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Transhumanismus - FAQ
(Fragen und Antworten)

Nick Bostrom et al. [siehe Anhang]
Version vom 13. Mai 1999
 
Inhalt
Grundlegende Fragen zum Transhumanismus
Transhumanistische Technologien und Zukunftsszenarien
Politik und Gesellschaft
Transhumanismus und Natur
Transhumanismus als philosophischer und kultureller Standpunkt
Praxis und Realisierbarkeit im Transhumanismus
[ANMERKUNG: Dieses Dokument ist die Übersetzung der englischsprachigen "Transhumanist FAQ". Diese können Sie sowohl kommentieren, als auch die Anmerkungen anderer lesen, indem Sie sie über CritLink betrachten: http://crit.org/http://www.transhumanist.org. Dadurch könnte sich die Downloadzeit verlängern. Verweise in diesem Dokument führen alle zu englischsprachigen Seiten bzw. Büchern.] 
 
 

Grundlegende Fragen zum Transhumanismus

Was ist Transhumanismus?

Transhumanismus steht für einen gänzlich neuen Ansatz zukunftsorientierten Denkens, der auf der Annahme basiert, dass die menschliche Spezies nicht das Ende unserer Evolution darstellt, sondern vielmehr ihren Anfang. Formell wird der Transhumanismus wie folgt definiert:
  1. Das Studium der Implikationen, Versprechen und potentiellen Gefahren, die von der Anwendung von Wissenschaft, Technologie, Kreativität sowie von anderen Mitteln zur Überwindung grundlegender menschlicher Grenzen ausgehen.
  2. Die geistige und kulturelle Bewegung, die eine fundamentale Veränderung der Bedingungen menschlichen Daseins für möglich und wünschenswert hält, insbesondere durch den vernünftigen Einsatz von Technologien, um den Alterungsprozess aufzuhalten und die intellektuellen, physischen und psychischen Kapazitäten des Menschen tiefgreifend zu erweitern.
Transhumanismus kann als eine Fortentwicklung des Humanismus, aus dem er teilweise hervorgegangen ist, bezeichnet werden. Humanisten legen auf den Menschen, auf das Individuum Wert. Wir mögen nicht perfekt sein, können aber etwas verbessern und rationales Denken, Freiheit, Toleranz und Demokratie fördern. Transhumanisten stimmen dem zu, unterstreichen aber auch nachdrücklich, dass wir das Potential besitzen, uns selbst zu etwas weiterzuentwickeln. Wir können rationale Mittel nicht nur einsetzen, um menschliche Lebensumstände und unsere Umwelt positiv zu verändern; wir können sie auch dazu verwenden, um uns selbst, also den menschlichen Organismus, zu verbessern. Und wir sind dabei nicht auf Methoden wie Erziehung, für die der Humanismus gewöhnlich eintritt, beschränkt. Wir können technologische Mittel einsetzen, die uns schließlich befähigen werden, uns über das hinaus zu entwickeln, was die meisten noch als "menschlich" bezeichnen würden.

Transhumanisten sind der Ansicht, dass wir infolge der immer größer werdenden Geschwindigkeit, in der technologische Entwicklungen stattfinden und in der wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden, in einen gänzlich neuen Abschnitt der Menschheitsgeschichte eintreten. In naher Zukunft werden wir der Aussicht auf künstliche Intelligenz gegenüberstehen. Neuartige kognitive Instrumente werden konstruiert werden, die künstliche Intelligenz mit einer neuen Schnittstellentechnologie vereinen. Molekulare Nanotechnologie besitzt das Potential, Ressourcen für alle im Überfluss zu schaffen und uns vollständige Kontrolle über die biochemischen Reaktionen in unserem Körper zu ermöglichen, und wird uns somit erlauben, jegliches Leiden zu beseitigen. Durch die Neugestaltung oder pharmakologische Veränderung unserer Gefühlszentren kann es uns ermöglicht werden, eine größere Emotionsvielfalt sowie ein Leben lang Glückszustände genießen zu können. Was mögliche Kehrseiten dieser Entwicklungen betrifft, so nehmen Transhumanisten ernst, dass einige dieser aufkommenden Technologien es vermögen werden, menschlichem Leben großen Schaden zuzufügen; selbst das Überleben unserer Spezies könnte in Gefahr sein. Auch wenn es sich hierbei um extreme Aussichten handelt, so werden sie doch von einer immer größer werdenden Zahl von Wissenschaftlern und naturwissenschaftlich versierten Philosophen und Soziologen berücksichtigt.

Über die letzten Jahre hinweg hat der Transhumanismus weltweit exponentielles Wachstum erfahren. Zur Zeit existieren zwei internationale transhumanistische Organisationen: das Extropy Institute und die World Transhumanist Association, die beide Online-Magazine herausgeben und Konferenzen organisieren. Es gibt in vielen Ländern lokale transhumanistische Vereine, in den USA findet man in fast jeder größeren Stadt Diskussionsgruppen. Zunehmend werden transhumanistische Inhalte sowohl im Web als auch in Büchern und Zeitschriftenartikeln publiziert, ferner führen Transhumanisten Online-Diskussionen in mehreren öffentlichen Internet-Mailinglists.

Verweise:
Extropy Institute. http://www.extropy.org/

World Transhumanist Association. http://www.transhumanism.com/

Transhumanistische Mailinglists: http://www.transhumanism.com/lists.htm
 

Was sind Transhumane?

"Transhuman" ist eine abkürzende Bezeichnung eines in einem Übergangszustand befindlichen menschlichen Wesens [engl. "transitional human"], eines fühlenden Individuums, das von dem Futuristen FM-2030 zum ersten Mal ausführlich beschrieben wurde als ein möglicher Schritt hin zur Evolution in ein posthumanes Wesen [siehe "Was sind Posthumane?"]. Indem er transhumane Wesen als die "erste Manifestation neuer evolutionärer Geschöpfe" bezeichnet, lässt FM darauf schließen, dass körperliche Erweiterungen durch Implantate, Androgynie, asexuelle Fortpflanzung und eine Identität, die sich auf mehrere physische Wesen verteilt, unter die Merkmale von Transhumanität fallen könnten.

In FMs Originalfassung sind Transhumane weder unbedingt die Zukunftsorientiertesten oder technologisch Fähigsten, noch sind sie sich notwendigerweise ihrer Rolle, eine "Brücke in der Evolution" zu schlagen, bewusst. Als FMs Ideen sich verbreiteten und mehr Menschen begannen, sich als Transhumanisten zu betrachten, nahm das Konzept vom transhumanen Menschen Züge von Selbstidentifikation und Eigeninitiative an, wie in dieser Definition der "Transhuman Terminology SubPage" deutlich wird:

Viele Transhumanisten betrachten sich schon heute als transhuman, weil durch den Gebrauch von Werkzeugen die Fähigkeiten des menschlichen Körpers und Geistes in großen Umfang erweitert worden sind. Der Trend geht in Richtung kontinuierlicher Fortschritte in Entwicklung und Nutzung von globaler Kommunikation, Körpermodifikationen sowie Techniken zur Lebensverlängerung. Jeder Mensch, der aus diesem Trend für sich Nutzen zieht, kann noch zu Lebzeiten transhumanen Status erreichen.

Verweise: 
FM-2030. 1989. Are You a Transhuman? Warner Books, New York.

Transhumanist Lexicon [entspricht der "Transhuman Terminology SubPage"]: http://www.transhumanism.com/lexicon/
 

Was sind Posthumane?

Posthumane sind Fortentwicklungen des Menschen, die in einem solchen Maße weiterentwickelt worden sind, dass man sie nicht länger als Menschen bezeichnen kann. Viele Transhumanisten streben posthumanen Status an.

Ihre mentalen und physischen Fähigkeiten würden, wären Sie posthuman, die eines nicht weiterentwickelten Menschen bei weitem übersteigen. Sie würden jedes menschliche Genie geistig übertreffen, und es würde Ihnen wesentlich leichter fallen sich Dinge zu merken. Ihr Körper wär nicht anfällig für Krankheiten und würde mit zunehmendem Alter nicht verfallen, was ewige Jugend und Vitalität bedeuten würde. Sie könnten weit ausgedehnte Fähigkeiten besitzen, Emotionen zu verspüren und Freude, Liebe sowie Ästhetik zu erfahren. Sie bräuchten keine Müdigkeit oder Langeweile verspüren und sich nicht um Belanglosigkeiten sorgen.

Zu den Mitteln, mit welchen Transhumanisten einen posthumanen Zustand zu erlangen hoffen, gehören die folgenden [was natürlich nicht bedeutet, dass man sich auf diese beschränken muss]: molekulare Nanotechnologie, Gentechnologie, künstliche Intelligenz (manche sind der Ansicht, dass künstliche Intelligenzen die ersten Posthumanen sein werden), stimmungsverändernde Präparate, Anti-Aging-Therapien, neurologische Schnittstellen, hochentwickelte Informationsmanagement-Systeme, Präparate, die die Gedächtnisleistung verstärken, am Körper tragbare Computer ("Wearables"), ökonomische Konzepte (wie "Idea Futures", "Collaborative Information Filtering" etc.) sowie kognitive Techniken. [Detailliertere Erläuterungen, wie all dieses uns posthuman werden lassen könnte, werden in nachfolgenden Abschnitten dieser FAQ gegeben.] Technologische oder gesellschaftliche Errungenschaften, die die ökonomische Effizienz insgesamt verbessern, neigen generell dazu, transhumanistischen Zielsetzungen förderlich zu sein.

Posthumane könnten völlig synthetisch (auf künstlicher Intelligenz basierend) oder das Ergebnis vieler einzelner Weiterentwicklungen biologischer Menschen oder von Transhumanen sein. Einige Posthumane mögen sogar Vorteile darin sehen, sich ihrer Körper zu entledigen und als Informationsmuster in großen, extrem schnellen Computernetzwerken zu leben. Manchmal wird auch gesagt, dass es für uns Menschen unmöglich sei, sich vorzustellen, wie es wäre, posthuman zu sein. Posthumane könnten Aktivitäten nachgehen und Bestrebungen hegen, die zu ergründen wir auch nicht ansatzweise im Stande sind, sowenig wie ein Affe je hoffen könnte, die vielen Facetten des menschlichen Lebens zu erfassen.
 
 
 
 

Transhumanistische Technologien und Zukunftsszenarien

Was ist Nanotechnologie?

Nanotechnologie ist eine für die Zukunft erwartete Produktionstechnologie, die uns genaue, kostengünstige Kontrolle über die Struktur der Materie verleihen wird.

(Die Begriffe "Nanotechnologie" und "molekulare Nanotechnologie" werden manchmal benützt, um sich auf jegliche Technologie zu beziehen, die ermöglicht, auf Submikro-Ebene zu arbeiten, doch das Konzept, an das wir hier denken, schließt die Fähigkeit mit ein, einzelne Atome exakt zu platzieren. Der neuere Begriff "Molecular Manufacturing" wird manchmal gebraucht, um diese Zweideutigkeit zu vermeiden.)

Nanotechnologie wird die Konstruktion von Giga-ops Computern (Milliarden von Operationen pro Sekunde) ermöglichen, die kleiner als ein Kubikmikrometer sind; Zellreparatur-Maschinen; Produktions- und Recyclingapparaturen für jedermann; Equipment zur kostengünstigen Weltraumkolonisation, und vieles mehr.

Allgemein gesprochen ist die zentrale These der Nanotechnologie, dass fast jede erdenkliche chemisch stabile Struktur auch hergestellt werden kann. Einige Aspekte dieser Idee lassen sich auf eine Rede Richard Feynmans aus dem Jahre 1959 zurückführen, aber erst nach Eric Drexlers substanziellen Analysen in den frühen Achtizigerjahren wurde die molekulare Nanotechnologie eine wissenschaftliche Disziplin und technologisches Langzeitprojekt. In den letzten Jahren stiegen das Interesse und die Investitionen in diesem Forschungsgebiet explosionsartig.

Drexler hat den "Assembler" zur Diskussion gestellt, eine Maschine, die einen submikroskopischen computergesteuerten Roboterarm besitzt. Er wird in der Lage sein, Reaktionspartner zu halten und zu positionieren, um den exakten Ort zu bestimmen, an dem chemische Reaktionen stattfinden. Dieser grundlegende Ansatz sollte die Konstruktion großer, auf das Atom genauer Objekte mittels einer Sequenz präzise gesteuerter chemischer Reaktionen erlauben, bei der Objekte Molekül für Molekül aufgebaut werden. Wenn sie dazu entwickelt worden sind, werden Assembler in der Lage sein Kopien ihrer selbst herzustellen, das heißt zu replizieren.

Aufgrund ihrer Fähigkeit, Kopien von sich erstellen, werden Assembler nicht kostspielig sein. Das ist verständlich, wenn man in Erinnerung ruft, dass viele andere Produkte molekularer Maschinen -- Feuerholz, Heu, Kartoffeln -- sehr günstig sind. Indem sie in großen Teams zusammenarbeiten, werden Assembler und stärker spezialisierte Nanomaschinen die Fähigkeit besitzen, Objekte kosteneffizient zu produzieren. Und da sichergestellt werden kann, dass jedes Atom korrekt platziert wird, werden sie Produkte von hoher Qualität und Zuverlässigkeit herstellen. Übrig gebliebene Moleküle würden ebenfalls dieser strikten Kontrolle unterliegen, sodass der Herstellungsprozess extrem sauber sein wird.

Die Plausibilität dieses Ansatzes lässt sich an Ribosomen veranschaulichen. Ribosome stellen alle Proteine her, die in den Lebewesen dieses Planeten vorkommen. Ein typisches Ribosom ist relativ klein (einige tausend Kubiknanometer) und ist in der Lage, fast jedes Protein zu synthetisieren, indem es Aminosäuren (die Bausteine der Proteine) in einer bestimmten linearen Sequenz verbindet. Um so zu verfahren, ist ein Ribosom in der Lage, eine spezifische Aminosäure zu greifen (präziser: es ist in der Lage, selektiv eine bestimmte Transfer-RNA zu greifen, die wiederum durch ein bestimmtes Enzym chemisch an eine spezifische Aminosäure gebunden ist), das wachsende Polypeptid zu halten und die spezifische Aminosäure dazu zu veranlassen, mit dem Ende des Polypeptids zu reagieren und an dieses angefügt zu werden.

Auf ähnliche Weise wird ein Assembler eine beliebige molekulare Struktur anhand einer Befehlssequenz aufbauen. Der Assembler wird jedoch Kontrolle über die dreidimensionale Positionierung und genaue Orientierung der molekularen Komponente ermöglichen (analog zur einzelnen Aminosäure), die einer wachsenden komplexen molekularen Struktur (analog zum wachsenden Polypeptid) angefügt wird. Darüber hinaus wird der Asssembler die Fähigkeit besitzen, jede der vielen verschiedenen Arten von chemischen Bindungen entstehen zu lassen, nicht nur die eine Art (die Peptidbindung), die das Ribosom bildet.

Eine Konsequenz aus dem Vorhandensein von Assemblern ist, dass sie preiswert sind. Weil ein Assembler darauf programmiert werden kann, fast jede Struktur aufzubauen, kann er insbesondere darauf programmiert werden, einen weiteren Assembler zu konstruieren. Demgemäß sollten sich selbst reproduzierende Assembler möglich sein, und folglich würden sich die Produktionskosten von Assemblern hauptsächlich aus der bei ihrer Herstellung benötigten Energie und den Rohstoffen zusammensetzen.

Eine Hauptschwierigkeit bei der Nanotechnologie ist das "Bootstrap-Problem" -- wie baut man den ersten Assembler. Es gibt mehrere vielversprechende Ansätze: Einer von ihnen ist, ein Rastertunnel- oder ein Rasterkraftmikroskop so zu verbessern, dass es über die erforderliche Positionierungsflexibilität und Greiffähigkeit verfügt, um es uns zu erlauben, Atome und Moleküle mit ausreichender Präzision in einem dreidimensionalen Koordinatensystem zu platzieren. In dieser Richtung werden bereits Fortschritte erzielt; der Firmenname IBM geriet vor einigen Jahren in die Schlagzeilen, als er mit 35 exakt positionierten Xenon-Atomen auf eine Oberfläche geschrieben wurde.

Ein anderer Weg, den ersten Assembler herzustellen, führt über die synthetisierende Chemie. Man kann sich vorstellen, geschickt gestaltete chemische Bausteine zu synthetisieren, die sich in gelöstem Zustand selbsttätig zusammensetzen können.

Wiederum ein anderes Konzept bedient sich der Biochemie. Ribosomen sind zweckspezifische Assembler, und wir könnten sie nutzen, um Assembler mit allgemeineren Fähigkeiten herzustellen. Ein ernstes Hindernis bei diesem Konzept ist das Problem der Proteinfaltung -- die Gestalt einer gegebenen Aminosäuresequenz in gelöstem Zustand vorauszusagen. Während sich die umfassende Lösung dieses Problems rechnerisch als kompliziert darstellen mag, könnte es möglich sein, die Gestalt des entstehenden Proteins in einigen speziellen Fällen vorherzusehen, und diese voraussagbaren Proteine könnten einen Satz von Strukturen bilden, der groß genug ist, dass wir sie einsetzen können, um einen universelleren Assembler zu bauen.

Dass Universal-Assembler mit den Gesetzen der Chemie vereinbar sind, wurde in Drexlers "Nanosystems" (1992) demonstriert. Dieses Buch zeigte auch, dass Universal-Assembler ein sehr breites Spektrum an nützlichen Strukturen bauen könnten, extrem leistungsstarke Computer eingeschlossen. Tatsächlich könnte praktisch jede Struktur, deren atomare Details bekannt sind, und die mit den Gesetzen der Chemie im Einklang steht, von molekularen Assemblern kostengünstig und fast ohne Abfälle aufgebaut werden. Es wird allgemein angenommen, dass ausgereifte Nanotechnologie auch die Voraussetzungen zur Reanimation kryogenisch suspendierter Personen schaffen und Uploading [siehe "Was ist Uploading?"] ermöglichen würde.

Während sich die Ansicht unverkennbar durchgesetzt zu haben scheint, dass molekulare Nanotechnologie prinzipiell möglich ist, ist es schwerer sich darauf festzulegen, wieviel Zeit sie zu ihrer Entwicklung benötigen wird. Unter Experten schätzt man allgemein, dass der erste universelle Assembler um das Jahr 2017 gebaut werden wird, plus minus zehn Jahre, aber diesbezüglich gibt es viele Uneinigkeiten.

Da die Implikationen der Nanotechnologie so immens und vielfältig sind, ist es unbedingt erforderlich, dass die Menschen jetzt beginnen, sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen. Wenn Nanotechnologie missbraucht werden sollte, könnte dies verheerende Konsequenzen nach sich ziehen; die Gesellschaft muss Wege finden, dieses Risiko zu minimieren. [Siehe auch "Was geschieht, falls diese neuen Technologien im Krieg eingesetzt werden?"]

Verweise:
Drexler, E. 1986. The Engines of Creation: The Coming Era of Nanotechnology. http://www.foresight.org/EOC/index.html

Drexler, E. 1992. Nanosystems, John Wiley & Sons, Inc., NY.

Foresight Institute. http://www.foresight.org/
 

Was ist Superintelligenz?

Eine Superintelligenz ist jeder Intellekt, der selbst das beste menschliche Gehirn auf praktisch jedem Gebiet weit übertrifft, forscherische Kreativität, eine umfassende Problemlösungsgabe und soziale Kompetenz inbegriffen.

Manchmal wird zwischen schwacher und starker Superintelligenz unterschieden. Schwache Superintelligenz ist, was man erhielte, wenn man ein dem menschlichen ähnelndes Gehirn mit einer erhöhten Geschwindigkeit arbeiten lassen könnte, möglicherweise, indem man das Bewusstsein eines Menschen in einen Computer lädt [siehe "Was ist Uploading?"]. Wenn die Arbeitsgeschwindigkeit des Uploads tausendmal höher wäre als die eines biologischen menschlichen Gehirns, nähme der Upload die Wirklichkeit um den Faktor Tausend verlangsamt wahr. Das bedeutet, dass dieser in einer bestimmten Zeit tausendmal mehr Denkarbeit leisten könnte als sein natürliches Pendant.

Mit starker Superintelligenz bezieht man sich auf einen Intellekt, der nicht nur schneller ist als ein menschliches Gehirn, sondern diesem auch qualitativ überlegen ist. Wie sehr man das Gehirn eines Hundes auch beschleunigen würde, man würde niemals ein Gehirn erhalten, das dem des Menschen gleichkommt. Dementsprechend sind manche Menschen der Ansicht, es könnte einmal starke Superintelligenz geben, an die kein menschliches Gehirn heranzureichen im Stande wäre, ganz gleich, wie schnell dieses ist. (Die Unterscheidung zwischen schwacher und starker Superintelligenz muss jedoch keinesfalls eindeutig sein: Ein ausreichend beschleunigtes menschliches Gehirn, das fehlerfrei arbeitet und über ausreichend Speicherkapazität (oder Notizpapier) verfügt, könnte prinzipiell jede nach Turing berechenbare Funktion bewältigen. Nach Churchs These entspricht die Anzahl der nach Turing berechenbaren Funktionen der der mechanisch berechenbaren.)

Viele (aber nicht alle) Transhumanisten sind der Ansicht, dass Superintelligenz in der ersten Hälfte des kommenden Jahrhunderts verwirklicht werden wird. Dies setzt zwei Dinge voraus: Hardware und Software.

Wenn Chip-Produzenten die nächste Generation von Computerchips entwickeln, verlassen sie sich auf eine Regelmäßigkeit, die als "Moore´s Law" ("Moores Gesetz") bekannt ist: Es besagt, dass sich die Prozessorgeschwindigkeit etwa alle 18 Monate verdoppelt. Moores Gesetz galt bisher für alle Computer, selbst für die alten mechanischen Rechenmaschinen. Wenn es sich weiterhin als gültig erweisen wird, so wird in einigen Jahrzehnten Hardware realisiert worden sein, deren Leistungsfähigkeit der des menschlichen Gehirns entspricht. Moores Gesetz ist reine Extrapolation, seine Schlussfolgerung wird jedoch bekräftigt, wenn man direkt in Betracht zieht, wo die physikalischen Grenzen liegen und was schon heute in den Labors entwickelt wird. Gewaltige Parallelrechner könnten auch ein Weg sein, um Rechenleistung auf menschlichem Niveau sogar ohne schnellere Prozessoren zu erreichen.

Was das Softwareproblem betrifft, so werden uns Fortschritte in der computergestützten Neurowissenschaft Einblick in die Rechenarchitektur des menschlichen Gehirns und in Gesetzmäßigkeiten, nach welchen es lernt, geben. Dann können wir dieselben Algorithmen auf einem Computer implementieren. Wenn wir der Sache mit einem Ansatz über neuronale Netzwerke begegnen, müssten wir die Superintelligenz gar nicht programmieren: Wir könnten sie dazu bringen, aus Erfahrung zu lernen, genau wie es auch ein Kind tut. Eine mögliche Alternative zu diesem Weg könnte sein, genetische Algorithmen und Methoden der klassischen KI anzuwenden um eine Superintelligenz zu realisieren, die keine große Ähnlichkeit mit einem menschlichen Gehirn aufweisen mag.

Das Aufkommen von Superintelligenz wird zweifellos jegliche anthropozentrische Weltanschauung in philosophischer Hinsicht tief erschüttern. Sehr viel wichtiger sind jedoch die praktischen Auswirkungen: Die Entwicklung von Superintelligenz ist die letzte Erfindung, die die Menschen je zu machen brauchen, da Superintelligenzen die weitere wissenschaftliche und technologische Entwicklung effizienter fortführen könnten, als Menschen dazu im Stande wären. Die menschliche Spezies wird nicht länger die intelligenteste Lebensform im uns bekannten Universum sein.

Die Aussicht auf Superintelligenz wirft viele Fragen und Probleme auf, mit denen wir uns jetzt intensiv auseinander setzen müssen, bevor sich die eigentlichen Entwicklungen vollziehen. Die große Frage lautet: Was kann getan werden, um die Aussicht darauf zu maximieren, dass die Menschen aus dem Aufkommen von Superintelligenz Nutzen ziehen werden und dieses uns keinen Schaden zufügt? Das Ausmaß an Fachwissen, das nötig ist, um sich der Beantwortung dieser Frage zuzuwenden, geht weit über das der KI-Forscher hinaus. Neurologen, Ökonomen, Kognitionswissenschaftler, Informatiker, Philosophen, Soziologen, Sciencefiction-Autoren, Militärstrategen, Politiker, der Gesetzgeber und viele andere werden ihr Wissen vereinigen müssen, um wohl durchdacht die vielleicht größte Aufgabe in Angriff zu nehmen, die die Menschheit je zu bewältigen haben wird.

Transhumanisten tendieren dazu, sich selbst zu Superintelligenzen entwickeln zu wollen. Es gibt zwei Wege, über die sie hoffen dies zu verwirklichen: (1) Durch allmähliche Fortentwicklung ihrer biologischen Gehirne, möglicherweise indem sie Nootropics ("Smart Drugs"), kognitive Techniken, informationstechnologische Instrumente (z. B. Wearables (am Körper tragbare Computer), Smart Agents, Informationsfilterungssysteme, Visualisierungssoftware etc.), neurologische Schnittstellen und bionische Gehirnimplantate nutzen. (2) Durch Uploading des Bewusstseins.

Verweise:
Moravec, H. 1998. "When will computer hardware match the human brain?" Journal of Transhumanism. Vol. 1. http://www.transhumanist.com/volume1/moravec.htm

Bostrom, N. 1998. "How Long Before Superintelligence?". International Journal of Futures Studies. Vol. 2. Also at http://www.hedweb.com/nickb/superintelligence.htm

Kurzweil, R. 1999. The age of spiritual machines. Viking Press.
 
 

Was ist virtuelle Realität?

Eine virtuelle Realität ist eine Umwelt, die man erleben kann, ohne sich physisch in ihr aufzuhalten. Theater, Oper, Kino und Fernsehen stellen primitive Vorläufer virtueller Realitäten dar. Einige dieser (Vorläufer von) virtuellen Realitäten nutzen die physische Realität als Vorlage. Wenn man z.B. die Olympischen Spiele im Fernsehen verfolgt, sitzt man vielleicht im Wohnzimmer und hört und sieht mehr oder weniger die gleichen Dinge, die man auch gehört und gesehen hätte, wenn man vor Ort bei dem Ereignis gewesen wäre. In anderen Fällen erlebt man Umwelten, die in der physischen Realität kein Gegenstück besitzen, so zum Beispiel, wenn man sich einen Tom & Jerry-Cartoon anschaut. Diese Arten von virtuellen Realitäten bezeichnet man auch als künstliche Realitäten.

Der Grad, bis zu dem man beim Fernsehen in die Geschehnisse eintaucht, ist ziemlich begrenzt - die Olympiade über den Fernseher zu erleben, läßt sich nicht wirklich damit vergleichen, dort zu sein - und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen ist die Auflösung gering. Ein normaler Fernseher hat zu wenig Pixel, um wirklich die Illusion von echter Wahrnehmung zu erzeugen. Hochauflösende Fernseher verbessern das, aber selbst mit einem sehr großen Bildschirm werden große Randbereiche der Retina nicht stimuliert; außerdem fehlt das räumliche Sehen. Diese Probleme können von einem Display gelöst werden, das auf dem Kopf befestigt wird und mit einem Laserstrahl die Retina direkt beschreibt. Weiterhin wäre die Einbeziehung zusätzlicher menschlicher Sinne wünschenswert - Kopfhörer für Stereosound und vielleicht Affektoren für die Stimulation des Tastsinns. Ein entscheidendes Element ist die Interaktivität; Fernsehen ist eine passive Erfahrung, eine ausgereifte virtuelle Realität würde es einem aber erlauben, die wahrgenommenen Objekte auch zu manipulieren. Dazu bräuchte man Sensoren, die die eigenen Reaktionen messen, so dass die virtuelle Realität bzw. die Simulation entsprechend aktualisiert werden kann.

Primitive virtuelle (und künstliche) Realitäten gibt es schon seit einiger Zeit. Die frühesten Anwendungen waren Trainingssimulationen für Piloten und das Militär. Sie werden aber in zunehmendem Maße auch in Computerspielen zur Unterhaltung eingesetzt. Weil VR sehr rechenaufwendig ist, sind Simulationen immer noch sehr grob. Mit steigender Rechenleistung und Verbesserung von Sensoren, Affektoren und Displays wird sich die VR in Genauigkeit und Interaktivität der physischen Realität annähern.

VR wird der menschlichen Kreativität unbegrenzte Möglichkeiten eröffnen. Der Mensch wird künstliche Erlebniswelten konstruieren, die nicht an die Gesetze der Physik gebunden sind, die den Teilnehmern aber so real wie die physische Realität erscheinen. Leute werden diese Welten zur Unterhaltung besuchen oder um zu arbeiten oder sich mit anderen Leuten zu treffen (oder Sex zu haben), von denen sich manche physisch auf einem anderen Kontinent aufhalten können.
 

Was ist Uploading?

Uploading (manchmal auch "mind uploading" - "Uploading des Geistes" - oder "Gehirnrekonstruktion" genannt) ist der hypothetische Vorgang, bei dem der Verstand von einem biologischen Gehirn auf einen Computer übertragen wird.

Dem liegt die Idee zugrunde, dass man nach dem Scannen der synaptischen Struktur eines Gehirns die gleichen Vorgänge, die normalerweise in den neuronalen Netzwerken des Gehirns ablaufen, auf einem elektronischen Medium implementieren kann. Einen Gehirnscan von ausreichender Auflösung könnte man erhalten, indem man das Gehirn mittels Nanotechnologie Atom für Atom demontiert. Auch andere Methoden wurden vorgeschlagen; so könnte man das Gehirn z.B. Scheibe für Scheibe von einem Elektronenmikroskop mit automatischer Bildverarbeitung analysieren lassen.

Als nützlich könnte sich die Unterscheidung erweisen zwischen destruktivem Uploading, bei dem das Originalgehirn während des Prozesses zerstört wird, und nicht-destruktivem Uploading, bei dem das Originalgehirn neben der Kopie intakt bestehen bleibt.

Es wird gegenwärtig diskutiert, unter welchen Umständen die persönliche Identität beim destruktiven Uploading erhalten bleibt. Die meisten Philosophen, die das Problem analysiert haben, glauben, dass das Upload des Gehirns von jemandem unter bestimmten Bedingungen dieser jemand selbst sein würde. Dies basiert auf der Idee, dass man fortexistiert, solange bestimmte Informationsmuster wie Erinnerungen, Werte, Meinungen und Emotionen erhalten bleiben; es ist nicht so wichtig, ob sie in einem Computer implementiert sind oder in diesem grauen, weichen Klumpen im Schädel.

Der Fall kann jedoch komplizierter werden, wenn man sich vorstellt, dass viele ähnliche Kopien eines auf Computer übertragenen Verstandes existieren. Welcher entspricht dem Original? Alle oder überhaupt keiner? Wer hat die Rechte an dem Eigentum? Wer ist mit der Ehefrau/dem Ehemann verheiratet? Hier gilt es, eine Menge philosophischer, rechtlicher und ethischer Herausforderungen zu lösen. Vielleicht werden dies die heiß diskutierten politischen Streitfragen des nächsten Jahrhunderts sein.

Einige Fakten über Uploading:

Was versteht man unter der "Singularität"?

Die technologische Singularität ist ein hypothetischer Zeitpunkt in der Zukunft, an dem die Fortschrittskurve fast vertikal verläuft, d.h. an dem das Tempo der technologischen Entwicklung extrem groß wird. Der Begriff stammt von Vernor Vinge, der glaubt, dass eine Singularität eintreten wird aufgrund von Fortschritten in der künstlichen Intelligenz, der Computer-Mensch-Integration oder anderer Formen der Intelligenzerweiterung - vorausgesetzt, wir schaffen es, eine Zerstörung der Zivilisation lange genug zu verhindern. Die Verstärkung der Intelligenz wird, so Vinge, an einem bestimmten Punkt zu einer positiven Rückkopplungsschleife führen: Intelligentere Systeme können noch intelligentere Systeme schaffen, und zwar schneller als die ursprünglichen, menschlichen Entwickler. Von dieser positiven Rückkopplung wird angenommen, dass sie stark genug ist, die Welt in einer sehr kurzen Zeit (Monate, Tage oder sogar nur Stunden) bis zur Unkenntlichkeit zu verändern und mit Superintelligenzen zu bevölkern.

Mit der Singularität wird auch häufig die Ansicht verbunden, dass es unmöglich sei, vorherzusagen, was nach ihr kommen wird. Die entstehende posthumane Welt mag so fremdartig sein, dass wir überhaupt nichts über sie wissen können. Eine Ausnahme könnten die grundlegenden Gesetze der Physik sein, aber sogar hier wird manchmal über die Existenz von unentdeckten Gesetzen spekuliert (wir haben noch keine Theorie über Quantengravitation) oder über das mangelhafte Verständnis der Konsequenzen der bekannten Gesetze (durchquerbare Wurmlöcher, das Entstehen von Subuniversen, Zeitreisen etc.), was Posthumane nutzen könnten, um Dinge zu tun, die wir normalerweise für physikalisch unmöglich halten.

Es hat sich gezeigt, dass etwas, das zu einem Zeitpunkt unvorhersehbar war, vorhersehbarer werden kann, wenn man sich dem Ereignis nähert. Jemand, der in den 1950er Jahren gelebt hat, konnte mehr Dinge über die heutige Welt voraussagen als ein Mensch aus der Renaissance, der wiederum mehr erahnen konnte als ein Steinzeitmensch. Weil die Grenze des Vorhersagbaren zurückweicht, je weiter wir in die Zukunft vorrücken, wird vielleicht niemals ein Punkt erreicht, an dem man überhaupt nichts voraussagen kann. Bei jedem Schritt kann man voraussehen, was mit dem nächsten Schritt passieren wird, obwohl der Endpunkt vom Startpunkt aus völlig unsichtbar sein mag.

Die Frage nach der Voraussagbarkeit ist wichtig, weil wir ohne die Fähigkeit, zumindest einige Konsequenzen unserer Handlungen zu erahnen, unmöglich die Entwicklung in eine gewünschte Richtung lenken können.

Transhumanisten unterscheiden sich stark darin, welche Wahrscheinlichkeit sie Vinges Szenario zubilligen. Fast alle, die das Eintreten einer Singularität für möglich halten, glauben, dass sie im nächsten Jahrhundert kommt, und viele meinen, dass sie am wahrscheinlichsten innerhalb der nächsten Jahrzehnte geschehen wird.

Verweise:
Vinge, V. 1993. "The Coming Technological Singularity". http://www-rohan.sdsu.edu/faculty/vinge/misc/singularity.html

Hanson, R. (ed.) 1998. "A Critical Discussion of Vinge's Singularity Concept" Extropy Online.
http://www.extropy.com/eo/articles/vi.html
 
 
 
 
 

Politik und Gesellschaft

Werden neue Technologien nicht nur den Reichen und Mächtigen zugute kommen? Und was soll mit den anderen geschehen?

Man kann sagen, dass der durchschnittliche Amerikaner heute einen höheren Lebensstandard hat als ein König vor fünfhundert Jahren. Der König mag eine Hofkapelle gehabt haben, aber heute kann sich jeder einen CD-Player leisten, der es einem ermöglicht, jederzeit den besten Musikern zuzuhören. Falls der König eine Lungenentzündung hatte, ist es gut möglich, dass er daran gestorben ist, wir aber können heute Antibiotika nehmen. Der König mag eine Kutsche mit sechs weißen Pferden gehabt haben, aber heute gibt es Autos, die viel schneller und bequemer sind. Außerdem hat man das Fernsehen, einen Internetzugang, Coca Cola, eine Dusche, man kann über das Telefon mit Verwandten auf anderen Kontinenten sprechen und man weiß mehr über die Erde, die Natur und das Weltall, als der König jemals wissen konnte.

Eine typische Eigenschaft von neuen Technologien ist, dass sie mit der Zeit billiger werden. In der Medizin zum Beispiel sind neue Behandlungsmethoden normalerweise nur Versuchspersonen und sehr reichen Leuten zugänglich. Wenn diese Methoden zur Routine werden, sinken ihre Kosten und mehr Menschen können sie sich leisten. Selbst in den ärmsten Ländern haben Millionen von Menschen von Impfstoffen und Penicillin profitiert. Auch in der Computerindustrie sinken die Preise moderner Rechner, sobald bessere Modelle entwickelt werden.

Es ist klar, dass jedermann einen großen Nutzen aus besserer Technik ziehen kann. Zu Beginn jedoch werden diejenigen den größten Vorteil haben, die die Ressourcen, das Wissen und insbesondere den Willen haben, die Benutzung der neuen Werkzeuge zu lernen. Es ist zu vermuten, dass manche Technologien soziale Ungerechtigkeiten vergrößern werden. Wenn z.B. irgend eine Form der Intelligenzverstärkung verfügbar wird, mag sie zuerst so teuer sein, dass sie nur für die Reichsten erschwinglich ist. Das gleiche könnte passieren, wenn wir lernen, unsere Kinder gentechnisch zu verbessern. Reiche Leute würden intelligenter werden und noch mehr Geld verdienen. Dies ist aber überhaupt kein neues Phänomen: Reiche Menschen können ihren Kindern eine bessere Ausbildung zukommen lassen und Mittel wie die Informationstechnologie oder Kontakte zu wichtigen Personen nutzen, die den weniger Privilegierten nicht zugänglich sind.

Der Versuch, technologische Innovationen aus diesen Gründen zu verhindern, wäre verfehlt. Wenn eine Gesellschaft diese Ungleichheiten für inakzeptabel hält, wäre es klüger für diese Gesellschaft, die Umverteilung des Reichtums zu verstärken, zum Beispiel durch Steuern und das Angebot von freien Dienstleistungen (Bildungsgutscheine, Zugang zu Informationstechnologien in öffentlichen Bibliotheken, genetische Verbesserungen, die durch die Sozialversicherung gedeckt werden usw.). Denn ökonomischer und technischer Fortschritt stellen kein Nullsummenspiel dar - das Endresultat ist positiv. Dieser Fortschritt kann dabei nicht die alte politische Frage lösen, zu welchem Grad es wünschenswert ist, das Einkommen umzuverteilen. Aber er kann den Kuchen, der verteilt werden soll, sehr viel größer machen.
 
 

Könnten transhumanistische Technologien Gefahren in sich bergen?

Ja, und das bedeutet, dass die Probleme diskutiert und analysiert werden müssen, bevor sie Wirklichkeit werden. Biotechnologie, Nanotechnologie und KI haben das Potential, große und komplexe Gefahren zu schaffen, falls sie unbedacht oder böswillig benutzt werden [siehe "Was geschieht, falls diese neuen Technologien im Krieg eingesetzt werden?"]. Transhumanisten legen größten Nachdruck darauf, dass wir beginnen, diese Themen ernst zu nehmen - und zwar schon jetzt.

Es gibt riesige ethische, soziale, kulturelle, philosophische und wissenschaftliche Fragen, über die detailliert nachgedacht werden muß. Forschung ist ebenso notwendig wie eine möglichst breite öffentliche Debatte. Notwendig ist auch die Schaffung von Institutionen und eines internationalen Rahmens, die die Realisierung verantwortlicher Strategien und wohlüberlegter Regelungen ermöglichen. All das wird seine Zeit brauchen, und je früher wir anfangen, desto größer sind unsere Chancen, die schlimmsten Fallen zu umschiffen.

Ein gutes Beispiel ist das Foresight Institute, das seit einigen Jahren die Forschung und das öffentliche Verständnis kommender transhumanistischer Technologien und insbesondere der molekularen Nanotechnologie fördert.

Verweis:
The Foresight Institute: http://www.foresight.org/
 
 

Sollten wir uns nicht auf momentane Probleme konzentrieren, wie beispielsweise die Verbesserung der Lebensumstände der Armen oder die Lösung internationaler Konflikte, statt Anstrengungen zu unternehmen, in die "ferne" Zukunft zu sehen?

Wir sollten beides tun. Wir werden keinen Erfolg damit haben, wenn wir uns nur auf die aktuellen Probleme konzentrieren und versuchen, nur kurzfristige Problemlösungsstrategien anzuwenden -- unsere momentanen Lösungsmethoden sind oft unangemessen, und wir werden den neuen Problemen unvorbereitet gegenüberstehen.

Viele der transhumanistischen Technologien oder Trends existieren bereits und sind Gegenstand aktueller Debatte geworden. Die Biotechnologie ist bereits Wirklichkeit. Informationstechnologien haben die Umgestaltung großer Bereiche unserer Wirtschaft bewirkt. Was den Transhumanismus betrifft, so geschieht die Zukunft immerzu.

Die meisten der transhumanistischen Technologien wirken in positiver Weise mit anderen Teilen der menschlichen Gesellschaft zusammen und erzeugen dabei Synergieeffekte. Ein wichtiger Faktor bei der Lebenserwartung ist der Zugang zu guter medizinischer Versorgung -- Verbesserungen bei der medizinischen Versorgung werden unser Leben verlängern, und es ist wahrscheinlich, dass Fortschritte bei der technologischen Lebensverlängerung der normalen Versorgung zugute kommen werden. Es ist offensichtlich, dass die Arbeit an der Erweiterung der Intelligenz in der Bildung, in rationalem Management und bei der Verbesserung der Kommunikation Anwendung findet. Verbesserungen bei der Kommunikation, in rationalem Denken, beim Handel und bei der Bildung sind sehr wirksame Mittel, um friedliche Lösungen internationaler Konflikte herbeizuführen. Die nanotechnologische Produktion verspricht, sowohl ökonomisch profitabel als auch ökologisch unbedenklich zu sein.

Auf eine Weltordnung hinzuarbeiten, die sich durch Frieden, internationale Zusammenarbeit und Achtung der Menschenrechte auszeichnet, würde es sehr viel unwahrscheinlicher machen, dass jene Anwendungen bestimmter zukünftiger Technologien, von denen Gefahren ausgehen, nicht unverantwortlich oder gar im Krieg genutzt werden. Es würde auch jene Geldmittel, die momentan in die militärische Rüstung fließen, freisetzen und möglicherweise deren Umverteilung mit dem Ziel bewirken, die Lebensverhältnisse der Armen zu verbessern.

Transhumanisten haben genauso wenig wie jeder andere eine simple Patentlösung, die dieses zum Ergebnis haben würde, aber es besteht kein Zweifel, dass Technologie dabei eine Rolle spielt. Beispielsweise kann verbesserte Kommunikation das Einvernehmen zwischen Menschen fördern. Im Zuge dessen, dass mehr Menschen Zugang zum Internet erhalten und die Möglichkeit haben, Satellitenfernsehen und -radio zu empfangen, werden es Diktatoren und totalitäre Regime schwerer haben, die Stimmen von Dissidenten zu unterdrücken und den Informationfluss zu ihrer Bevölkerung zu kontrollieren. Und wie viele Internetnutzer erleben findet man durch das World Wide Web Freunde und Bekanntschaften und Geschäftspartner aus der ganzen Welt. Das kann nur eine gute Sache sein.
 
 

Wird eine erhöhte Lebenserwartung nicht das Problem der Überbevölkerung verschärfen?

Bevölkerungszunahme ist ein Problem, das wir letzten Endes in Angriff nehmen werden müssen, selbst wenn es keine Lebensverlängerung geben sollte. Manche machen die Technik für das Aufkommen des Überbevölkerungsproblems verantwortlich. Eine andere Betrachtungsweise ist, sich dessen bewusst zu werden, dass die meisten heute lebenden Menschen ohne Technik nicht existiert hätten - jene einbegriffen, die die Überbevölkerung beklagen! Würden wir keine modernen landwirtschaftlichen Methoden mehr anwenden, würden die meisten Menschen bald verhungern oder an den Krankheiten, die Unterernährung zur Folge hat, sterben. Gäbe es keine Antibiotika und keine medizinischen Eingriffe, insbesondere bei der Geburt, wären viele von uns bereits im Säuglingsalter gestorben. Es ist es wert, zweimal nachzudenken, bevor man etwas als "Problem" bezeichnet, wenn man diesem seine eigene Existenz zu verdanken hat.

Es lässt sich nicht abstreiten, dass zu schnelles Bevölkerungswachstum beengte Verhältnisse, Armut und Erschöpfung natürlicher Ressourcen zur Folge hat. In dieser Hinsicht besteht ein echtes Problem. Programme zur Empfängnisverhütung und Familienplanung, insbesondere für Paare in den ärmeren Ländern, in denen das Bevölkerungswachstum am größten ist, sollten unterstützt werden. Der permanente Druck durch einige religiöse Interessengruppen in den Vereinigten Staaten, diese humanitären Bemühungen zu unterbinden, sind aus transhumanistischer Sicht höchst abwegig.

Wie viele Menschen die Erde bei einem komfortablen Lebensstandard und ohne der Umwelt zu schaden zu tragen im Stande ist, hängt von der technischen Entwicklung ab. Neue Technologien, von einfachen Verbesserungen bei der Bewässerung und im Management bis hin zu den aktuellen Durchbrüchen in der Gentechnologie, sollten weiterhin die weltweite Nahrungsmittelproduktion verbessern (und dabei das Leiden von Tieren verringern).

In einem haben Umweltschützer Recht, nämlich darin, dass der Status Quo nicht haltbar ist. Die Dinge können, schon aus physikalischen Gründen, nicht auf unbegrenzte Zeit, oder auch nicht sehr lange so bleiben, wie sie heute sind. Wenn wir weiterhin im selben Tempo Ressourcen verbrauchen, wie wir es zur Zeit tun, dann werden wir innerhalb der ersten Hälfte des nächsten Jahrhunderts ernsthafter Ressourcenknappheit gegenüberstehen. Öko-Fundamentalisten haben darauf eine Antwort: Sie schlagen vor, dass wir die Uhr zurückdrehen und in ein idyllisches vorindustrielles Zeitalter zurückkehren, das mit der Natur in Einklang steht. Das Problem besteht darin, dass das vorindustrielle Zeitalter alles andere als idyllisch war -- Armut, Elend, Krankheit und schwere körperliche Arbeit von früh bis spät. Das wollen wir nicht. Es ist auch schwer vorstellbar, wie ein vernünftiger Lebensstandard mit vorindustriellen Produktionsmethoden für mehr als ein paar hundert Millionen Menschen aufrecht erhalten werden könnte, man müsste sich also von 90% der Weltbevölkerung irgendwie trennen.

Transhumanisten legen eine viel realistischere Alternative nahe: nicht zurückzugehen, sondern mit aller Kraft nach vorn zu drängen. Die Umweltprobleme, die durch die Technik entstehen, sind Probleme unausgereifter ineffizienter Technologien. Technologisch weniger fortgeschrittene Industrien im ehemaligen Sowjetblock verschmutzen die Umwelt sehr viel mehr als es die entsprechenden im Westen tun. Hightechindustrien sind relativ umweltfreundlich. Wenn wir molekulare Nanotechnologie entwickeln, werden wir nicht nur eine perfekt saubere und effiziente Produktion praktisch jeder Ware haben, wir werden auch in der Lage sein, die Unordnung zu beseitigen, die von den heutigen groben Produktionsmethoden verursacht wird. Solch hohe Anforderungen für eine sauberen Umwelt zu stellen, hierin fordern Transhumanisten Umweltschützer heraus.

Nanotechnologie wird es auch kostengünstig machen, den Weltraum zu kolonisieren. Aus einem kosmischen Blickwinkel ist die Erde ein völlig unbedeutender kleiner Punkt. Es wurde nahegelegt, dass wir den Weltraum in seiner ursprünglichen Herrlichkeit erhalten und ihn unberührt lassen sollten. Diese Ansicht ist kaum ernst zu nehmen. Jede Stunde werden durch rein natürliche Prozesse immense Mengen an Ressourcen -- die in keinem Verhältnis zu dem stehen, was die menschliche Spezies je verbraucht hat -- in radioaktive Substanzen umgewandelt oder in Form von Strahlung, die in den intergalaktischen Raum entweicht, verschwendet. Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, um sich eine etwas kreativere Art zu erdenken, diese Materie und Energie zu nutzen.

Bevölkerungswachstum kann jedoch selbst bei größtmöglicher Weltraumkolonisation weiterhin ein Problem darstellen (selbst wenn wir annehmen, dass eine unbegrenzte Zahl von der Erde in den Weltraum transportiert werden könnte). Wenn das Expansionstempo durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzt wird, dann wird die Menge an Ressourcen, die sich unter menschlicher Kontrolle befindet, nur polynomisch (~t3) zunehmen, Populationen können hingegen leicht exponentiell wachsen (~et ). Wenn dies der Fall ist, so wird, da ein exponentiell wachsender Faktor letztlich jeden polynomisch wachsenden überholen wird, das Durchschnittseinkommen schließlich auf das malthusische Existenzminimum fallen und eine Verlangsamung des Bevölkerungswachstums bewirken. Wie bald dies passieren würde, hängt primär von den Reproduktionsraten ab. Ein Anstieg der Lebenserwartung hat keinen großen Effekt. Selbst eine extrem verbesserte Technologie kann das Unvermeidliche nur für eine, relativ gesehen, kurze Zeit aufschieben. Die einzige langfristige Lösung ist eine Bevölkerungskontrolle, die die Zahl der jährlich neu hinzukommenden Personen begrenzt. Das bedeutet nicht, dass die Population nicht wachsen könnte, sondern nur, dass das Wachstum polynomisch statt exponentiell sein müsste.

Einige weitere Punkte, die man bedenken sollte:

Verweise:
United Nations. World Population Prospects: The 1998 Revision (United Nations, New York). http://www.popin.org/pop1998/
 

 

Gibt es einen ethischen Standard, nach welchem Transhumanisten über eine "Verbesserung der Bedingungen menschlichen Daseins" urteilen?

Der Transhumanismus lässt sich mit einer Vielzahl ethischer Systeme vereinbaren, und Transhumanisten haben selbst viele unterschiedliche Ansichten. Nichtsdestoweniger scheint man im Folgende grundsätzlich übereinzustimmen:

Transhumanisten sind der Ansicht, dass die Bedingungen menschlichen Daseins verbessert worden sind, wenn die Daseinsbedingungen von Individuen verbessert worden sind. Praktisch heißt das, dass der Einzelne in der Regel darüber zu befinden hat, was gut für ihn/sie ist. Deshalb treten Transhumanisten für individuelle Freiheit ein, insbesondere für das Recht derer, die Technologie zur Erweiterung ihrer psychischen und physischen Kapazitäten einzusetzen beabsichtigen und ihre Kontrolle über ihr Leben zu verbessern wünschen.

Von diesem Standpunkt aus ist eine Verbesserung der Bedingungen menschlichen Daseins eine Änderung, die Individuen mehr Möglichkeiten gibt, sich selbst und ihr Leben nach ihren Wünschen bedacht zu formen. Beachten Sie das Wort "bedacht". Es ist wichtig, dass sich die Menschen zu Bewusstein kommen lassen, was sie wählen. Bildung, Informationsfreiheit, Informationstechnologien, "Idea Futures" und eine mögliche Erweiterung der Intelligenz können Menschen dabei helfen, wohlbedachte Entscheidungen zu treffen. (Idea Futures ist ein Vorschlag, einen Markt zu schaffen, der es uns ermöglicht, Wetten auf ungesicherte wissenschaftliche Hypothesen oder Vorhersagen über die Zukunft abzuschließen, und der auf diese Weise aufrichtigen Konsens zu fördert. Hanson (1990).)

Verweise:
Hanson, R. 1990. "Could Gambling Save Science?". Proc. Eighth Intl. Conf. on Risk and Gambling, London.
http://hanson.berkeley.edu/gamble.html
 

 

Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, in der Posthumane leben?

Es ist zu diesem Zeitpunkt nicht genügend Information verfügbar, um auf diese Frage vollständig zu antworten. Die Eigenschaften einer Gesellschaft, in der Posthumane leben würden, hängen von den Eigenschaften der Posthumanen ab, die sich aus den heutigen Menschen entwickeln. Zum heutigen Zeitpunkt ziehen Transhumanisten verschieden Wege einer möglichen posthumanen Evolution in Betracht [siehe "Was sind Posthumane?"]. Einige dieser möglichen Wege könnten zur Folge haben, dass nur ein einziges posthumanes Wesen existiert, aber nur die Zeit wird zeigen, welcher dieser Wege, wenn überhaupt, zu einer ganzen Gesellschaft von Posthumanen hinführen wird.

Transhumanisten können Vermutungen darüber anstellen, wie Posthumane mit Menschen interagieren könnten -- vorausgesetzt dass Posthumane überhaupt mit Menschen zu interagieren beabsichtigen werden -- aber es ist schwierig sich vorzustellen, auf welche Weise Posthumane in einer Gesellschaft leben werden. Zu diesem Zeitpunkt würde jede Konstruktion einer posthumanen Gesellschaft auf den gegenwärtigen Erfahrungen und Wunschvorstellungen von Menschen oder Transhumanen basieren, Dinge, die für Posthumane möglicherweise überhaupt nicht relevant sein werden. Sehr wahrscheinlich werden Posthumane gänzlich neue Formen gesellschaftlichen Lebens entwickeln. Manche erhoffen sich, wenn sich die Entstehung einer posthumane Gesellschaft abzeichnet, die Gelegenheit dazu zu haben, ihre Interaktionen mit Menschen, Transhumanen und Posthumanen zu beobachten, um daraus eventuell eine Vorstellung davon ableiten zu können, welche Eigenschaften die sich entwickelnde posthumane Gesellschaft haben könnte.
 
 

Was geschieht, falls diese neuen Technologien im Krieg eingesetzt werden? Könnten sie unsere Auslöschung bewirken?

Einige der Technologien, die im nächsten Jahrhundert entwickelt werden, werden sehr, sehr mächtig sein. Wenn sie mißbraucht werden, könnten sie den Menschen und der Umwelt großen Schaden zufügen. Im schlimmsten Fall könnten manche von ihnen sogar die Auslöschung allen intelligenten Lebens verursachen. Das ist das schlimmstmögliche Ergebnis, und es muß um jeden Preis verhindert werden.

Hier einige menschheitsvernichtende Szenarien, die von Transhumanisten diskutiert wurden:

Graue Schmiere ("gray goo") --- Selbstreplizierende Nanomaschinen [siehe "Was ist Nanotechnologie?"] geraten versehentlich außer Kontrolle und verzehren die komplette Biosphäre, die dabei in "graue Schmiere" umgewandelt wird. Da die molekulare Nanotechnologie völlig neue Möglichkeiten von chemischen Reaktionen eröffnen wird, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass das ökologische Gleichgewicht, das das Wachstum von organischen Selbstreplikatoren begrenzt, ein Hindernis für die Nanoreplikatoren darstellen würde.

Im Prinzip sollte es relativ einfach sein, vielfältige Schutzmechanismen zur Verhinderung dieses Szenarios zu errichten. Man könnte die selbstreplizierenden Maschinen zum Beispiel von einem "Vitamin" abhängig machen - von einer seltenen Chemikalie, ohne die sie nicht funktionieren. Oder man könnte adaptive Mutationen durch entsprechende Konstruktion beliebig unwahrscheinlich machen. Experimente mit Selbstreplikatoren könnten auf hermetisch abgeschlossene Labors beschränkt sein, auf kleine Kammern, die automatisch explodieren und ihren Inhalt verdampfen, falls irgend etwas versucht, die Wände zu durchdringen (entweder von innen oder von außen). Folglich könnte das "gray goo"-Szenario verhindert werden, wenn die Entwicklung der Nanotechnologie von verantwortungsbewußten Personen und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt wird.

Schwarze Schmiere ("black goo") --- Nach einhelliger Meinung stellt "black goo", die vorsätzliche Produktion von zerstörerischen Nanomaschinen, ein weit größeres Problem dar.

Eine Methode, der Bedrohung durch "black goo" entgegenzutreten, ist die Entwicklung von "aktiven Schutzschilden" - automatisierten Verteidigungssystemen, deren offensiver Einsatz durch eingebaute Schutzmechanismen eingeschränkt oder verhindert wird. Man kann sich ein globales Immunsystem aus Nanomaschinen vorstellen, die die Erdoberfläche auf der Suche nach gefährlichen Replikatoren durchstreifen. Obwohl es schließlich möglich sein mag, ein verläßliches globales Immunsystem aufzubauen, ist ein Problem dieser Methode, dass dies sehr viel schwieriger sein könnte, als die destruktiven Nanomaschinen herzustellen. In diesem Fall gäbe es einen Zeitraum, in dem die Welt ungeschützt ist. Während dieser Zeit wäre es unbedingt erforderlich, Angreifer durch Verträge über Nicht-Weiterverbreitung und durch weltweite Regulierungen vom Mißbrauch der Nanotechnologie abzuhalten.

Ein anderer Weg, das Risiko der Auslöschung zu vermindern, bestünde in der Gründung von im Weltall verteilten Kolonien. Das Problem ist aber wiederum, dass es zu lange dauern könnte, bis dies in großem Maßstab möglich ist.

Die Dauer dieser kritischen Phase (von der Entwicklung der gefährlichen Nanomaschinen bis zu der Entwicklung einer angemessen Verteidigung) hängt vom Tempo der technologischen Entwicklung während dieser Zeit ab. Leute, die eine Singularität glauben [siehe "Was versteht man unter der Singularität?"], gehen davon aus, dass der Zeitraum sehr kurz sein kann.

Superintelligenz --- Während Transhumanisten Superintelligenz allgemein anstreben, befürchten manche, dass eine ungeeignet programmierte Superintelligenz die Vernichtung der Menschheit oder sogar des intelligenten Lebens insgesamt, sich selbst eingeschlossen, beschließen könnte. Diese Sorge wird durch den Gedanken verstärkt, dass eine Superintelligenz so fremd und dem menschlichen Geist intellektuell so überlegen wäre, dass wir ihre Motivationen nur äußerst schwer vorausahnen oder regulieren könnten und keine Möglichkeit hätten, sie gegen ihren Willen zu kontrollieren. [siehe "Wie werden Posthumane oder superintelligente Maschinen mit Menschen umgehen, die nicht in einen posthumanen Zustand versetzt worden sind?"]

Nukleare und biologische Waffen --- Diese sind weiterhin eine Bedrohung. Heutzutage scheinen die Waffenarsenale zu klein zu sein, um unsere Spezies auszulöschen. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass mit Hilfe der Gentechnik noch tödlichere biologische Mittel produziert werden können als die schon existierenden. Wir können hoffen, dass die Entwicklung von Impfstoffen und Gegengiften mit der Entwicklung von Giften und Seuchen mithalten wird - wissen können wir das aber nicht mit Sicherheit.

Dem Entgegenwirken der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen sollte jede verantwortliche Nation höchste Priorität beimessen. Selbst wenn man von einem großen Krieg, der unsere Spezies vernichtet, absieht, kann man sich leicht ein verbrecherisches Land oder eine Gruppe von Terroristen vorstellen, die mit solchen Waffen viele zivile Opfer verursachen und die Zivilisation erschüttern könnten, zum Beispiel in einem Erpressungsfall.

Andere Weltuntergangsszenarien --- Ein außer Kontrolle geratener Treibhauseffekt, bei dem die Erwärmung immer mehr Methan freisetzt (nach Meinung der meisten Transhumanisten nicht ausreichend für unsere Auslöschung). Natürlich auftretende Pandemien, die sich durch den interkontinentalen Verkehr schnell verbreiten (werden uns kaum alle töten, sollten aber ernst genommen werden). Einschlag eines Kometen oder Asteroiden (sehr unwahrscheinlich). Zerfall eines metastabilen Vakuums durch hochenergetische Beschleunigungsexperimente (die Energien, die wir heute erreichen, sind viel geringer als die, die in der kosmischen Hintergrundstrahlung ständig auftreten, aber mächtigere Methoden, Teilchen zu beschleunigen, könnten in der Zukunft möglicherweise eine Gefahr darstellen). Zweifellos gibt es andere Gefahren, an die wir bisher nicht gedacht haben. In diesem Zusammenhang ist das kontroverse Carter-Leslie-Doomsday-Argument wichtig, nach dem sich aus der Bayesschen Wahrscheinlichkeitstheorie und ein paar trivialen empirischen Annahmen herleiten lassen soll, dass das Risiko der Auslöschung der Menschheit bisher systematisch unterschätzt wurde [siehe Verweis].

Verweise:
Drexler, E. 1986. The Engines of Creation: The Coming Era of Nanotechnology, chapters 11-15.
http://www.foresight.org/EOC/index.html

Leslie, J. 1996. The End of the World: The Ethics and Science of Human Extinction. Routledge.

Bostrom, N. 1996. "Investigations into the Doomsday argument" http://www.anthropic-principle.com/preprints.html
 
 

Wie werden Posthumane oder superintelligente Maschinen mit Menschen umgehen, die nicht in einen posthumanen Zustand versetzt worden sind?

Das hängt von den Motiven der Posthumanen ab, und niemand weiß die genaue Antwort. Betrachten wir drei mögliche Szenarien etwas näher:
  1. Es ist möglich, dass eine zukünftige Gesellschaft sowohl Menschen als auch Posthumane umfassen wird sowie viele verschiedene Transhumane. Insbesondere wenn Posthumane sich allmählich entwickeln sollten, kann man sich gut vorstellen, dass es eine Phase geben wird, in der viele verschiedene Lebensformen friedlich koexistieren werden. Vielleicht werden Menschen zu Anfang aufgrund ihrer großen Zahl dominieren, aber der Einfluss von Posthumanen wird allmählich zunehmen.
Falls die Posthumanen sehr viel einflussreicher als die Menschen werden (und dies könnte schnell geschehen, oder es könnte Jahrzehnte dauern), dann ist es wahrscheinlich, dass sich das gleichberechtigte Verhältnis wandelt. Hier können wir zwischen zwei Möglichkeiten unterscheiden, einer optimistischen und einer pessimistischen.
  1. Ein optimistisches Szenario wäre, wenn Posthumane weiterhin Menschen respektieren und tolerierten. Posthumane könnten als freundlich gesinnte "Halbgötter" unter den Menschen leben und ihnen helfen, wenn sie in Schwierigkeiten sind, beispielsweise, indem sie sich um die Umwelt kümmern oder sicherstellen, dass für alle genügend Nahrung vorhanden ist. Jedem Mensch, der selbst posthuman werden möchte, würde die Möglichkeit dazu gegeben, aber jene, die es vorziehen, Menschen zu bleiben, könnten dies tun, und sie wären in der Lage, ihre traditionelle Lebensweise fortzuführen. Wenn Menschen, die nicht in einen posthumanen Zustand versetzt worden sind, es vorziehen, dass keine Posthumanen unter ihnen leben, könnten die Posthumanen ausgedehnte Lebensräume auf anderen Planeten oder in anderen Sonnensystemen finden.
  2. Ein pessimistisches Szenario wäre (zumindest aus der Sicht der Menschen), wenn die Posthumanen zu dem Schluss kämen, dass Menschen in völlig ineffizienter Weise Materie und Energie verwenden, die auf andere Weise besser genutzt werden könnten. Wenn die Posthumanen nicht an menschenfreundliche Gesetze gebunden sind, und wenn sie keinen Moralkodex besitzen, der sie auf die Verwerflichkeit dessen schließen lässt, dann könnten sie den Entschluss treffen, Handlungen zu vollziehen, die die Auslöschung der menschlichen Spezies mit sich führen. Vielleicht würden sie unseren Planeten in einen gigantischen Computer oder in Raumsonden umwandeln, die ausgesendet würden, um den Prozess der Weltraumkolonisation zu beschleunigen.
Menschen und Transhumane können aktiv darauf hinwirken, dass (b) wahrscheinlicher wird als (c). Denn obwohl Posthumane letztlich sehr viel einflussreicher als Menschen sein werden, werden Posthumane entweder künstliche Intelligenzen sein, die ursprünglich von Menschen konstruiert worden sind, oder sie werden tatsächlich Menschen sein, die sich dazu weiterentwickelt haben. Im ersten Fall könnten wir sicherstellen, dass Werte für Toleranz und Respekt des Wohlergehens der Menschen als Kernelemente der Programmierung integriert werden und einen Teil eines unverletzbaren Moralkodex ausmachen. Im zweiten Fall könnten wir die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung erhöhen, indem wir heute unter Menschen eben jene Werte fördern, so dass die Menschen, die sich letztlich zu Trans- und Posthumanen weiterentwickeln, hohe Moralvorstellungen haben werden. Und in beiden Fällen könnte es von Nutzen sein, wenn wir auch weiterhin stabile demokratische Werte und Traditionen aufbauen und im Idealfall Rechtsstaatlichkeit auf nationaler wie auf internationaler Ebene verbreiten.
 
 

Sind Transhumanisten der Auffassung, dass Technologie alle Probleme lösen wird?

Technologie wird nicht jedes Problem lösen. Technologie kann uns immer mächtigere Werkzeuge in die Hand geben, die die Menschen nutzen können, um fast jedes materielle Problem zu lösen (unerreichten Wohlstand für jedermann einbezogen) -- vorausgesetzt, wir haben den Weitblick, die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, und zeigen genügend Kooperationsfähigkeit, dass wir neue Technologien nicht dazu verwenden, gegeneinander Krieg zu führen.

Das sind sehr wichtige Bedingungen, und sie lassen erkennen, dass die größte Schwierigkeit, der wir gegenüberstehen werden, nicht technologischer oder naturwissenschaftlicher Natur ist. So groß die technischen Hindernisse auch sein mögen, sie werden mit größter Sicherheit früher oder später bewältigt werden. Die technische Entwicklung scheint fast von allein in eine transhumanistische Richtung zu gehen.

Der wirklich heikle Teil wird der politische sein. Können Menschen und ihre politischen Führungen auf der ganzen Welt genügend Voraussicht und Kooperationsfähigkeit aufbieten, um internationale Abkommen zu schließen und durchzusetzen, die aggressive militärische Anwendung verhindern werden? Oder diese zumindest so lange zu verzögern, bis effektive Verteidigungssysteme entwickelt worden sind? Niemand kann es wissen, aber unser Überleben könnte davon abhängen.
 
 
 
 

Transhumanismus und Natur

Warum wollen Transhumanisten länger leben?

Waren Sie jemals so glücklich, dass sie fast schreien wollten? Gab es Momente in Ihrem Leben, in denen Sie etwas so tief und als so großartig empfanden, dass das normale Leben nur ein langweiliger trüber Schlaf zu sein schien?
Es ist so leicht zu vergessen, wie gut die Dinge stehen können, wenn sie sich optimal entwickeln. Aber manchmal erinnert man sich eben doch daran - sei es an das völlige Vertieftsein in kreative Arbeit oder an das Gefühl von Erfolg oder die Wonnen romantischer Liebe - und wird gewahr, wie wertvoll jede einzelne Minute der Existenz sein kann. Und vielleicht sagt man dann zu sich selbst: "Es sollte immer so sein. Warum kann es nicht auf ewig so bleiben?"

Nun, was ist, wenn es das könnte?

Wenn Transhumanisten danach streben, die menschliche Lebenszeit zu verlängern, dann versuchen sie nicht, ein paar Jahre der Senilität und Krankheit an das Leben eines alten Menschen anzuhängen. Das wäre sinnlos. Nein, sie wollen vielmehr gesunde, glückliche, ergiebige Jahre schaffen. Idealerweise sollte jeder selbst das Recht haben zu entscheiden, wann und wie er sterben will - oder ob er überhaupt nicht sterben möchte. Transhumanisten wollen länger leben, weil sie mehr tun, lernen und erfahren wollen, als sie in einer normalen menschlichen Lebenszeit könnten. Sie wollen weiter wachsen und reifen und sich entwickeln, und zwar für eine bedeutend längere Zeit als die mageren acht Jahrzehnte, die uns von unserer evolutionären Vergangenheit zugeteilt wurden. Die Werbung einer Kryonikorganisation lautet:

"Kluge Lebensführung und Weisheit des Herzens kommen mit der Zeit; in den letzten Quartetten von Beethoven, den letzten Worten und Werken von "alten Männern" wie Sophokles, Russel oder Shaw erahnen wir Reife und Substanz, Erfahrung und Verstehen, Anstand und Humanität, wie sie bei Kindern oder Teenagern nicht anzutreffen sind. Sie haben all das erlangt, weil sie lange genug gelebt haben; weil sie Zeit hatten, zu erfahren und sich zu entwickeln und nachzudenken; Zeit, die wir alle haben könnten. Stellen Sie sich vor, dass solche Menschen wie ein Benjamin Franklin, ein Lincoln, ein Newton, ein Shakespeare, ein Goethe, ein Einstein unsere Welt nicht nur für ein paar Jahrzehnt bereichern, sondern für Jahrhunderte. Stellen sie sich eine Welt vor, die aus solchen Menschen besteht. Das wäre wirklich das, was Arthur C. Clark das "Ende der Kindheit" genannt hat - der Anfang des Erwachsenseins der Menschheit. Sie könnten ein Teil davon sein. Und Sie sollten es. Schließen Sie sich uns an. Wählen Sie das Leben." (The Cryonics Institute)
 
 

Bedeutet Transhumanismus nicht, der Natur ins Handwerk zu pfuschen?

Diese Frage bringt uns zum Kern des Transhumanismus. Transhumanisten finden, dass es richtig ist, sich in die Natur einzumischen. Das ist nichts, wofür man sich schämen müßte. Es gibt überhaupt keinen ethischen oder moralischen Grund, aus dem wir nicht in die Natur eingreifen oder sie verbessern sollten, wo wir nur können, etwa indem wir Krankheiten beseitigen, die Effizienz der Landwirtschaft erhöhen, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, oder Kommunikationssatelliten in die Umlaufbahn befördern, um Haushalte mit Satellitennachrichten und Unterhaltung zu versorgen.
In vielen speziellen Fällen gibt es natürlich gute praktische Gründe, aus denen man sich am besten auf "natürliche" Prozesse verlassen sollte. Die Sache ist aber doch die, dass man nicht entscheiden kann, ob etwas gut oder schlecht ist, indem man einfach fragt, ob es natürlich ist oder nicht. Manche natürlichen Dinge sind schlecht, wie Hunger, Tuberkulose oder von einem Tiger bei lebendigem Leibe gefressen zu werden. Manche synthetischen Dinge sind schlecht, wie Vergiftung mit DDT, Autounfälle und Atomwaffen.

Betrachten wie zum Beispiel die Debatte um das Klonen von Menschen. Manche Leute argumentieren, dass es nicht unnatürlich ist, Menschen zu klonen, weil die Klone im wesentlichen einfach identische Zwillinge sind. Diese Leute haben recht. Das viel grundsätzlichere Argument ist aber, dass es egal ist, ob menschliche Klone natürlich sind oder nicht. Wenn wir darüber diskutieren, ob wir Menschen klonen sollten, dann müssen wir die verschiedenen möglichen wünschenswerten Konsequenzen mit den unerwünschten vergleichen. Danach müssen wir versuchen einzuschätzen, wie wahrscheinlich jede dieser Konsequenzen ist. Diese Debatte ist viel schwieriger, als Klonen einfach als unnatürlich abzutun, aber es ist auch wahrscheinlicher, dass auf diese Weise gute Entscheidungen getroffen werden.

Erscheint all das trivial? Nun, das sollte es! Trotzdem ist es erstaunlich, wie Leute immer noch mit Argumenten davonkommen, die im Grunde (leicht verschleiert) lauten: "Es ist gut, weil es immer so gewesen ist!" oder "Es ist gut, weil die Natur es so gemacht hat!".
 
 

Werden transhumane Technologien uns nicht unmenschlich machen?

Die Ursache dieser Frage liegt in einer Verwechslung der Begriffe "menschlich" und "human". Menschlich ist, was "den Menschen oder der Menschheit gehört; die Eigenschaften oder Merkmale eines Menschen; was die Menschen oder die menschliche Rasse betrifft oder ihr zugehörig ist" (Webster´s Unabriged Dictionary 1913). Transhumane werden viele dieser Merkmale und Eigenschaften verändern. Viele menschliche Eigenschaften sind lästig oder schädlich; die meisten Transhumanisten wollen die positiven Seiten der Menschlichkeit fördern (wie zum Beispiel die, "human" zu sein - also freundlich oder mitfühlend) und sich von den schlechten befreien (oder sie zumindest kontrollieren).
Menschlich zu sein ist kein Wert an sich, genau so, wie kein immanenter Wert darin liegt, ein Felsen, ein Frosch oder ein Posthumaner zu sein. Der Wert liegt darin, wer wir als Individuen sind und was wir mit unserem Leben anfangen.
 
 

Ist der Tod nicht Teil der natürlichen Ordnung der Dinge?

Transhumanisten betonen, dass die Tatsache, ob etwas gut oder wünschenswert ist, nicht davon abhängt, ob es natürlich ist oder nicht [siehe "Bedeutet Transhumanismus nicht, der Natur ins Handwerk zu pfuschen?" und auch "Wird eine erhöhte Lebenserwartung nicht das Problem der Überbevölkerung verschärfen?"].
Die Suche nach Unsterblichkeit ist eine der ältesten und am tiefsten verwurzelten Bestrebungen des Menschen. Sie nimmt eine Schlüsselstellung in der menschlichen Literatur ein, angefangen von der frühesten bekannten Erzählung, dem Gilgamesch-Epos, über unzählige spätere Mythen und Dichtungen. Sie liegt den Lehren der Weltreligionen von spiritueller Unsterblichkeit und der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zugrunde. Falls der Tod Teil einer natürlichen Ordnung ist, dann ist es auch die menschliche Sehnsucht, den Tod zu überwinden.

Bevor es den Transhumanismus gab, waren Wiedergeburt oder Auferstehung in einer anderen Welt die einzige Hoffnung, dem Tod zu entgehen. Für Menschen, die diese religiösen Doktrinen als Erfindungen der menschlichen Phantasie betrachteten, blieb keine Alternative, als den Tod als unausweichlich zu akzeptieren. Weltliche Sichtweisen, den traditionellen Humanismus eingeschlossen, enthalten deshalb typischerweise irgendeine Erklärung, warum der Tod eigentlich gar keine so schlechte Sache sei. Manche Existentialisten behaupten sogar, der Tod sei notwendig, um dem Leben einen Sinn zu geben!

Es ist verständlich, dass die Menschen den Tod rechtfertigen. Bis vor kurzem gab es wirklich nichts, was man gegen den Tod tun konnte, und zu einem bestimmten Grad machte es Sinn, solch tröstende Philosophien zu erschaffen (Transhumanisten nennen sie "deathism" - "Todismus"), nach denen es natürlich und gut ist, an Altersschwäche zu sterben. Solche Ansichten waren relativ harmlos. Aber sie haben ihren Zweck überlebt. Heute erkennen wir bereits die Möglichkeit einer eventuellen Abschaffung des Alterns, und wir haben die Gelegenheit, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um bis dahin am Leben zu bleiben, und zwar durch lebensverlängernde Maßnahmen und Kryonik. Das macht oben erwähnte tröstende Illusionen gefährlich, ja in der Tat tödlich, weil sie uns Hilflosigkeit lehren und Passivität fördern.

Besonders unter Jüngeren ist der Mythos weit verbreitet, dass alte Leute des Lebens "müde" werden. In Wirklichkeit haben viele alte Leute genauso viel Spaß am Leben wie immer. Manche fühlen sich müde vom Leben, wenn sie sehr alt werden, aber das liegt normalerweise daran, dass sie krank sind und keine Hoffnung auf Besserung haben; sie fühlen Geist und Körper dahinsiechen; ihre besten Freunde sind tot oder sterben. Unter solchen Umständen kann der Tod eine willkommene Erlösung sein. Stellen Sie sich jedoch vor, dass Sie ihre Lebenskräfte zurückgewinnen könnten und dass es möglich wäre, Geist und Körper mit der vollen jugendlichen Energie wiederherzustellen (während das ganze Wissen und die Erfahrungen des Lebens erhalten bleiben) und vielleicht einige ihrer alten Freunde ins Leben zurückzurufen. Würden Sie solch ein Angebot ausschlagen? Selbst wenn Sie jetzt denken, dass sie dies täten, würden Sie wahrscheinlich ihre Meinung ändern, wenn Sie diese Entscheidung konkret und real treffen müßten.

Einige könnten trotzdem den Tod wählen. Das ist auch in Ordnung, solange sie ihre Wahl überlegt treffen. Der Rest von uns kann sich auf eine unbegrenzte Lebenszeit in der posthumanen Ära freuen.

Die transhumanistische Position in Bezug auf die ethischen Gesichtspunkte des Todes ist klar. Transhumanisten befürworten die Freiwilligkeit des Todes. Das bedeutet, dass jedermann die Freiheit besitzen sollte, sein Leben zu verlängern oder die kryonische Aufbewahrung seines Körper zu arrangieren. Das bedeutet auch, dass der Freitod als ein grundlegendes Menschenrecht betrachtet werden sollte.
 
 

Sind transhumanistische Technologien ökologisch unbedenklich?

Ganz allgemein sind transhumanistische Technologien für die Umwelt unschädlich. Technologien im Zwischenstadium verschmutzen die Umwelt typischerweise viel mehr als fortgeschrittenere Technologien. Der industrielle Sektor der früheren Sowjetunion ist zum Beispiel viel umweltschädlicher als sein höher entwickelter Gegenpart im Westen. Informationstechnologien, medizinische Verfahren und High-Tech im Allgemeinen sind relativ sauber.
Transhumanisten können eine noch deutlichere Feststellung bezüglich der Umwelt treffen: die heutigen Technologien können nicht aufrechterhalten werden. Wir verbrauchen kostbare Ressourcen (Öl, Metalle, die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre an Schmutz) viel schneller, als diese sich regenerieren können. Bei der jetzigen Konsumrate werden wir diese Ressourcen irgendwann im nächsten Jahrhundert erschöpft haben. Die realistischen Alternativen, die vorgeschlagen wurden, sind mit der transhumanistischen Empfehlung eng verbunden: die Technologie auf ein fortgeschritteneres Niveau zu heben. Die transhumanistischen Technologien sind nicht nur ökologisch sinnvoll, für die Umwelt könnten sie langfristig die einzige verträgliche Option sein.

Mit ausgereifter molekularer Nanotechnologie wird uns eine Methode zur Verfügung stehen, praktisch jedes Produkt ohne Abfälle oder Verschmutzung herzustellen. Sie wird uns auch erlauben, die Probleme zu beseitigen, die von den heutigen primitiven Technologien geschaffen wurden. Dies setzt einen Standard, den andere Umwelttechniken unmöglich erreichen können. Nanotechnologie würde es auch ökonomisch möglich machen, Solarkraftwerke im Weltraum zu bauen, auf anderen Planeten oder Monden nach Erzen und Mineralien zu schürfen und die Schwerindustrie von der Erde zu verbannen. Die einzige langfristige Lösung der Ressourcenknappheit ist die Besiedelung des Weltraums.

Besonders beachtet werden sollte außerdem, dass vom transhumanistischen Standpunkt nicht nur die Menschheit, sondern auch ihre Schöpfungen und Aktionen Teil der erweiterten Biosphäre sind, und menschliche Eingriffe gehören selbstverständlich dazu.
 
 
 
 

Transhumanismus als philosophischer und kultureller Standpunkt

Was ist die kulturelle und philosophische Vorgeschichte des Transhumanismus?

Der menschliche Wunsch, gottähnliche Eigenschaften zu erwerben, ist vermutlich so alt wie die menschliche Spezies selbst. Menschen haben immer danach gestrebt, die Grenzen ihrer Existenz auszudehnen, sei es geographisch, ökologisch oder geistig. Zumindest bei manchen Individuen gibt es die Tendenz, immer eine Umgehung für jede Beschränkung und jedes Hindernis zu finden.
Zeremonielle Begräbnisse und erhalten gebliebene Fragmente von religiösen Schriftstücken zeigen, dass prähistorische Menschen vom Tod ihrer geliebten Mitmenschen sehr ergriffen waren und dass sie versuchten, ihre offensichtliche Konfusion zu kompensieren, indem sie ein Leben nach dem Tod postulierten. Aber trotz der Idee von einem Leben nach dem Tode strebten die Leute weiterhin nach einem längeren Leben. In der sumerischen Geschichte von Gilgamesch (ca. 2000 v. Chr.) veranlaßt ein König die Suche nach einem Kraut, dass ihm Unsterblichkeit verleihen kann. Es ist wichtig anzumerken, dass von der Sterblichkeit sowohl angenommen wurde, dass sie nicht prinzipiell unausweichlich ist, als auch, dass Methoden existieren (zumindest mythologische), sie zu erreichen. Dass Menschen wirklich nach einem längeren und reicheren Leben streben, kann man an der Entwicklung der verschiedenen Systeme der Zauberei und der Alchemie erkennen; es mangelte an praktischen Mitteln, also versuchte man magische. Ein typisches Beispiel sind die verschiedenen Schulen des esoterischen Taoismus in China, die nach körperlicher Unsterblichkeit und Kontrolle/Harmonie mit den Kräften der Natur strebten.

Die Griechen hatten eine ambivalente Haltung gegenüber Menschen, die ihre natürliche Grenzen überschreiten. Auf der einen Seite waren sie von dieser Idee fasziniert. Das sieht man in der Sage von Prometheus, der Zeus das Feuer stahl und es den Menschen gab und damit die menschlichen Lebensumstände permanent verbesserte. Im Dädalusmythos werden die Götter mehrmals recht erfolgreich von dem schlauen Konstrukteur und Künstler Dädalus herausgefordert, der nicht-magische Mittel einsetzt, um die menschlichen Fähigkeiten zu erweitern. Auf der anderen Seite steht das Konzept der Hybris: Manche Ambitionen sind jenseits aller Grenzen und schlagen in das Gegenteil um, wenn sie verfolgt werden. Dädalus' Unternehmungen enden schließlich in einer Katastrophe (was jedoch keine Strafe der Götter war, sondern ausschließlich natürliche Ursachen hat).

Griechische Philosophen versuchten als erste, Denksysteme zu schaffen, die nicht völlig auf dem Glauben beruhten, sondern auf logischem Denken. Sokrates und die Sophisten haben die Anwendung des kritischen Denkens von der Metaphysik und der Kosmologie ausgedehnt auf das Studium der Ethik und auf Fragen über die menschliche Gesellschaft und Psychologie. Daraus ging der kulturelle Humanismus hervor, eine sehr wichtige Strömung in der gesamten Geschichte der westlichen Wissenschaft, Politik, Ethik und Gesetzgebung.

Die Renaissance bedeutete das Erwachen aus mittelalterlichen Denkweisen, und der Mensch und die natürliche Welt wurden als Forschungsobjekte wieder zugelassen. Der Humanismus der Renaissance ermutigte die Leute dazu, sich lieber auf die eigenen Beobachtungen und die eigene Beurteilung zu verlassen, als sich in allem den religiösen Autoritäten zu fügen. Der Humanismus der Renaissance schuf auch das Ideal einer gebildeten Persönlichkeit, die wissenschaftlich, moralisch, kulturell und spirituell hoch entwickelt ist. Ein Meilenstein ist "Über die Würde des Menschen" von Giovanni Pico della Mirandolas (1486), in welchem Werk er explizit sagt, dass der Mensch keine fertige Gestalt hat, sondern dass es die Aufgabe des Menschen sei, sich selbst eine Gestalt zu geben. Durch die Arbeiten von Kopernikus, Kepler und Galileo entstehen die Anfänge der modernen Wissenschaft.

Man kann sagen, dass das Zeitalter der Aufklärung beginnt mit der Veröffentlichung von Francis Bacons Novum Organum, dem "Neuen Werkzeug" (1620), in welchem er eine neue wissenschaftliche Methode vorschlägt, die auf empirischen Forschungen basiert und nicht auf A-priori-Folgerungen. Bacon war ein Verfechter des Projekts, "alles zu tun, was möglich ist", womit er das Erlangen der Herrschaft über die Natur zur Verbesserung der menschlichen Lebensumstände meinte. Im Verein mit den Einflüssen von Kolumbus und Isaac Newton, Thomas Hobbs, John Locke, Immanuel Kant und anderen begründete das Erbe der Renaissance den rationalen Humanismus, der großen Wert auf die Wissenschaft und das kritische Denken - statt auf Offenbarung und religiöse Autorität - legt, um etwas über die natürliche Welt und das Schicksal und Wesen des Menschen herauszufinden und die Grundlage für eine Moral zu legen. Der rationale Humanismus ist ein direkter Vorgänger des Transhumanismus.

Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert tauchte zuerst sporadisch die Idee auf, dass sich sogar die Menschen selbst durch die Anwendung der Wissenschaft weiterentwickeln können. Benjamin Franklin und Voltaire spekulierten darüber, die menschliche Lebenszeit durch medizinische Forschung zu verlängern. Besonders nach Darwins Evolutionstheorie wurden Atheismus oder Agnostizismus zunehmend als attraktive Alternativen zum Christentum angesehen. Jedoch entartete der Optimismus im späten neunzehnten Jahrhundert häufig zu Positivismus und dem Glauben, der Fortschritt sei unvermeidlich. Als diese Ansicht mit der Realität kollidierte, hatte das zur Folge, dass viele zum Irrationalismus wechselten, weil sie fälschlicherweise folgerten, dass die Vernunft wertlos sein muß, weil sie allein nicht ausreichend ist. Dies mündete in die antitechnologischen, antiintellektuellen Einstellungen, die es heute immer noch gibt, zum Beispiel in der New-Age-Bewegung.

Ein wichtiger Stimulus bei der Entstehung des Transhumanismus war das Essay "Daedalus: Science and the Future" ("Dädalus: Wissenschaft und die Zukunft" (1923)) des britischen Biochemikers J. B. S. Haldane, in dem er diskutiert, wie wissenschaftliche und technologische Erkenntnisse die Gesellschaft beeinflussen und den menschlichen Zustand verbessern können. Das Essay stieß eine Kettenreaktion von Diskussionen über die Zukunft an, einschließlich "The World, the Flesh and the Devil" ("Die Welt, der Körper und der Teufel") von J. D. Bernal (1929), das sowohl über die Besiedelung des Weltraums und bionische Implantate spekuliert wie auch über mentale Verbesserungen durch fortgeschrittene Soziologie und Psychologie; die Arbeiten von Olaf Stapledon und das Essay "Icarus: the Future of Science" ("Ikarus: die Zukunft der Wissenschaft", 1924) von Bertrand Russell, der einen pessimistischeren Standpunkt einnahm, indem er argumentierte, dass technologische Macht ohne mehr Güte in der Welt hauptsächlich zur Vergrößerung der Möglichkeiten führen wird, sich gegenseitig Leid zuzufügen. Diese Ideen, die in Aldous Huxleys Romanen und später von vielen Science-Fiction-Autoren weiterentwickelt wurden, haben das transhumanistische Denken und die Forschungen über die Zukunft beeinflußt.

Die Richtung vieler Strömungen, die zum Transhumanismus führten, wurde durch den Zweiten Weltkrieg geändert. Die frühere Eugenikbewegung war ernsthaft diskreditiert, und die Idee von der Erschaffung einer neuen und besseren Welt wurde zum Tabu und war passé. (Selbst heutige Transhumanisten betrachten eine kollektive Veränderung mit tiefem Argwohn; das Ziel ist eher, sich selbst und vielleicht seine Nachkommen neu zu gestalten.) Statt dessen wendeten optimistische Futuristen ihre Aufmerksamkeit mehr dem technologischen Fortschritt, also zum Beispiel der Raumfahrt, der Elektronik oder Computern zu. Die Wissenschaft begann, die Spekulationen einzuholen.

Transhumanistische Gedanken wurden in diesem Zeitraum hauptsächlich in der Science-Fiction-Literatur diskutiert und analysiert. Autoren wie Arthur C. Clarke, Isaac Asimov, Heinlein, Stanislaw Lem und später Bruce Sterling, Greg Egan, Vernor Vinge und viele andere erforschten verschiedene Aspekte des Transhumanismus und trugen zu seiner Ausbreitung bei.

Robert Ettinger spielte eine wichtige Rolle dabei, dem Transhumanismus seine moderne Form zu geben. Er startete die Kryonikbewegung mit der Veröffentlichung seines Buches "The Prospect of Immortality" ("Die Aussicht auf Unsterblichkeit", 1964). Er argumentierte, dass es möglich sein sollte, eine Person heute einzufrieren und sie so lange zu konservieren, bis die Technologie so ausgereift ist, dass beim Einfrieren entstandene Zellschäden repariert und andere möglicherweise vorhandene Krankheiten geheilt werden können. Nach Ettinger soll dies möglich sein, weil der medizinische Fortschritt ständig voranschreitet und weil bei einer genügend niedrigen Temperatur keine chemischen Reaktionen mehr stattfinden. 1972 veröffentlichte er Man into Superman und erörterte darin eine Anzahl von vorstellbaren Verbesserungen des Menschen, womit er die von Haldane und Bernal begonnene Tradition fortführte.

Ein weiterer einflußreicher früher Transhumanist ist F. M. Esfandiary, der seinen Namen später in FM-2030 änderte. Als einer der ersten Professoren für Zukunftsstudien lehrte FM in den 1960ern an der New School for Social Research in New York und gründete eine Schule von optimistischen Futuristen, die als UpWingers bekannt wurden. In seinem Buch von 1989 Are you a transhuman? ("Bist Du ein Transhumaner?") kann man die erste Beschreibung eines Transhumanen als Brücke der Evolution in Richtung Posthumanität finden. (Eine Bemerkung zur Terminologie: FM nannte die Transhumanen auch "trans". Das Wort "transhuman" wurde zuerst 1976 in einer Science-Fiction-Geschichte von Damien Broderick benutzt, obwohl es dort für ein etwas anderes Konzept stand. Das Wort "Transhumanismus" wurde von Julian Huxley in New Bottles of New Wine (1957) geprägt.)

In den Siebzigern und Achtzigern traten viele Organisationen für Lebensverlängerung, Kryonik, die Kolonisation des Weltraums oder Futurismus in Erscheinung. Im Allgemeinen waren sie voneinander isoliert, obwohl viele von ihnen ähnliche Ansichten und Werte teilten. Ein prominenter Fürsprecher eines transhumanistischen Standpunktes in dieser Epoche war Marvin Minsky.

1988 erschien die erste Ausgabe des Extropy Magazine von Max More und T.O. Morrow, und 1992 gründeten sie das Extropy Institute. Die Zeitschrift und das Institut dienten als Katalysatoren, um viele der früher separaten Gruppen zusammenzuführen. Max More schrieb die erste Definition des Wortes "Transhumanismus" in seiner modernen Bedeutung. Falls jemand ein Datum und einen Ort für die Geburt des modernen Transhumanismus festlegen möchte, dann ist es Amerika in den späten Achtzigern. Um diese Zeit entstand auch die transhumanistische Kunstbewegung mit den Arbeiten von Natasha Vita-More.

Eric Drexlers Engines of Creation (1986) war die erste Abhandlung vom Umfang eines Buches über molekulare Nanotechnologie, ihren potentiellen Nutzen und Mißbrauch und über die strategischen Fragen, die durch ihre Entwicklung aufkommen. Dieses bahnbrechende Buch hatte eine gewaltige und dauerhafte Wirkung auf die Gedanken von Transhumanisten. Einflußreich waren auch Mind Children (1988) des Roboterforschers Hans Moravec und sein neueres Buch Robot (1999). Drexler und Moravec stehen heute mit an der Spitze des transhumanistischen Denkens. Zwei andere einflußreiche zeitgenössische Transhumanisten sind Anders Sandberg und der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Polymath Robin Hanson.

Viele Transhumanisten stimmen nicht mit allen politischen Ansichten des Extropy Institute überein. Deshalb wurde 1998 von Nick Bostrom und David Pearce die World Transhumanist Association gegründet, um das Institut zu ergänzen und zu einem Dachverband für alle dem Transhumanismus verwandten Gruppen und Interessen zu machen. Die WTA konzentriert sich darauf, Transhumanismus als eine ernsthafte akademische und wissenschaftliche Disziplin zu fördern, und gibt das Journal of Transhumanism heraus, das erste wissenschaftliche Peer-Review-Journal für transhumanistische Forschung.

Verweise: 
Giovanni Pico della Mirandola. 1486. Oration on the Dignity of Man. http://www.physics.wisc.edu/~shalizi/Mirandola/

Haldane, J. B. S. 1923. Daedalus: Science and the Future. http://www.physics.wisc.edu/~shalizi/Daedalus.html

Russell, B. 1924. Icarus: The Future of Science. http://www.physics.wisc.edu/~shalizi/Icarus.html

Bernal, J. D. 1929. The World, the Flesh & the Devil. http://www.physics.wisc.edu/~shalizi/Bernal/

Ettinger, R. 1964. The Prospect of Immortality. http://www.cryonics.org/book1.html

Ettinger, R. 1972. Man into Superman. http://www.cryonics.org/book2.html

Drexler, E. 1986. The Engines of Creation: The Coming Era of Nanotechnology, chapters 11-15.
http://www.foresight.org/EOC/index.html

Journal of Transhumanism. http://www.transhumanist.com/
 
 

Ist Extropianismus dasselbe wie Transhumanismus?

Der Extropianismus repräsentiert ein bestimmtes Teilgebiet transhumanistischen Denkens (d.h., alle Extropianer sind Transhumanisten, aber nicht umgekehrt). Der Name "Extropianer" leitet sich her vom Begriff der "Extropie", der von Max More und Tom Morrow geprägt wurde und sich auf das Wachstum und die Vitalität eines Systems bezieht.

Extropianismus wird definiert durch die Extropischen Grundsätze, ein Dokument, das von den Gründern und Mitgliedern des Extropy Institute verfaßt wurde. Die Version 3.0 der Prinzipien listet sieben Grundsätze auf, die für die Extropianer und für die Entwicklung ihres Denkens wichtig sind: Kontinuierlicher Fortschritt, Selbstverbesserung, Aktiver Optimismus, Intelligente Technologie, Offene Gesellschaft, Selbstbestimmung und Rationalität.

Politisch lehnen die Extropianer jede autoritäre soziale Kontrolle ab und bevorzugen Rechtsstaatlichkeit und die Dezentralisierung der Macht. Der Transhumanismus an sich bevorzugt keine bestimmte politische Meinung, auch wenn er politische Konsequenzen hat. Die Transhumanisten selbst haben eine große Bandbreite an politischen Einstellungen (es gibt Liberale, Sozialdemokraten, Anarchisten, Grüne etc.), und manche haben sich entschieden, unpolitisch zu bleiben.

Verweis:
More, M. 1998. The Extropian Principles, v. 3.0. http://www.maxmore.com/extprn3.htm
 
 

Welche Strömungen gibt es innerhalb des Transhumanismus?

Innerhalb des transhumanistischen Denkens existiert eine große Vielzahl von Meinungen, und viele Teilgruppen haben sich aufgrund von speziellen Interessen, Ansichten, Werten oder der geographischen Lage gebildet.

Die Gruppen, die sich durch ihre Interessen unterscheiden, umfassen: Kryoniker, Lebensverlängerer, Nanotechnologiespezialisten, die "Wired"-Gemeinschaft, Weltraumenthusiasten, transhumanistische Künstler, Science-Fiction-Fans, Cyberpunks und Leute, die mit alternativen sozialen Gruppierungen experimentieren.

Die Extropianer stellen eine prominente transhumanistische Gruppe dar, denen Selbstbestimmung, Selbstverbesserung, individuelle Freiheit und die Freiheit vom Zwang des Staates wichtig sind [siehe "Ist Extropianismus dasselbe wie Transhumanismus?"].

Eine andere transhumanistische Strömung wird durch die Verfechter einer Art von "Paradieskonstruktion" vertreten, wie sie in David Pearces Hedonistischem Imperativ umrissen wurde. Pearce plädiert von einem ethischen Standpunkt aus für ein biologisches Programm, durch das alle Formen von Grausamkeit, Leid und Unbehagen abgeschafft werden sollen. In der näheren Zukunft kann unser emotionales Leben durch bewußtseinsverändernde Designerdrogen bereichert werden (damit sind keine illegalen Drogen gemeint, wie sie heute verkauft werden). Langfristig gesehen jedoch ist es technisch machbar, das Genom der Wirbeltiere umzuschreiben. Biotechnologie kann Leid überall in der lebendigen Welt abschaffen. Pearce argumentiert, dass "postdarwinistische Superintellekte" allein durch Abstufungen von genetisch vorprogrammiertem Wohlbefinden angetrieben werden.

Transhumanisten haben verschiedene Auffassungen sowohl über den zeitlichen Rahmen der zukünftigen Veränderungen als auch darüber, wie radikal diese Veränderungen sein werden. Die Singularianer, die das Auftreten einer Singularität voraussagen [siehe "Was versteht man unter der Singularität?"], stellen das eine Ende des Spektrums dar, während andere Transhumanisten Vorhersagen treffen, die auf einem eher allmählichen Fortschreiten der Evolution begründet sind.

Lokale transhumanistische Diskussionsgruppen haben sich in amerikanischen Großstädten und in europäischen Ländern gebildet. Obwohl der Transhumanismus kosmopolitisch ist, hat jede dieser Gruppen einen eigenen Charakter entwickelt, wahrscheinlich aufgrund der lokalen memetischen Gegebenheiten.

Führende transhumanistische Denker wehren sich häufig dagegen, in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden. Jeder steht für eine eigene transhumanistische Richtung und hat komplexe und differenzierte Ansichten, die ständig verändert und weiterentwickelt werden.

Verweis:
Links zu individuellen Homepages und transhumanistischen Interessengruppen:
http://www.transhumanism.com/hotlinks.htm
 

Handelt es sich beim Transhumanismus um eine Sekte/eine Religion?

Transhumanismus ist definitiv keine Sekte; er erfüllt nicht eine der Kriterien für eine Sekte, die von dem "Cult Awareness Network" und anderen Organisationen aufgestellt wurden.

Transhumanismus ist auch keine Religion, obwohl er einige Funktionen erfüllt, die die Menschen traditionell den Religionen übertragen haben. Der Transhumanismus bietet Richtung und Lebenszweck und zeigt eine Vision, nach der die Menschen etwas Größeres als unsere gegenwärtigen Seinsbedingungen erreichen können. Im Gegensatz zu den meisten religiösen Gläubigen streben Transhumanisten danach, ihre Träume im Diesseits zu verwirklichen, indem sie nicht auf übernatürliche Kräfte vertrauen, sondern auf Rationalität und Empirie, und dabei auf die fortschreitende wissenschaftliche, technische, ökonomische und menschliche Entwicklung bauen. Sogar die ehemals exklusiven Paukenschläge der Kirchen wie Unsterblichkeit, ständige Glückseligkeit und eine göttliche Intelligenz werden von Transhumanisten als hypothetische technische Leistungen diskutiert!

Transhumanismus ist eine naturalistische Philosophie. Gegenwärtig gibt es keine soliden Beweise für übernatürliche Kräfte oder unerklärliche spirituelle Phänomene, und Transhumanisten ziehen es vor, sich auf rationale Methoden zu verlassen, besonders auf die wissenschaftliche Methode, um die Welt zu verstehen und in sie einzugreifen. Obwohl die Wissenschaft die Grundlage vieler transhumanistischer Bestrebungen bildet, sind sich die Transhumanisten darüber im klaren, dass die wissenschaftliche Methode ihre eigene Fehlbarkeit und Unvollkommenheit besitzt.

Religiöser Fanatismus, Aberglaube und Intoleranz sind unter Transhumanisten nicht akzeptabel. Sie sind überzeugt, dass viele Vorurteile durch eine wissenschaftliche und humanistische Erziehung, Schulung in kritischem Denken und durch den Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen überwunden werden können.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Transhumanismus kein feststehender Satz von Dogmen ist. Es ist eine sich entwickelnde Weltanschauung. Oder eher noch eine Gruppe von sich entwickelnden Weltanschauungen - Transhumanisten stimmen bei vielen Fragen nämlich häufig nicht überein. Die transhumanistische Philosophie befindet sich noch im Entwicklungsstadium und soll sich im Licht von neuen Erfahrungen und neuen Möglichkeiten ständig weiterentwickeln. Transhumanisten suchen herausfinden, wo sie falsch liegen, und sind bemüht, ihre Ansichten entsprechend zu ändern.
 
 

Werden Konzepte wie Uploading, Kryonik oder KI nicht misslingen, weil sie eine Seele nicht erhalten oder erzeugen können?

Obwohl das Konzept einer Seele für eine naturalistische Philosophie wie den Transhumanismus nicht besonders nützlich ist und sich damit nur schwer in Einklang bringen läßt, interessieren sich viele Transhumanisten für daraus resultierende Probleme im Zusammenhang mit persönlicher Identität und Bewußtsein. Diese Probleme waren Gegenstand einer lebhaften Debatte unter zeitgenössischen analytischen Philosophen, und obwohl einige Fortschritte gemacht wurden (z.B. in Derek Parfits Arbeit über persönliche Identität), wurden sie bisher noch nicht zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst. Eine leicht verständliche Einführung in das Geist-Körper-Problem bietet Churchland (1988).

Ist man der Ansicht, dass eine Seele existiert und dass sie bei der Empfängnis in den Körper eintritt, dann ist ein Funktionieren der Kryonik möglich, weil menschliche Embryos bereits erfolgreich eingefroren, für längere Zeit aufbewahrt und ihren Müttern wieder implantiert wurden, welche daraufhin gesunde und normale Kinder zur Welt brachten (die vermutlich eine Seele haben). Uploading wäre in vielfacher Hinsicht ein empirischer Test für viele Vorstellungen von der Seele. Falls Uploading funktioniert, müßten bestimmte Vorstellungen über die Seele revidiert werden. Das gleiche gilt für intelligente Maschinen. (Es ist interessant anzumerken, dass der Dalai Lama die Möglichkeit einer Wiedergeburt im Computer nicht ausgeschlossen hat.)

Verweise:
Churchland, P. 1988. Matter and Consciousness. MIT Press, MA.

Parfit, D. 1984. Reasons and Persons. Oxford Univ. Press, Oxford.

(Interview mit dem Dalai Lama http://www.aleph.se/Trans/Global/Uploading/lama_upload.txt)
 
 

Gibt es transhumanistische Kunst?

Ja. Emotionen sind ein wichtiges Werkzeug, um das Leben zu fühlen und zu verstehen. Transhumanistische Künstler versuchen, den transhumanen Zustand und das von der Wissenschaft aufgedeckte Weltbild intuitiv zu erfassen und zu interpretieren. In der transhumanistischen Kunst ist das Verschmelzen der menschlichen Kultur mit Wissenschaft und Technologie häufig Inhalt und Medium zugleich. Transhumanistische Kunst drückt transhumanistische Werte wie Lebensverlängerung, zunehmende Vitalität und Kreativität, die Erforschung der Welt, das Verfolgen einer grenzenlosen Selbstverbesserung und gesteigerte Sinneserfahrungen aus. Manche Transhumanisten nutzen die Kunst, um ihre Philosophie auszuleben.

Transhumanistische Kunst wird von Transhumanisten verschiedener Richtungen geschaffen. Sie umfaßt bekannte Kunstformen wie Literatur, Musik, visuelle, elektronische, darstellende und Roboterkünste genauso wie Ausdrucksformen, die erst noch entwickelt werden. Sie schließt zum Beispiel Arbeiten von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Technikern, Philosophen, Athleten, Ausbildern und Mathematikern ein. Ideen und Visionen über die Evolution, Transhumane, Biotechnologie, künstliches Leben, Extropie und Unsterblichkeit sind ein Teil der Kunst geworden.

Einige Teilbereiche sind: Extropische Kunst, automorphe Kunst (ein individualistischer Ansatz zu extropischer Selbstverbesserung, der Geist und Körper einschließt: transhumane Existenz als Kunst) und Exoterra-Kunst (eine Fusion von Kunst mit dem Universum).

Verweise:
http://www.transhuman.org/

http://www.extropic-art.com/
 
 
 
 

Praxis und Realisierbarkeit im Transhumanismus

Was spricht dafür, dass solche Entwicklungen eintreten werden?

Schauen Sie sich um in der heutigen Welt. Vergleichen Sie das, was sie sehen, mit dem, was Sie vor nur sechzig Jahren gesehen hätten. Es ist keine besonders gewagte Vermutung, dass das technologische Niveau und die Lebensweise der Menschen in sechzig Jahren von unserem heutigen Standpunkt aus ziemlich erstaunlich erscheinen werden. Selbst unter der konservativen Annahme, dass die Welt sich weiterhin in einem so gemächlichen Tempo entwickelt, wie sie das seit dem siebzehnten Jahrhundert getan hat, könnten wir in den nächsten Jahrzehnten dramatische Entwicklungen zu sehen bekommen.

Diese Erwartung wird noch verstärkt durch die Beobachtung, dass auf vielen wichtigen Gebieten ein entscheidender Durchbruch bevorzustehen scheint. Das World Wide Web beginnt, die Leute überall auf der Welt miteinander zu verbinden, und fügt so der menschlichen Gesellschaft eine neue Ebene hinzu, die von der Information beherrscht wird. Wir sind dabei, die Erfassung des menschlichen Genoms abzuschließen, und entwickeln neue gentechnische Verfahren, um diese Informationen für Eingriffe in den erwachsenen menschlichen Körper zu nutzen oder unsere Nachkommen mit wünschenswerten Eigenschaften auszustatten. Die Leistung von Computern verdoppelt sich alle 18 Monate und wird sich ziemlich bald menschlichem Niveau nähern. Pharmakonzerne verbessern Drogen, die es uns erlauben, menschliche Stimmungen und Aspekte der menschlichen Persönlichkeit mit geringen Nebenwirkungen zu regulieren. Viele transhumanistische Ziele können schon mit den vorhandenen Technologien angestrebt werden. Kann es irgendeinen Zweifel daran geben (abgesehen von einer zivilisationszerstörenden Katastrophe), dass der technologische Fortschritt uns in Zukunft sehr viel radikalere Möglichkeiten eröffnen wird?

Die molekulare Fabrikation hat das Potential, die Lebensumstände der Menschen völlig zu verändern. Ist sie eine realisierbare Technologie? Eric Drexler und andere haben detailliert dargelegt, dass die Nanotechnologie im Einklang mit den Gesetzen der Chemie steht, und sie haben einige Wege umrissen, entlang derer sie entwickelt werden könnte [siehe "Was ist Nanotechnologie?"]. Die nanotechnologische Entwicklung mag weit hergeholt erscheinen, vielleicht, weil ihre Konsequenzen zu überwältigend sind, aber Nanotechnologiespezialisten weisen darauf hin, dass bislang keine Kritik an Drexlers fachlichen Argumenten veröffentlicht wurde. Niemand hat irgendeinen Fehler in seinen Berechnungen finden können. Inzwischen wachsen die Investitionen auf diesem Gebiet (bereits Milliarden von Dollar) rapide an, und zumindest die weniger visionären Aspekte der molekularen Fabrikation sind schon allgemeines Gedankengut.

Es gibt viele unabhängige Methoden und Technologien, die es den Menschen ermöglichen könnten, posthuman zu werden. Es ist nicht sicher, welche Technologie zuerst perfektioniert wird, und wir haben die Wahl, welche Methoden wir benutzen wollen. Aber wenn wir annehmen, dass die Zivilisation weiterhin gedeiht, dann scheint die Möglichkeit unausweichlich, posthuman zu werden. Und wenn sie nicht unterdrückt und mit Gewalt daran gehindert werden, dann werden sich viele dazu entscheiden, diese Möglichkeit zu erkunden.

Verweis:
Drexler, E. 1992. Nanosystems, John Wiley & Sons, Inc., NY.
 
 

Werden diese transhumanistischen Entwicklungen nicht Tausende oder Millionen von Jahren benötigen?

Es ist häufig sehr schwierig vorauszusagen, wie lange eine bestimmte technologische Entwicklung brauchen wird. Die Mondlandung geschah früher, als es die meisten Leute erwartet hätten; aber die Fusionsenergie läßt nach einem halben Jahrhundert voller Hoffnungen noch immer auf sich warten. Der Grund, aus dem es so schwierig ist, genaue Voraussagen über den Zeitraum zu machen, liegt zum Teil in der Möglichkeit unerwarteter technischer Hindernisse und teilweise an der Tatsache, dass die Geschwindigkeit des Fortschritts vom Investitionsvolumen abhängt, welches wiederum von schwer einschätzbaren ökonomischen und politischen Faktoren bestimmt wird. Daher kann man in vielen Fällen zwar gute Gründe für die Ansicht angeben, dass eine Technologie früher oder später entwickelt wird, aber gewöhnlich kann man nur raten, wie lange es dauern wird.

Die große Mehrheit der Transhumanisten glaubt, dass sowohl Superintelligenz als auch Nanotechnologie in weniger als hundert Jahren entstehen werden, und viele sagen voraus, dass es sie schon innerhalb des ersten Drittels des nächsten Jahrhunderts geben wird. [Die Gründe dafür sind in den jeweiligen Abschnitten über diese beiden Technologien umrissen.] Sobald Nanotechnologie und Superintelligenz existieren, wird rasch ein großes Sortiment spezieller Anwendungen folgen.

Es wäre möglich, eine lange Liste von Beispielen anzuführen, in denen Menschen in der Vergangenheit ernsthaft etwas für technisch völlig unmöglich erklärt haben:

"Die Geheimnisse des Fliegens werden nicht zu unseren Lebzeiten gemeistert werden - nicht einmal innerhalb von tausend Jahren."
(Wilbur Wright, 1901)
oder für sozial unwichtig:
"Es gibt keinen Grund, warum jemand einen Computer im Hause haben sollte."
(Ken Olsen: Präsident, Vorsitzender und Gründer von Digital, 1977)
- nur um es ein paar Jahre später zu erleben. Auf der anderen Seite könnte man eine ähnlich lange Liste von Voraussagen anführen, die nicht erfolgte Durchbrüche prognostizierten. Diese Frage kann nicht geklärt werden, indem man historische Parallelen zieht.

Eine bessere Strategie ist es, sich direkt anzuschauen, was eine sorgfältige Analyse der zugrundeliegenden physikalischen Bedingungen und Designprobleme verraten könnte. Im Falle der wichtigsten Zukunftstechnologien - Nanotechnologie und Superintelligenz - wurde solch eine Analyse durchgeführt, und viele Experten gehen davon aus, dass diese Technologien wahrscheinlich in den ersten Jahrzehnten des nächsten Jahrhundert entwickelt werden. Andere Experten glauben, dass es viel länger dauern wird.

Eine andere Möglichkeit, sich eine Meinung dazu zu bilden, wohin wir steuern, ist die Analyse vergangener Trends. Spätestens seit dem späten neunzehnten Jahrhundert haben sich Wissenschaft und Technologie (gemessen an einer grossen Zahl von Indikatoren) etwa alle 15 Jahre verdoppelt. Wenn man diesen exponentiellen Fortschritt extrapoliert, muss man für die nahe Zukunft noch viel dramatischere Veränderungen erwarten. Ein völliger Bruch mit den gegenwärtigen Trends, eine unerwartete Verlangsamung wären nötig, damit die von den Transhumanisten für das nächste Jahrhundert vorausgesagten Veränderungen nicht eintreten.

Verweise:
Falsche Vorhersagen: http://www.foresight.org/News/negativeComments.html

Drexler, E. 1992. Nanosystems, John Wiley & Sons, Inc., NY.

Moravec, H. 1998. Robot: Mere Machine to Transcendent Mind. Oxford Univ. Press.

Kurzweil, R. 1999. The age of spiritual machines. Viking Press.
 
 

Was ist, falls all dies nicht funktionieren wird?

Dann werden wir uns vermutlich wieder im status quo vorfinden, aber wir werden auch durch die neuen Einsichten und Techniken bereichert sein, die wir bei dem Versuch entdeckt haben. Aber die Frage ist nicht so sehr, ob es funktionieren wird, sondern was funktionieren wird und wann. Die vielen bereits verfügbaren Technologien mit ihrem großen Potential für Veränderung sowie jene, die unstrittig auf dem Wege sind, demonstrieren unzweifelhaft breiten Raum für die menschliche Selbstverbesserung. Die überragenden transhumanen Technologien wie Nanotechnologie und Superintelligenz können auf verschiedenen unabhängigen Wegen erreicht werden. Sollte sich ein Weg als versperrt erweisen, kann ein anderer versucht werden, was die Wahrscheinlichkeit des Erfolges erhöht.

Falls die Wissenschaftler aus irgendeinem unvorhersehbaren Grund keine molekulare Nanotechnologie und keine übermenschliche künstliche Intelligenz entwickeln können - und damit auch keine darauf basierenden Technologien wie Uploading, Kryonik oder unendliche Lebensverlängerung - so würden die Transhumanisten dies als unglaublich tragisch empfinden. Man könnte dann vielleicht niemals eine Welt frei von Leiden, Krankheit und Tod erschaffen; niemals die höheren Ebenen intellektueller Kreativität und Verstehen erfahren, die einem durch eine Informationsverarbeitung zugänglich wären, die besser ist als das menschliche Nervensystem; niemals die Gelegenheit haben, die Emotionen und tiefen Bewußtseinszustände auszuloten, die ein unverbessertes Gehirn nicht erreichen oder tragen kann; man würde niemals wissen, was für eine Stufe persönlicher Entwicklung man erreichen könnte, indem man 120, 400 oder sogar 50000 Jahre mit jugendlichem Elan lebt. Sicherlich würden die Menschen Trost finden durch all die nützlichen Werkzeuge, die auf der Reise zweifellos entdeckt werden - neue gentechnische Methoden, stimmungsverändernde Drogen, Informationstechnologie, schnellere Computer, neue nützliche Chemikalien, neue medizinische Behandlungen, Organtransplantationstechniken, bessere Computerspeicher - aber Transhumanisten haben größere Ambitionen.
 
 

Wie kann ich Ideen des Transhumanismus in meinem eigenen Leben nutzen?

Transhumanismus ist eine praktische Philosophie, die sehr bodenständig sein kann. Es gibt daher unzählige Methoden, wie man sie in seinem Leben anwenden kann; sie reichen von einer Diät und Sport zur Verbesserung von Gesundheit und Lebenserwartung bis hin zum Abschließen eines Kryonikvertrages; man kann Geld verdienen, indem man in Technologieaktien investiert; klinische Drogen benutzen, um Parameter seiner Stimmungen und Persönlichkeit zu verändern, oder Nootropika, um seine kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern; verschiedene kognitive oder psychologische Techniken zur Selbstverbesserung nutzen (Lerntechniken, NLP, Zeitmanagement, Mnemonik, Meditation, kritisches Denken); lernen, Vorteile aus neuen Informationstechnologien zu ziehen; seine Ernährung ergänzen (durch Vitamine, Mineralien, essentielle Fettsäuren, Hormone), um das Risiko von Herzkrankheiten und Krebs zu senken und möglicherweise das Altern zu verlangsamen; transhumanistische Kunst schaffen, und man kann ganz allgemein Schritte in die Richtung eines erfüllteren und verantwortungsbewußteren Lebens unternehmen. Ein mächtiges Prinzip, das unter Transhumanisten bekannt ist, ist der Dynamische Optimismus (auch praktischer Optimismus genannt): Die Einstellung, dass wünschenswerte Ergebnisse im allgemeinen erreicht werden können, aber nur durch ernsthafte Anstrengungen und intelligente Entscheidungen (More (1997)).

Es besteht außerdem die Möglichkeit, sich transhumanismusbezogener Forschungsarbeit oder dem Aufbau von Organisationen zu widmen [siehe "Wo kann ich mehr über Transhumanismus erfahren?"].

Verweis:
More, M. 1998. Dynamic Optimism. http//:www.maxmore.com/optimism.htm
 

Wie könnte ich posthuman werden?

Gegenwärtig gibt es keine Möglichkeit für irgendeinen Menschen, Posthumanität zu erreichen, was einen der Hauptgründe für das große Interesse an Lebensverlängerung und Kryonik unter Transhumanisten darstellt. Diejenigen von uns, die lange genug leben, um in den Genuß der Langzeitergebnisse der technologischen Entwicklung zu kommen, könnten posthuman werden.

Jeder von uns hat jedoch das Potential, während seiner Lebenszeit transhumanen Status zu erreichen, und das allein stellt einen Meilenstein in der menschlichen Evolution dar. Wir leben in einer Ära, in der wir (wenigstens in der demokratischen Welt) die Freiheit haben, Zukunftsaussichten zu entwickeln, die nicht durch nationale Grenzen, Loyalität zur Familie oder politische Parteizugehörigkeit bestimmt werden. In dieser Ära hat sich der Verstand der Menschen erweitert und verändert durch eine verbesserte Ausbildung, diverse Karrieremöglichkeiten, das wachsende globale Netzwerk von persönlichen Beziehungen und durch die Computerkommunikation. Die Körper der Menschen werden durch eine verbesserte Ernährung während der Kindheit, durch Implantate, Prothesen für Körperteile und Lebensverlängerungsprogramme vervollkommnet. Wir haben unsere physischen Körper und unseren Geist mit biologischer Wissenschaft und Technologie verbunden, um die Barrieren zu überwinden, die unseren Vorfahren ein Leben bar jeder Beschränkungen verwehrten.
 
 

Sind die Erfolgsaussichten in der Kryonik nicht zu gering?

Kryonik, das Einfrieren von im Sinne des Gesetzes "toten" Menschen, kann als medizinische Behandlung im Versuchsstadium betrachtet werden. Es liegt in der Natur der Kryonik, dass ihre Wirksamkeit momentan durch keine medizinischen Versuche getestet werden kann. Wir wissen aber, dass es möglich ist, den Zustand eines Patienten zu stabilisieren, indem man ihn in flüssigem Stickstoff (-196 °C) kühlt. Während des Einfrierungsprozesses entstehen beträchtliche Zellschäden, aber wenn der Patient einmal eingefroren ist, kann er praktisch Jahrtausende überstehen, ohne dass das Gewebe weiter geschädigt wird. Kryonik beruht auf der Hypothese, dass irgendwann in der Zukunft eine Technologie entwickelt wird, die es uns ermöglicht, Kryonikpatienten wiederzubeleben sowie die Gefrierschäden und die ursprüngliche Todesursache zu beheben.

Um zu zeigen, dass Kryonik nicht funktionieren wird, ist es notwendig zu beweisen, dass keine zukünftige Technologie, wie fortgeschritten sie auch sein mag, es jemals ermöglichen wird, einen aufbewahrten Patienten wiederzubeleben. Berücksichtigen wir, was heute Routine ist und wie dies im (sagen wir) achtzehnten Jahrhundert gesehen worden wäre, dann beginnen wir zu verstehen, wie schwierig eine gut begründete Argumentation dafür ist, dass die zukünftige medizinische Technologie niemals in der Lage sein wird, die Schäden rückgängig zu machen, die während der kryonischen Suspension auftreten.

In diesem Licht erscheint der Abschluß eines Kryonikvertrages (der normalerweise finanziert wird, indem man die Kryonikfirma zum Nutznießer einer Lebensversicherung macht) als vernünftige Absicherung. Falls es nicht funktioniert, ist man sowieso tot; falls es funktioniert, kann es einem das Leben retten. (Und das gerettete Leben wird wahrscheinlich ein sehr langes und gesundes sein, wenn man bedenkt, wie fortgeschritten die Medizin sein muß, um jemanden wiederzuerwecken.)

Experten für molekulare Nanotechnologie glauben im allgemeinen, dass eine ausgereifte Nanotechnologie die Reanimation von Kryonikpatienten möglich machen wird. Deshalb ist es möglich, dass die aufbewahrten Patienten schon in ein paar Jahrzehnten wiederbelebt werden könnten. Die Unsicherheit über die endgültige technische Machbarkeit der Reanimation mag sehr wohl kleiner sein als andere unsichere Faktoren, wie zum Beispiel die Möglichkeit, dass man auf die falsche Weise ablebt (man ertrinkt im Meer und wird nicht gefunden; der Informationsgehalt des Gehirns wird durch Alzheimer gelöscht), dass die Kryonikfirma Pleite geht, dass die Zivilisation zusammenbricht oder dass die Leute in der Zukunft nicht daran interessiert sind, einen wiederzuerwecken. Ein Kryonikvertrag ist also weit entfernt von einer 100%igen Überlebensgarantie. Wie die Kryoniker sagen: Eingefroren zu werden ist das Zweitschlimmste, was einem passieren kann.

Bei weitem nicht alle Transhumanisten haben einen Kryonikvertrag unterschrieben, aber ein signifikanter Bruchteil von ihnen findet, dass für sie der Nutzen die Kosten aufwiegt.

Verweise:
Merkle, R. 1994. "The Molecular Repair of the Brain". Cryonics magazine, Vol. 15 No's 1 & 2.
http://www.merkle.com/cryo/techFeas.html

Cryonics FAQ: http://www.cs.cmu.edu/afs/cs/user/tsf/Public-Mail/cryonics/html/0018.1.html#index

Alcor: http://www.alcor.org/
 
 

Wird es nicht langweilig sein, für immer in einer perfekten Welt zu leben?

Der Transhumanismus verspricht keine perfekte Zukunftswelt. Wenn jedoch alles gutgeht, wird die Zukunft eine sein, in der jedes Individuum die unbegrenzte Freiheit genießt, sein Potential zu entwickeln, seine Kreativität auszudrücken und seine Träume auszuleben.

Im Vergleich zu anderen transhumanistischen Projekten wird sich die Abschaffung der Langeweile wohl als recht einfach erweisen. In der Tat haben wir schon zuverlässige (wenn auch potentiell toxische) Methoden, die Langeweile für kurze Zeit zu beheben, indem man z.B. Psychostimulantien wie Amphetamine nimmt. Die heutigen klinischen stimmungsverändernden Drogen können bei manchen Menschen, die nicht unbedingt einmal an Depressionen leiden müssen, Interesse und Enthusiasmus für das Leben erhöhen. (Diese Beispiele könnten allerdings auch irreführend sein. Sie zeigen nur einen vagen Vorgeschmack von dem, was möglich sein wird.) Nur wenn wir unsere Vorstellungskraft übertrieben stark aufsplittern, können wir uns eine Welt mit ausgereifter molekularer Nanotechnologie und den Menschen übertreffender künstlicher Intelligenz ausmalen, in der es dennoch keine Mittel zur Kontrolle der für Langeweile zuständigen Gehirnzentren gibt.

Es mag nützlich sein, eine der Langeweile ähnliche Funktion beizubehalten, weil die Langeweile uns davor bewahren kann, zu viel Zeit mit monotonen und bedeutungslosen Aktivitäten zu verschwenden. Vielleicht ist ein Antriebsgradient notwendig, um uns zum Streben nach Verbesserung zu motivieren. Auf diese Weise könnte uns einige mühselige Arbeit in der Welt vom morgen erspart bleiben, weil sie bloß als interessant und nicht als aufregend angesehen wird.

Ed Regis (1990, S. 97) gibt zudem die folgenden Punkte zu bedenken:

  1. Das normale Leben ist manchmal auch langweilig. Na und?
  2. Das ewige Leben wird so langweilig oder aufregend sein, wie man es macht.
  3. Ist es spannender, tot zu sein?
  4. Falls das ewige Leben langweilig wird, hat man die Möglichkeit, es jederzeit zu beenden.
Verweise:
Pearce, D. 1998. The Hedonistic Imperative. http://www.hedweb.com/

Regis, E. 1990. Great Mambo Chicken and the Transhuman Condition. Penguin Books
 
 

Wie kann ich im Rahmen des Transhumanismus aktiv werden?

Es gibt eine wachsende Anzahl von Organisationen, die gegründet wurden, um transhumanistische Technologien zu erforschen und zu entwickeln und über die Fragen auf dem Weg zur Posthumanität nachzudenken.

Die World Transhumanist Association wurde 1998 als Dachverband gegründet, um transhumanistische Ideen zu veröffentlichen und dem Transhumanismus akademische Akzeptanz als philosophische und kulturelle Bewegung zu verschaffen.

Lokale transhumanistische Organisation existieren in mehreren europäischen Ländern und amerikanischen Städten. In Amerika gibt es außerdem das Extropy Institute, das den extropianischen Transhumanismus vertritt. Das Foresight Institute und das Institute for Molecular Manufacturing arbeiten an der Entwicklung und dem Verständnis der Nanotechnologie und an ihrer friedlichen Anwendung. Alcor ist eine gemeinnützige Organisation, die ihren Kunden kryonische Aufbewahrung anbietet. Die Life Extension Foundation, eine weitere gemeinnützige Organisation, informiert über Ernährungszusätze und bietet eine große Produktpalette an.

All diese Organisationen bieten Möglichkeiten, mehr über den Transhumanismus und die verschiedenen Technologien und Ideen zu erfahren, die die Transhumanisten im menschlichen Leben anwenden wollen. Sie organisieren Konferenzen und Treffen und unterstützen viele elektronische Foren, um sich mit anderen Leuten, die an der Unterstützung des Transhumanismus interessiert sind, zu vernetzen. Ihre Mitglieder suchen ständig nach neuen Geschäftsideen und Beschäftigungsmöglichkeiten mit dem aktiven und ausdrücklichen Ziel, ein transhumane Zukunft in nicht allzu weiter Ferne zu entwickeln. Es gibt unzählige Firmen, Fachbereiche an Universitäten und andere Institutionen, deren Tätigkeit von direkter Bedeutung für den Transhumanismus ist.

Verweis:
World Transhumanist Association. http://www.transhumanism.com/ (Dort gibt es Links zu anderen Organisationen).
 



 

Co-Autoren und Mitarbeiter an diesem Dokument

Der Abschnitt über Nanotechnologie basiert auf einer Einführung von John Storrs Hall, die sich wiederum auf Texte von Eric Drexler und Ralph Merkle gründet. Dem Kryonik-Anschnitt liegen die Arbeiten von Ralph Merkle zugrunde, aus denen viele Sätze direkt übernommen wurden. Die in dieser FAQ-Liste benutzte Definiton des Transhumanismus beruht auf Beiträgen von vielen Leuten, insbesondere von Kathryn Aegis und Max More. Die Antworten zu den Fragen über die Seele und über die nicht-menschliche Bestimmung stammen hauptsächlich von Anders, und vielen andere Antworten liegen Beiträge von ihm oder von anderen Mitgliedern der schwedischen Transhumanistenorganisation Aleph zugrunde. Kathryn schrieb die Antworten zu den Fragen über die Gesellschaft der Posthumanen und "Wie könnte ich posthuman werden?" und den Hauptteil der Antwort zu "Was sind Transhumane?". Die Antwort über transhumanistische Kunst beruht auf einer Mitteilung von Natasha Vita More. Greg Burch half in einer frühen Phase mit vielen redaktionellen Anmerkungen, und David Pearce und besonders Kathryn Aegis und Anders Sandberg lieferten in späteren Phasen sehr ausführliche redaktionelle Kommentare. Ideen, Kritik, Fragen, Formulierungen und Sätze wurden beigesteuert von (in keiner bestimmten Reihenfolge):
Henri Kluytmans, John S. Novak III, Allen Smith, Thom Quinn, Harmony Baldwin, J. R. Molloy, Greg Burch, Max More, Harvey Newstrom, Brent Allsop, John K Clark, Randy Smith, Daniel Faublich, Scott Badger, mark@unicorn.com, Anders Sandberg, Dan Clemmensen, Kathryn Aegis, Shakehip@aol.com, Natasha Vita More, Michael Nielsen, Geoff Smith, Eugene Leitl, William John, pilgrim@cyberdude.com, Joe Jenkins, Damien Broderick, David Pearce, Michael Lorrey, Bryan Moss, Derek Strong, Wesley R. Schwein, Peter C. McCluskey, Tony Hollick, zebo@pro-ns.net, Michelle Jones, Dennis Stevens, Damon Davis, Jeff Dee, Andrew Hennessey, Doug Bailey, Brian Atkins, Erik Moeller, Alex (intech@intsar.com), David Cary, EvMick@aol.com, Arjen Kamphius, Remi Sussan, Dalibor van den Otter, Robin Hanson, Eliezer Yudkowsky, Michael Wiik, Dylan Evans, Jean-Michell Delhotel.
Ich möchte allen danken, die dabei geholfen haben, dieses Dokument zu erschaffen und den Transhumanismus zu verwirklichen.
- Nick Bostrom
 


Aus dem Englischen übertragen von K. Mathwig, M. A. Ernst und F. Prengel.