Freundschaftsspiel 1954/55: SC Dynamo Berlin - Berliner SV 92 5:0

Der Auftakt: Fünf Tore von Karli Holze! / BSV nicht fähig, das Tempo bis zum Schluß mitzuhalten / Deshalb 5:0
Das hört sich sehr eindrucksvoll an für Dynamo, und vor allen Dingen für den glücklichen Karli Holze, der fünfmal die schwere Kugel über den Kreidestrich brachte. Aber nur eins von den Toren war eigentlich so richtig nach dem Geschmack der Zuschauer, das vierte, als der Rechtsaußen den Ball mit elementarer Wucht unter die Latte schmetterte. Alle vier anderen waren mehr oder weniger verkorkst. Dabei trifft ein gerüttelt Maß Schuld den guten alten Otto Schadebrodt im BSV-Tor, der im Laufe der Zeit zu einem totalen Nervenbündel wurde. Zugegeben, das seifenglatte, schwere, regengetränkte Leder machte besonders den Torhütern den Umgang damit recht schwer. Was sich Schadebrodt freilich bei seinen unglücklichen Abwehraktionen leistete, war nahezu unmöglich.

Das fing gleich beim ersten Tor an, wo er einen völlig harmlosen Bodenroller Holzes durch die Beine ins Netz gleiten ließ, und endete bei seinen Faustparaden, die oft nicht nötig waren. Setzen wir die Torskala fort. In eine Rückgabe Zauners lief Holze hinein und hatte es nicht schwer, den ball im Netz unterzubringen. Treffer Nummer 3: blitzschnell feuerte der Dynamo-Rechtsaußen ab, der Ball knallte gegen den Pfosten, von dort auf den Rücken des BSV-Hüters und dann in die Maschen. Erst der vierte Erfolg konnte richtig befriedigen. Holze schoß von halbrechts etwa, nach einer Kopfballabwehr Zöllners, unter den Balken. Dem fünften Treffer schließlich ging ein Freistoß voraus, den BSV-Rechtsläufer Hermann wegen Meckerns gegenüber einem seiner Kameraden verschuldet hatte. Schadebrodt schoß im Herauslaufen dem Dynamo-Rechtsaußen direkt an den Hacken. Von dort sprang die Kugel über die Markierung.

Obwohl fünf Treffer fielen, drückt dies jedoch nicht die eigentliche Stärke des Siegers richtig aus, denn die Dynamo-Stürmer machten von ihrer Schußkraft nur recht spärlich Gebrauch. Indessen beherrschten sie unangefochten die Szene. Ihre überlegene Kondition ließ bald keinen Zweifel mehr darüber offen, wer als Sieger, als klarer Sieger, das Feld verlassen würde. Das Mittelfeld gehörte den Dynamo-Läufern, von denen Maschke noch mehr Pensum leistete als der feinere Usemann. Dem konnten die BSV-Läufer nichts entgegensetzen, zumal Hermann auch noch in schlechter Form war (im übrigen spielte er recht unsauber, foulte Schröter zweimal böse und meckerte viel). Aber Dynamo konnte trotz spielerischer Überlegenheit, trotz Eifers und Könnens, nicht voll überzeugen, weil im Sturm zu unentschlossen gehandelt wurde. Eine Leistung von Klasse und ohne Tadel zeigte nur Herbert Schoen, der "Männe" Paul völlig entnervte, so daß der BSV-Mittelstürmer das Feld verließ!

An der Dynamo-Deckung, in der Haufe Schwächen offenbarte, rannten sich die umständlichen BSV-Stürmer bei teilweise vorhandenem technischen Witz am Ball immer wieder fest. Klemm kam nur selten in Schwierigkeiten (ebenso wie Michael für Dynamo feuerte Hermann für den BSV einen tollen Freistoß an einen der Holzbalken). Die Westberliner waren bald nicht mehr dazu in der Lage, das vorgelegte Tempo mitzugehen, wobei wir überzeugt sind, daß die Volkspolizisten noch hätten einen Zahn zulegen können und daß sich die größere körperliche Stärke bei zweckvollerem Spiel noch klarer ausgewirkt hätte. Aber Dynamo wurde vom Gegner dazu nicht gezwungen und in irgendeiner Weise dazu herausgefordert. Mit Hänsicke in der Mitte hätte es für den BSV eine Katastrophe gegeben, ohne den mehr zum Halbstürmer neigenden, recht eifrigen und technisch geschickten Schlosser zu kritisieren, der auch gut gespielt hat.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Haufe, Schoen, Michael; Maschke, Usemann; Holze, Schröter, Schlosser, Möbius, Matzen
Berliner SV 92:
Schadebrodt; Gärtner, Klettner; Hermann, Zöllner, Zauner; Tessendorf, Blüchert (46. Karlsch), Paul (60. Glaab), Müller, Sendrowski

1:0 Holze              (22.)
2:0 Holze              (43.)
3:0 Holze              (52.)
4:0 Holze              (63.)
5:0 Holze              (80.)

Schiedsrichter:        Schulz (Berlin)
Zuschauer:             32.000


Heinrich Müller, Neue Fußballwoche, 12.04.1955