Eiterbeule des Fußballs

Sportlich sind sie nur noch fünftklassig, aber wenn es um Randale geht, wollen die so genannten Fans des Berliner FC Dynamo immer noch auf höchstem Niveau mitmischen. Es gilt, den Ruf zu verteidigen, immer noch eine der größten Schlägerbanden in Fußball-Deutschland zu stellen. Das war zuletzt im Mai 2006 so, als gegen Union ein Spielabbruch verursacht wurde - und nun wieder beim Oberliga-Duell am Sonntag bei Tennis Borussia. Der Verein mobilisiert bei normalen Spielen kaum mehr als 600 Zuschauer, doch bei besonderen Anlässen kommen sie alle aus ihren Löchern - Hunderte, die sonst nie da sind und dann bei solchen Spielen plötzlich ihre Liebe für den Verein entdecken, dem sie eigentlich nur Schande bereiten. 58 Verletzte, 18 Festnahmen: Es krachte im TeBe-Stadion und später noch an einem Bahnhof. Typisch BFC, dem laut Polizei immer noch 430 gewaltbereite Fans zugeordnet werden?

Ja, sagt Bernd Schultz, Berlins Verbandschef und Präsidiumsmitglied im Nordostdeutschen Verbandes: "Wenn der Klub das nicht in den Griff bekommt, muss er mit Sanktionen rechnen. Auf Dauer werden wir das nicht hinnehmen." Gut möglich, so Schultz, dass es diesmal über Stadionverbote gegen Einzelne hinausgeht. Der NOFV wird sich damit am Wochenende beschäftigen. Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit drohen dem BFC, man ist geneigt zu sagen: Auch über einen Zwangsabstieg muss nachgedacht werden. "Die Vereinsführung hat sich in den letzten Monaten bemüht", so Schultz, "aber scheinbar hilft alles nichts." Es gibt Klubs, deren Seele ist so schwarz - da hilft kein Missionar. Als solcher sah sich bisher Peter Meyer. Vornehm formuliert: einer von der BFC-Basis. Der Vereinschef pflegt nach wie vor selbst beste Kontakte in die Hooliganszene und glaubte, diese im Griff zu haben. Seine Mitstreiter ließen Quertreiber sogar schon aus dem Fanblock prügeln.

Aber nachhaltig vertrieben haben sie diese nie. Vermutlich wollten sie dies auch nicht. Nun muss auch Meyer erkennen: Nicht einmal das Gesetz der Straße funktioniert auf Dauer beim Pflegefall Dynamo. Am Sonntag bekam Meyer selbst Pfefferspray ab - als er schlichten wollte. Geworfene Böller, ein Fan auf dem Zaun, Rangeleien und ein drohender Spielabbruch - die Polizei griff ein. Nach Aussage aus dem Lager des BFC: mit brutaler Härte. Auch Frauen und Kinder seien verletzt worden. Einige erwägen juristische Schritte. Den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit bestreitet die Polizei durch ihren Sprecher Martin Otter ("nicht berechtigt"), und auch ein neutraler Beobachter wie Bernd Schultz sieht das anders: "Als die Polizei ihren Einsatz begann, war die Reaktion im BFC-Block erschreckend. Die Beamten wurden sofort mit allem, was zur Hand war, beworfen", die Spirale der Gewalt geriet in Gang, "ohne ein Bemühen seitens der BFC-Ordner einzugreifen".

Mag die Wirkung von der Gewalt, die Gegengewalt erzeugt, auch gnadenlos gewesen sein, weil Unschuldige betroffen sind - über die Ursache gibt es keinen Zweifel. Welchen Polizisten mag man anklagen, wenn er nervös wird - in dem Bewusstsein, wer ihm da teilweise gegenüber steht? Wenn 500 Beamte nicht für Frieden bei einem Oberligaspiel sorgen können, ist klar: Der BFC wird sein Problem nicht los. Teilweise wird das miese Image sogar kultiviert: "Opa bei den Nazis, Vater bei der Stasi - ich beim BFC." Keine Frage, der DDR-Rekordmeister hat viel Tradition. Der BFC hat auch treue, faire Fans. Aber Dynamo ist auch und vor allem ein Verein, der Angst und Schrecken verbreitet. Im modernen Sport ist er so ein Fremdkörper. Wie ein Geschwür, bei dem die Selbstbehandlung versagt hat. Es wird Zeit, dass die Verbände diese Eiterbeule endlich mit allem Nachdruck bekämpfen.


Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 09.12.2008