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Interview mit Jürgen Bogs

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1977, mit gerade 30 Jahren, wurde Jürgen Bogs (59) Trainer beim BFC Dynamo und startete bald darauf eine eindrucksvolle Erfolgsserie. Nach der Wende rissen sich dann die renommierten West-Klubs um seine Spieler - nur den Meistermacher wollte keiner haben.

Sie waren der jüngste Oberliga-Trainer, als Sie das Amt beim BFC übernahmen. Wie kam es damals dazu?
Bogs:
Ich hatte vorher drei Jahre die A-Jugend trainiert und kannte viele Spieler aus dieser Zeit. Als dann das Angebot kam, habe ich kurz überlegt. Es war eine einmalige Chance.

Hätte Sie damals ein eine solche Erfolgsserie geglaubt?
Bogs:
Damit war nicht rechnen. In den folgenden Jahren rückten stets Spieler aus dem eigenen Nachwuchs auf. Keiner konnte ahnen, dass sie so gut einschlagen würden.

War die Nachwuchsschule der entscheidende Erfolgsfaktor?
Bogs:
Sicher ein ganz wichtiger, weil wir in einer landesweiten Sichtung die besten Talenten herausfilterten und dann ausbildeten. Und diese Ausbildung hatte eine ganz andere Qualität als heute, auch weil in jeder Altersklasse hauptamtliche Trainer arbeiteten.

Aber Sie durften auch Spieler von anderen Klubs holen. Bekamen Sie jeden, den Sie wollten?
Bogs:
Wie jeder gute Verein wollten auch wir uns weiter verstärken. Und ich hätte gern auch noch andere Spieler gehabt. Dann hieß es von höherer Stelle aber oft: Das geht nicht. Man muss aber sagen, dass es für jene, die zu uns kamen, immer auch ein persönlicher Aufstieg war. Und wir haben selbst Spieler, die es bei uns nicht geschafft haben, an andere Vereine abgegeben, die dann dort oft zu den Besten zählten.

Wie haben Sie Ihre Spieler über die Jahre immer wieder neu motiviert?
Bogs:
Wir haben nicht stur nach Plan, sondern abwechslungsreich trainiert. In der Mannschaft herrschte zudem immer ein besonderer Teamgeist, auch weil wir woanders ja nicht gerade beliebt waren. Doch das schweißte uns erst recht zusammen.

Ende der 80er Jahre verschärfte sich der Hass auf dem BFC. Haben Sie das mitbekommen?
Bogs:
Wir hatten eingefahrene Gleise und lebten in unserer eigenen Welt. Klar spürten wir, dass bei Auswärtsspielen die Stimmung aggressiver wurde. Mal ging an unserem Bus eine Scheibe zu Bruch, dann mussten wir durch den Hinterausgang aus dem Stadion. Aber vielleicht wollten wir auch gar nichts merken und hatten einfach Scheuklappen auf.

In der DDR unterfordert - international überfordert. Warum scheiterte der BFC im Europapokal meist frühzeitig?
Bogs:
Wir spielten ja immer im Meistercup - da waren halt nur die besten Teams dabei. Wir haben oft gegen absolute Klassemannschaften gespielt. Und im Vergleich zu diesen Top-Klubs waren wir nicht homogen genug besetzt.

Fehlte auch Unterstützung von den Rängen?
Bogs:
Anfangs hatten wir die ja noch, doch das wurde immer weniger. Es ging 1982 mit dem HSV-Spiel los, als es kaum noch Karten für Fans gab. Der negative Höhepunkt war dann 1988 das Spiel gegen Bremen, als alle Karten über das Ministerium für Staatssicherheit verteilt wurden. Da waren viele im Stadion, die hatten gar keine Ahnung. Wir mussten froh sein, dass die bei unseren Toren wenigstens gejubelt haben.

Wurden Sie bei Spielen im Ausland besonders bewacht?
Bogs:
Das ging eigentlich. Wir sind ja meist mit einer Charter-Maschine geflogen. Da waren dann neben den Spielern und Betreuern auch immer Sicherheitsleute an Bord. Und noch einige ausgewählte Journalisten. Nur in Bremen war, deutlich mehr Sicherheitspersonal dabei.

Das damalige 0:5 war ein sportliches, aber euch politisches Debakel. Welche Folge hatte es?
Bogs:
Einen Tag nach der Rückkehr musste ich zur DTSB-Leitung und erhielt dort einen Verweis, weil ich auf der Bank zu ruhig gewesen wäre und nicht genug motiviert hätte. Auch intern kam natürlich Kritik auf. Ein halbes Jahr später, genau am 15. Januar 1989, wurden ich und mein Assistent Achim Hall zur Dynamo-Leitung bestellt. Mein Co-Trainer wurde sofort von seinen Aufgaben entbunden, ich durfte - auf Grund meiner Verdienste - noch bis zum Saisonende bleiben.

Wie ging es für Sie weiter?
Bogs:
Ich wurde Cheftrainer, so eine Art Manager. Dann fiel die Mauer und in der Mannschaft rumorte es, weil alle nur noch schnell neue Autos und Westgeld haben wollten. Unsere Spieler wurden bald von den Westklubs umworben - wir konnten sie nicht halten. Wäre die Mannschaft wenigstens noch eine Saison zusammen geblieben, hätten wir uns für die Bundesliga qualifiziert.

Dort landeten viele ihrer Spieler. Für Sie dagegen blieb nach der Wende nur die Provinz - Schwedt, Emden, Neustrelitz. Warum haben Sie nie bei einem namhaften Verein gearbeitet?
Bogs:
Weil es nie ein konkretes Angebot gab. Mein Fehler damals war zu glauben, mein Name und die Erfolge allein genügten als Reputation. Ich hätte aber jemanden gebraucht, der mir die Türen öffnet. Ich habe mich dann später nachmal beim DFB für einen Auslandsjob beworben. Aber auch daraus ist nichts geworden.


Sascha Stolz, Fußballwoche, 07.08.2006


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