Auf schwierigem Pflaster / Coach Volkan Uluc genießt Vertrauen beim BFC Dynamo

Das Erstaunliche ereignete sich bereits im Februar 2008. Da verkündete der Berliner FC Dynamo die Vertragsverlängerung mit Trainer Volkan Uluc, und zwar gleich bis zum Juni 2011. Zudem übertrug man ihm die sportliche Leitung für alle Leistungsteams im Männer- und Jugendbereich. Auch, als jetzt die Regionalliga-Qualifikation verpasst wurde, gab es keine Diskussionen über den Fußball-Lehrer. "Die Schuld am Scheitern", betonte Vorstandsmitglied Sven Radicke, "tragen allein die Spieler, nicht der Trainer." Er sei ebenfalls positiv überrascht, sagt Uluc, wie groß der Rückhalt für ihn beim ehemaligen DDR-Rekordmeister ist. Der 38-Jährige ist eine Konstante geworden beim lange Jahre für Randale, Chaos und stetigen Wechsel berüchtigten Klub. Dabei weiß er nur zu genau, dass allein die Tatsache, überhaupt den Trainerjob in Hohenschönhausen bekommen zu haben, schon bemerkenswert ist. "Natürlich habe ich mir lange meine Gedanken gemacht, als das Angebot kam", sagt er, "ein gebürtiger Türke beim BFC, das schien auch mir zuerst unvorstellbar."

Dann aber habe er beschlossen, diese Aufgabe, "die eine sportliche und auch eine gesellschaftliche Komponente hat", anzunehmen. Es war anfangs ein Abenteuer für den Mann aus Istanbul, der als Dreijähriger nach Berlin kam. Der Vater arbeitete bei einer Möbelfirma, die Mutter schuftete in einer Zigarettenfabrik. Uluc hat mittlerweile einen deutschen Pass. Beim BFC gibt es viele auf den Zuschauerrängen, die aus ihrer Abneigung gegen solche Gastarbeiter-Karrieren keinen Hehl machen. Klar, sagt Uluc, er habe die Gesänge früher auch oft vernommen. Damals, als er noch auf der anderen Seite stand. Als Trainer bei den türkischen Klubs in der Oberliga, SV Yesilyurt oder Berlin Ankaraspor. Noch beim Hallencup der Oberligisten im Januar 2006 dröhnten ihm in dieser Funktion die Ohren, als zahlreiche Zuschauer im BFC-Block laute, geschmacklose Hassgesänge anstimmten. "Seit ich beim BFC bin, habe ich aber solchen Rassismus noch nie erlebt", sagt Uluc, mit einer Einschränkung: Beim Spiel in der letzten Saison gegen Türkiyemspor gab es kleine Zwischenfälle. "Aber das haben die vernünftigen Fans im Block selbst reguliert, im Keim erstickt."

Die Anweisung dazu kommt von ganz oben: Geldgeber Peter Meyer, der mächtigste Mann bei Dynamo, hat die problematische Fanszene in die Pflicht genommen. Die zahlreichen Hooligans sollen sich zurückhalten im Stadion, sonst gefährden sie die Zukunft des Vereins, der nach schweren Krawallen und einem Spielabbruch im Mai 2006 gegen den 1. FC Union endgültig ins Abseits zu driften drohte. Sogar ein Zwangsabstieg wurde damals diskutiert. Nun gab es kürzlich sogar Post vom Nordostdeutschen Fußball-Verband, in dem der Klub für das Verhalten seiner Anhänger in der vergangenen Saison gelobt wurde. Aus seiner Sicht sei der Oberligist "in dieser Problematik auf einem guten Weg", sagt Uluc, "es darf aber keinen Rückfall geben, sonst wäre ich sicher konsequent." Schnell ist zu spüren: Uluc ist das Thema nicht unangenehm, aber er möchte es keinesfalls allzu tief behandeln. Bei seinen früheren Klubs im Osten, Sachsen Leipzig und Brandenburg Süd, sei es "auch kein einfaches Pflaster für Trainer mit ausländischer Herkunft" gewesen.

Und dass bei Dynamo auch immer noch Sponsoren mit rechtem Hintergrund Geld geben sollen? "Davon habe ich gehört, aber ich habe noch keinen von denen getroffen." Schließlich sei er allein für das Sportliche verantwortlich.Uluc ist Trainer aus Leidenschaft. Seine Spielerkarriere bei Meteor 06 im Wedding beendete er schon mit 19 Jahren, ein Jahr zuvor hatte er die Trainer-B-Lizenz erworben. "Ich will Mannschaften formen", sagt er. Das macht er beim BFC bisher gut, betonen die Bosse. Als er im März 2007 kam, hatte Dynamo neun Punkte Rückstand auf das rettende Ufer, Uluc schaffte noch auf wundersame Weise den Klassenerhalt - das vergessen die Fans nicht so schnell. Umgekehrt, das weiß er nur zu genau, kann es genauso schnell gehen. Mit Zugängen wie Daniel Petrowsky und Danny Kukulies (beide Tennis Borussia), prominente Namen für die fünfte Liga, erwarten jetzt alle den Aufstieg. "Wir können es schaffen, aber es wird schwer", weiß Uluc, und bleibt Realist: "Ob Türke oder Deutscher, beim BFC oder sonstwo - wenn ein Trainer erfolglos ist, wird er in jedem Klub Probleme bekommen."


Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 12./13.07.2008