenen Scientology-Organisationen führen "Dianetik-Seminare" und "-Heimkurse" durch. Scientology-Bewegung und ihre Organisationen sind in der Bundesrepublik Deutschland überaus zweifelhaft und umstritten. Die ständige Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der Länder und des Bundes stellte am 6. Mai 1994 entsprechend einer Pressemitteilung Nr. 19/94 (Bl. 58 d.A.) fest, die Scientology-Organisation stelle sich gegenwärtig den für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zuständigen Behörden der Inneren Verwaltung als eine Organisation dar, die unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft Elemente der Wirtschaftskriminalität und des Psychoterrors gegenüber ihren Mitgliedern mit wirtschaftlichen Betätigungen und sektiererischen Einschlägen vereine, der Schwerpunkt der Aktivitäten scheine im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu liegen, deshalb sollten staatliche Abwehrmaßnahmen zunächst in diesem Bereich fortgesetzt werden. Diese Organisation wird in der Bundesrepublik Deutschland nunmehr vom Verfassungsschutz in Bund und Ländern beobachtet, da deren Ziel die Herrschaft in einzelnen Staaten, am Ende der ganzen Welt, sei (vgl. Bericht der Berliner Morgenpost vom 7. Juni 1997, Seite 3).

Wer die Scientology-Organisation verlassen will, wird erheblich unter Druck gesetzt, wie u.a. den Entscheidungsgründen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts zu entnehmen ist. So hat auch die Klägerin anläßlich einer Veranstaltung des Kreisverbandes Steglitz der CDU und der Jungen Union Steglitz vom 11. Oktober 1996 (Bl. 285 d.A.) die Interna dieser Organisation, die Umstände und den psychischen Druck, dem sie bei ihrem Ausstieg aus "Scientology" ausgesetzt gewesen sei, geschildert. Sie hat dabei insbesondere jungen Zuhörern gegenüber "deutlich die Gefahr dieser Organisation und einer Mitgliedschaft bei Scientology" zum Ausdruck gebracht.

Im Juli 1995 kam es nach Angaben des Beklagten zu Problemen mit der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsaufnahme und ihren Dienstleistungen. Sie hatte nach ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 1996 vor dem Arbeitsgericht zu jener Zeit "private Schwierigkeiten". Am 4. August 1995 fand deshalb ein Gespräch, an dem die Geschäftsführerin des Beklagten, T. F., der Projektmitarbeiter J. H. und die Klägerin teilnahmen.

Am 17. November 1995 erschien die Klägerin, die zu dieser Zeit arbeitsunfähig krank geschrieben war, in den Projekträumen. Die dort tätigen Hauptmitarbeiter befanden sich an diesem Tage in Dresden. Sie fertigte gegen 13.00 Uhr auf dem Computer der Einrichtung die Übersetzung eines Textes vom Deutschen ins Russische. Da sie mit der Formatierung und der Vervielfältigung nicht zurechtkam, bat sie die anwesenden Mitarbeiter, U. B. und C. T., um Unterstützung. Herr B. half ihr hinsichtlich der Formatierung. Die beiden Dateien, die sich nach wie vor auf dem Computer befinden, tragen den Namen Dia2.doc und Dian.doc. Die Dateien wurden um 12.25 Uhr und 12.41 Uhr am 17. November 1995 abgespeichert. Hierbei handelte es sich um Einladungen zu einem Dianetik-Workshop der Scientologen. In der Zeit vom 20. bis zum 27. November 1995 wurden die Einladungen in dem Projekt des Beklagten verteilt. Die Klägerin bestreitet, diese Einladungen den Jugendlichen des Projektes "Die Scheune" ausgehändigt zu haben. Verschiedene Jugendliche erklärten gegenüber den verantwortlichen Mitarbeitern, T. F., C. H. und I. S., sie seien von der Klägerin persönlich zu dieser Veranstaltung eingeladen worden. Die Klägerin hatte seit August 1995 einmal pro Woche das Dianetik-Zentrum besucht. Am 24. November 1995 stellte sich bei der Geschäftsführerin F. ein Herr G. vor, der erklärte, für das Dianetik-Zentrum zu kommen. Frau F. lehnte seinen Wunsch, Einladungen auf den Info-Tischen auslegen zu dürfen, ab. Zu dieser Zeit wußte Frau F. nicht, daß die Einladungen von einer Mitarbeiterin des Projekts, der Klägerin, gefertigt worden und personelle und sachliche Mittel des Projekts eingesetzt worden waren. Die am folgenden Tage auf dem Info-Tisch des Vereins ausgelegten Einladungen entfernte sie. Sie fand am darauffolgenden Montag auf einem weiteren Info-Tisch im Eingangsbereich des Hauses weitere Einladungen.

Am Montag, den 4. Dezember 1995, fand deshalb eine Team-Sitzung des Beklagten statt, an dem die Klägerin teilnahm. Inhalt des Gesprächs mit ihr war die Gefährlichkeit der Scientology-Organisation. Die Klägerin behauptete, weder Scientology noch deren Verbindung zum Dianetik-Zentrum zu kennen. Daraufhin erhielt sie Informationsmaterial über diese Organisation. Ihr wurde klargemacht, daß die Tätigkeit für das Dianetik-Zentrum nicht toleriert werden würde. Am Abend desselben Tages verneinte die Klägerin wahrheitswidrig die ihr von Frau F. gestellte Frage, ob sie Herrn Glaser kennen würde. In der Zeit vom 5. bis zum 8. Dezember 1995 behauptete die Klägerin gegenüber Jugendlichen des Projekts, sie habe sich nunmehr über Dianetik informiert, dieses sei nicht gefährlich, die Jugendlichen könnten ruhig dort hingehen. Die Leitung der Beklagten terminierte daraufhin ein sog. Abmahngespräch auf Montag, den 11. Dezember 1995.

In dem Dianetik-Seminar vom 9. Dezember 1995, das in der Zeit von 10.00 bis 18.00 Uhr stattfand, wurde die Klägerin von der Seminar-Leitung im Dianetik-Zentrum als Betreuerin der russischen Gruppe vorgestellt. Die russischen Teilnehmer wurden im Dianetik-Zentrum zu einer Video-Vorführung am 10. Dezember 1995 eingeladen. Danach wurde von den Mitarbeitern des Dianetik-Zentrums den russisch sprechenden Teilnehmern vorgeschlagen, sich im Bedarfsfalle mit einer russischen Auditorin in Verbindung zu setzen, die meistens Dienstagvormittag oder wochentags abends dort anwesend sei. Gemeit war die Klägerin. Gegen 18.00 Uhr des 11. Dezember 1995 erfuhren der Projektleiter und die Geschäftsführerin F. von diesen Vorgängen. Frau F. schickte am darauffolgenden Dienstag, dem 12. Dezember 1995, einen Zeugen zum Dianetik-Zentrum in Berlin-Neukölln, der die Klägerin antraf, die ihm erklärte, sie halte schon seit fast einem Jahr im Dianetik-Zentrum Sprechstunden ab, sie sei Auditorin und führe dort Gesprächstherapien durch. Zum Schluß überreichte sie eine Visitenkarte mit der Arbeitsadresse des Jugendprojektes "Die Scheune", verbunden mit dem Hinweis, er möge sie lieber privat anrufen.

Der Beklagte sprach nunmehr mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 (Bl. 6 d.A.) die außerordentliche, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat sich die Klägerin gegen die Kündigungen gewandt, die sie für unwirksam gehalten hat.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis weder durch die mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 ausgesprochene außerordentliche noch durch die mit demselben Schreiben ausgesprochene vorsorgliche ordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich zur Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigungen auf die Tätigkeit der Klägerin für die Scientologen, die zu einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens geführt habe, berufen, und darauf hingewiesen, die Klägerin sei in einem sehr sensiblen Bereich tätig gewesen, was mit einer Tätigkeit für Scientology unvereinbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Anlagen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat durch Urteil vom 31. Oktober 1996 - 65 Ca 39.176/95 - der Klage stattgegeben und den Wert des Streitgegenstandes auf 9.686,76 DM festgesetzt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Beklagte hat gegen das am 21. Januar 1997 zugestellte Urteil am 20. Februar 1997 Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 4. April 1997 mit an diesem Tage beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für unzutreffend und trägt vor: Er habe überhaupt keine andere Wahl gehabt, als der Klägerin zu kündigen. Deren Aufgabe sei die psychologische Beratung gewesen. Da sie sich in einem derart sensiblen Bereich nicht an die unmittelbaren Weisungen gehalten habe, sei ihm keine andere Wahl geblieben, als das Arbeitsverhältnis zu beenden. Eine anderweitige Einsatzmöglichkeit sei nicht gegeben gewesen. Die Klägerin sei aktiv für die Ziele der Scientology eingetreten und habe dafür sowohl seine (des Beklagten) personellen sowie sachlichen Mittel eingesetzt. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch, daß die Klägerin bei den von ihm betreuten Jugendlichen für die Scientology-Bewegung Werbung gemacht und dieses Verhalten trotz Abmahnung nicht unterlassen habe. Bereits dadurch, daß die Klägerin die Jugendlichen in ihrem Entschluß bestärkt habe, die Dianetik-Veranstaltung zu besuchen, sei es zu einer krassen Störung des Vertrauensverhältnisses gekommen. Eine betroffene Jugendliche soll zwischenzeitlich festes Mitglied der Scientology sein.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Oktober 1996 - 65 Ca 39.176/95 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt vor: Sie habe ohne weiteres eingestanden, dem Zeugen G. bei der Herstellung eines Einladungstextes in der Übersetzung behilflich gewesen zu sein. Nach wie vor sei jedoch richtig, daß sie weder die Verteilung der Einladungen besorgt gehabt habe noch dafür verantwortlich gewesen sei. Im Gegenteil, sie habe sich geweigert, bei der Verteilung in irgendeiner Hinsicht mitzuwirken. Sie habe auch nicht Jugendliche oder sonstige ihr anvertraute Personen mündlich zu Veranstaltungen oder Dianetik-Seminaren eingeladen. Sie habe keine aktiven Tätigkeiten für die Scientology-Vereinigung geführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie hat auch Erfolg.

Die Klage ist entgegen der Ansicht der Erstinstanz unbegründet. Die mit Schreiben des Beklagten vom 14. Dezember 1995 ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB wirksam. Danach kann ein Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Die Voraussetzunge der vorgenannten Bestimmung sind gegeben. Dem Beklagten war es unter den vorliegenden Umständen nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis der Klägerin bis zum Ablauf der unter § 10 des Arbeitsvertrages vereinbarten Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Ende eines Kalendermonats fortzusetzen.

Die Klägerin hat durch ihr gesamtes Verhalten schwerwiegend gegen die obliegenden dienstvertraglichen Pflichten verstoßen. Dabei kann unentschieden bleiben, ob bereits die Mitgliedschaft in der Scientology-Organisation allein ausreicht, um eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Hierbei ist nämlich schon die ausgeübte Tätigkeit der Klägerin und ihr Aufgabenbereich besonders zu berücksichtigen, der vorrangig in der psychologischen Betreuungs- und Beratungsarbeit in russischer Sprache, der individuellen psychologischen Beratung, Betreuung von Familien, Alleinstehenden, Kindern und Jugendlichen in akuten Krisensituationen bestand. Sie hatte mit abhängigen Personen zu tun, die ihr anvertraut waren. Daß diese in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihr standen und leicht zu beeinflussen waren, liegt auf der Hand. Daher kann schon die Gefahr der einseitigen Beeinflussung mit den Ideen der "Scientology" einen wichtigen Grund darstellen, um ein derartiges Dienstverhältnis zu beenden. Denn eine Institution, wie der von Drittmitteln abhängige Beklagte, muß genauestens darauf bedacht sein, daß die von ihm betreuten ausländischen Personen objektiv wertneutral ohne jede einseitige Beeinflussung im Sinne der Aufgabenstellung betreut werden. Dazu muß der Beklagte seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein besonderes Vertrauen entgegenbringen können, daß seine Angestellten im Rahmen ihrer Aufgabenstellung nicht dagegen verstoßen. Ein derartiges Vertrauen konnte der Beklagte der Klägerin schon wegen ihrer Zugehörigkeit zu der Scientology-Bewegung nicht haben. Zielsetzung und Methoden dieser Organisation werden in der breiten Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland als menschenverachtend und kriminell angesehen. Sie steht in dem Verdacht, nicht nur "harten Zugriff" auf den Geist ihrer Anhänger, sondern auch auf Staat und Gesellschaft zu versuchen, und zwar durch Einflußnahme in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen. Daher kann schon die Zugehörigkeit zu einer derartigen Organisation für den Beklagten mit seiner Zielsetzung der Ausländerbetreuung als ein wichtiger Grund zur sofortigen Vertragsbeendigung angesehen werden.

Vorliegend kommt jedoch erschwerend hinzu, daß die Klägerin nicht nur Anhängerin der Scientology-Bewegung war. Sie ist auch aktiv für diese Organisation tätig geworden, und zwar auch utner Ausnutzung ihrer Tätigkeit bei dem Beklagten. Daran kann vorliegend kein Zweifel bestehen.

Die Klägerin hat Einladungen für den Dianetik-Workshop der Scientology in dem Betrieb des Beklagten dienstpflichtswidrig fertigen lassen, die auch an Jugendliche des Projektes "Die Scheune" verteilt worden sind. Dabei kann auch nicht berücksichtigt bleiben, daß sie diese Tätigkeit während einer Zeit entfaltet hat, während der sie arbeitsunfähig krank geschrieben war und während der die Hauptmitarbeiter des Projektes abwesend waren. Dies läßt einmal den Schluß zu, daß die Klägerin tatsächlich nicht arbeitsunfähig krank war und sie genau wußte, daß das Fertigen der Einladungen von der Leitung des Projektes nicht genehmigt worden wäre. Unerheblich ist auch, ob die Klägerin diese Einladungen selbst verteilt hat. Denn sie wußte, wofür diese gefertigt wurden, daß sie in dem Projekt des Beklagten ausgelegt werden sollten, zumal sie von dem Mitglied des Dianetik-Zentrums der Scientology, A. G., den Übersetzungsauftrag erhalten hatte. Sie muß daher auch gewußt haben, wer diese Einladungen in dem betrieblichen Bereich des Clubs Dialog verteilen würde und verteilt hat, um die jugendlichen Personen des Projektes werbend für die Scientology-Bewegung zu erreichen. Zielsetzung und Gefährlichkeit dieser Bewegung gerade für Jugendliche waren ihr bekannt, wie u.a. ihre Ausführungen anläßlich der CDU-Veranstaltung zeigen und auch aus dem von ihr eigereichten Schreiben der Frau P. (Bl. 201 d.A.) hervorgeht. Der Beklagte hat ihr dann in einem Gespräch vom 4. Dezember 1995 die Gefährlichkeit der Scientology-Organisation nochmals vor Augen geführt, wobei sie leugnete, Scientology oder deren Verbindung zum Dianetik-Zentrum zu kennen. Sie erhielt dann Informationsmaterial über Scientology und wurde darauf hingewiesen, daß der Beklagte die Tätigkeit für das Dianetik-Zentrum nicht tolerieren werde. Sie nahm dann am 9. Dezember 1995 an dem Dianetik-Seminar teil und wurde von der Seminarleitung als Betreuerin der russischen Gruppe vorgestellt. Später wurde den russisch sprechenden Teilnehmern vorgeschlagen, sich im Bedarfsfalle mit einer russischen Auditorin in Verbindung zu setzen, wobei die Klägerin gemeint war. Einer von der Geschäftsführerin F. entsandten Person erklärte die Klägerin im Dianetik-Zentrum, daß sie schon seit fast einem Jahr dort Sprechstunden abhalte und sie Auditorin sei, dort Gesprächstherapien durchführe, wobei sie dieser Person zum Abschluß eine Visitenkarte mit der Arbeitsadresse des Jugendprojektes "Die Scheune", verbunden mit dem Hinweis, der Betreffende solle sie lieber privat anrufen, überreichte.

Wenn der Beklagt, nachdem er von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit sofortiger Wirkung beendete, so bestehen gegen die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung keinerlei Bedenken. Hier kann auch eine stets gebotene Interessenabwägung nicht zur Unwirksamkeit der fristlosen Entlassung führen.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 ausgesprochene außerordentliche Kündigung beendet worden. Die Kammer ist demgemäß auf die Wirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen ordentlichen, fristgemäßen Kündigung nicht eingegangen.

Die erstinstanzliche Entscheidung erweist sich als unzutreffend. Auf die Berufung des Beklagten war das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO.

Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung ist einerseits am Einzelfall orientiert und hält sich andererseits im Rahmen anerkannter Grundsätze des Arbeitsrechts.

gez. Alexander         gez. Schramm         gez. Leidig