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Da sitzen zwei Freunde beim Bier, mit ihnen ihre
Mannschaftskameraden, Trainer, Betreuer, selbstverständlich auch die Vereinsoberen - sie alle feiern den Saisonabschluss 90/91 ihres Hamburger SV. Fünfter und UEFA-Cup-Teilnehmer waren sie geworden. Da beugt sich der eine zu
dem anderen und flüstert ihm was ins Ohr. Dessen Antwort: "Du, das geht nicht, ich bin hier schließlich der Kapitän!" Ein paar Bierchen später wiederholt sich das Gespräch. Und nun werden sich beide einig -
Frank Rohde begleitet seinen Freund Thomas Doll am nächsten Tag auf einem Flug nach Mailand. Dort, gleich auf dem Airport, verhandelt "Dolli" mit Vertretern von Lazio Rom über einen sofortigen Wechsel. Rohde feixt
noch heute über den Deal, einigten sich beide Seiten doch über einen Traumvertrag für Doll und eine Ablösesumme von 14,5 Millionen D-Mark.
Dem HSV, damals finanziell nicht sonderlich gut dastehend, tat das Geld gut. Und
"Wuschi" Rohdes Vermittlungshilfe blieb verborgen. Es war nicht das erste Mal, dass Frank Rohde zum Berater für Thomas Doll geworden war. Nachdem Andreas Thom bereits in Leverkusen als Erster eine gute Visitenkarte
abgegeben hatte - schon da war Rohde in den Verhandlungen mit Manager Reiner Calmund für Andy eine "Person des Vertrauens" - begannen sich auch andere Bundesliga- Klubs für die Spieler des BFC Dynamo zu
interessieren. Mit einer Ausnahme: Hertha BSC ignorierte die Talente, die jenseits der gefallenen Mauer aufgewachsen und bestens ausgebildet waren. Während Doll einer Einladung nach Dortmund gefolgt war, sprach Rohde mit dem
Hamburger SV und überredete seinen Freund, doch auch lieber an die Alster zu wechseln. So kam es.
Damals schrieb man über den 30- jährigen Frank Rohde ziemlich abwertend, er sei als "Rucksack von Doll" zum HSV gekommen. "Das ist mir piepegal", sagt Rohde heute wie damals, "wir
haben beide in einem Hotel in Westberlin getrennt mit den Hamburgern verhandelt, wir wissen es also besser." Natürlich wurde Doll der Star, zumal er sofort gut einschlug - sein Freund hatte es da schwerer. Als sich
HSV-Libero Ditmar Jakobs verletzte, hieß es aber sofort: Wuschi, übernehmen Sie! Und von Spiel zu Spiel war der erfahrene Rohde nicht nur ein gleichwertiger Ersatz, sondern er wurde ein Führungsspieler, später obendrein der
Kapitän des Bundesligisten. Nach Doll wurde er zweimal zum "Hamburger Profi des Jahres" gewählt. Er erfüllte seinen Dreijahres-Vertrag in der Hansestadt und wurde danach bei der inzwischen doch geläuterten Hertha mit
offenen Armen aufgenommen.
Sechs Jahre später auch Andreas Thom. Thomas Doll, der 1972 als Sechsjähriger bei Lok Malchin mit dem Fußball begann, spielte für Hansa Rostock, ehe er 1986 nach Berlin wechselte; er wurde 29
Mal in die DDR-Auswahl berufen, erzielte dabei sieben Tore. Weitere 19 Einsätze hatte er in der DFB-Auswahl. Nach einem Jahr Hamburg spielte Doll bis 1994 für Lazio Rom, dann zwei Jahre für Eintracht Frankfurt, zwei Jahre
wieder in Italien bei AS Bari und schließlich wieder für den HSV, bei dem er 2001 seine Laufbahn beendete. Zurzeit wartet er nach seinen Trainerstationen in Hamburg und Dortmund auf neue Aufgaben. Auf die Frage, ob der Wechsel
aus dem Wohlbehütetsein beim BFC in die Sphäre des Profifußballs ein schwieriger Schritt gewesen sei, lächelt Frank Rohde milde.
"Da gab es überhaupt keinen Unterschied, denn auch bei Dynamo wurde
hochprofessionell gearbeitet, sowohl in der Organisation als auch beim Training war alles top. In Hamburg wurde damals eher etwas weniger trainiert. Anders war jedoch die Medienwelt, sogar beim Training drängelte sich die
Boulevardpresse. Das war zunächst ungewohnt", erinnert sich "Wuschi", der seine drei Jahre in Hamburg zu den lehrreichsten zählt. Gelernt hat er auch für sein Fußballlehrer-Diplom, das er nach seiner aktiven
Laufbahn für die Engagements bei den Reinickendorfer Füchsen und Sachsen Leipzig gut gebrauchen konnte.
Zur Zeit coacht er mit immer mehr Erfolg Brandenburg-Ligist Oranienburger FC Eintracht und hilft da so manchem
Talent auf die Beine. Bei Frank Rohde war es vor allem Vater Egon, der ihm das Fußball- Einmaleins beibrachte und der - wie zuvor die älteren drei - auch seinen jüngsten Sohn schon zeitig zum Training mitnahm. Das war in den
sechziger Jahren in Rostock. Als Egon Rohde 1969 als Leiter der Jugendabteilung bei Dynamo nach Berlin wechselte, waren auch seine Sprösslinge dabei. Peter schaffte als Erster den Sprung in die Männerelf, dann gelang das
Rainer, der später seine Laufbahn bei Union ausklingen ließ. Peter trainiert heute den FC Nordost, Jürgen den Weißenseer FC. Der erfolgreichste der Brüder wurde "Wuschi". Vater Rohde sagt, dass er nicht der
talentierteste seiner Söhne war, aber der willensstärkere und ehrgeizigste.
1980 kam er ins Meisterteam, brauchte zwei Jahre lang eine gewisse Anlaufzeit, wurde dann Abwehrchef bei den Weinrot-Weißen und feierte mit
ihnen weitere sechs Meistertitel. In der DDR- Auswahl wurde er Nachfolger des Dresdner Liberos "Dixie" Dörner und erzielte in seinen 42 Länderspielen sogar ein Tor. Vater Egon blieb immer sein strengster Kritiker.
"Aber Mutter war der ruhende Pol in unserer Familie", ergänzt Frank und erinnert sich an die Rostocker Zeit, "wo sie abends die verschwitzten Trainingsklamotten von fünf verrückten Fußballern mangels
einer Waschmaschine tiefgebeugt in der Badewanne waschen musste." Schließlich muss auch noch geklärt werden: Warum wird Frank Rohde "Wuschi" gerufen? "Einer hat mal - ich war fünf oder sechs - über meine blonden Haare gestrichen und gemeint, die seien so wuschig. Das war's".
Jürgen Babenschneider, Fußballwoche, 09.02.2009
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