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Wild auf Gewalt / Beim Oberligaderby zwischen dem BFC und Union Berlin machen wie befürchtet Hooligans mobil

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"Heute verbietet es sich über Sport zu reden", sagte Rajko Fijalek, Trainer des BFC Dynamo. "Denn der ist von einigen Idioten mit Füßen getreten worden." Das Oberligaspiel des BFC gegen den 1. FC Union im Sportforum Hohenschönhausen hatte nur 76 Minuten gedauert. Vierzehn Minuten fehlten zu einem Fußballfest. Man hätte danach über 6.471 Menschen sprechen können, die ihren Spaß hatten am Stadtduell. Oder Dynamo, das dem Aufsteiger einen leidenschaftlichen Kampf lieferte. Doch waren die Treffer von Tomasz Suwary (36.), der kurz darauf Rot sah, und der Ausgleich von Daniel Teixeira (58.) nur Randnotizen. "Das ist ein schwarzer Tag für den Berliner Fußball", sagte Unions Manager Christian Beeck: "Das sind Bilder, die wir nicht sehen wollten vor der WM." Vier Wochen vor der Weltmeisterschaft erlebte auch die Polizei ein Fiasko, einen Spielabbruch nach den schwersten Ausschreitungen in der Hauptstadt seit dem Pokalspiel BFC gegen Union vor fünf Jahren, als es zu Straßenschlachten gekommen war.

Es war 15.30 Uhr, als die Situation eskalierte. Auf der Gegengerade, wo BFC-Anhänger standen, kletterten Zuschauer durch die Absperrung - keine Zäune, nur Drähte mit viel Zwischenraum, leicht zu überwinden. Der Ordnungsdienst, gestellt von Union, BFC und einer Sicherheitsfirma, schaute tatenlos zu - wie zuvor, als in diesem Block bengalisches Feuer entzündet wurde und eine Union-Fahne brannte. Die BFCer müssen nur wenige Schritte gehen, um die Unioner zu provozieren. Es fliegen volle Bierbecher, auch Sand und Steine. Am Zaun kommt es zu Schlägereien und Jagdszenen. Bald sind mehrere hundert Krawallmacher auf der Aschenbahn - da flüchten, wie die verängstigten Spieler, die meisten der 1.200 Union-Fans. “Die Unioner packte die nackte Angst, die rannten panisch davon", so Polizei-Einsatzleiter Michael Knape: "Sie haben uns dafür verantwortlich gemacht, dass wir sie nicht schützen konnten." Einige Minuten tobte der Mob. Lang genug, um auch die sehr spät eingreifende Polizei unglücklich aussehen zu lassen, der vor der Haupttribüne sogar Bierbänke entgegen flogen.

Die enthemmten Hooligans prügelten sich auch mit den Ordnungshütern. Es gab einige Verletzte und 33 Festnahmen. Nach Videoauswertungen wird es zu weiteren Ermittlungen kommen. Die viel gestellte Frage: Warum konnten 1.000 Beamte diese Ausschreitungen nicht verhindern? "Die Polizei hat kläglich versagt, mir wird angst und bange, wenn ich an die WM denke", sagte BFC-Präsident Mario Weinkauf. Allerdings ließen ihn auch die eigenen Fans erschaudern. "Das sind keine Fans, sondern Bekloppte", sagte Torwart Nico Thomaschewski, der von einem Stein am Bein getroffen wurde. Dynamo ist und bleibt ein Hort von Hooligans Gut möglich, dass die Krawalle gesteuert waren, um Weinkauf, der den Klub gesellschaftsfähig machen will und bald zur Wiederwahl steht, zu entmutigen. Er wolle "nichts beschönigen", sagte Weinkauf, er erwarte negative Reaktionen: "Die Folgen bei Sponsoren sind nicht abzusehen. Wir werden die Verursacher verklagen." Womöglich hat der BFC zu lange gemeinsame Sache mit Hooligans gemacht, die teilweise auch Geldgeber des Klubs sind.

"Der Verein muss sich konsequent von diesen Leuten trennen, sonst grenzt er sich weiter aus", sagte Bernd Schultz, Präsident des Berliner Verbandes. Diese Leute, das sind laut Knape "400 gewaltbereite und 200 gewaltsuchende Fans, die heute nur darauf gewartet haben, Randale machen zu können". Sie waren von überallher angereist, hatten Polizeiaufklärer schon vor dem Spiel ermittelt. Statt aber daraufhin den Innenraum besser zu sichern, überließ die Staatsmacht dem Ordnungsdienst das Feld. 200 Ordner sollen es gewesen sein, doch in der Problemzone war kaum einer zu sehen. Als die Randale begannen, schauten die Männer mit den Signalwesten, die schon beim Einlassdienst überfordert wirkten, meist nur tatenlos zu. Womöglich, weil viele der kahlköpfigen Securitykräfte, die der BFC verpflichtet hat, selbst der Hooligan- und Türsteherszene nahe stehen? Weinkauf: "Wir werden analysieren, warum der Ordnungsdienst zu spät eingriff." Schiedsrichter Thomas Gerber aus Chemnitz hatte für einen Wiederanpfiff zur Auflage gemacht, dass Polizei und Ordner das Spielfeld regelrecht umzingeln. Knape lehnte das ab, er benötige alle Kräfte für den unplanmäßig hektischen Abmarsch der Unioner: "Meine Einsatzkräfte standen in der Tiefe des Raumes. Ich konnte keine Sicherheitsgarantie mehr geben."

Weinkauf unterstellte Knape "eine Revanche" für die Kritik und das Vorgehen des BFC gegen den blutigen Polizeieinsatz in der Diskothek Jeton vor neun Monaten. Beim BFC ahnen sie, was kommen wird: Das Spiel wird verloren gewertet, zudem gibt es eine hohe Geld- und wohl auch Platzsperre. "Das geht jetzt ans Sportgericht", sagte der Staffelleiter des Nordostdeutschen Verbandes, Bernd Wusterhausen. Auch er erntete Kritik - von Knape. Die Polizei habe vergeblich gedrängt, die Partie im Jahnsportpark zu veranstalten. Aber der NOFV habe sich vom BFC einschüchtern lassen. Rückschlüsse auf die WM ließ der Leitende Polizeidirektor nicht gelten: "Das Sportforum ist kein richtiges Stadion wie bei der WM", sagte Knape, "sondern ein Sportplatz, der nur Mindestanforderungen genügt." Außerdem habe man "bei der WM nicht so ein übles Publikum, das wild darauf ist, andere Fanblöcke anzugreifen". Innensenator Ehrhart Körting scheint sich da nicht so sicher. Er kündigte an, die Ermittlungsgruppe Hooligan der Polizei für die WM von 20 auf 130 Mitarbeiter zu verstärken.

Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 15.05.2006


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