Falsche Zeit, falscher Ort / Entschuldigung der Berliner Polizei bleibt aus

Die Polizei rudert zurück. Man werde sich für den wohl überzogenen Einsatz in der Discothek "Jeton" entschuldigen. Dieses Gerücht erhielt am gestrigen Vormittag Nahrung durch die Ankündigung einer nachmittäglichen Pressekonferenz. Polizeipräsident Dieter Glietsch und der Leitende Polizeidirektor Michael Knape – Chef aller Aktionen vor, während und nach dem Lokalderby zwischen Union und BFC – und ein Vertreter des Spezialeinsatzkommandos Berlin wollten Auskunft zum Einsatz geben. Dieter Glietsch verteidigte jedoch noch einmal das Vorgehen der Einsatzkräfte. Alle Beamten hätten professionell reagiert. Die Aktion sei nötig gewesen, um die organisierte Gewalt beim Fußballspiel am Sonntag von vornherein einzudämmen und zu verhindern. Eine Entschuldigung blieb aus – selbst gegenüber Verletzten und völlig Unbeteiligten. "Manche halten sich eben zur falschen Zeit am falschen Ort auf", meinte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski.

Immerhin wurden einige Aussagen der letzten Tage relativiert und von Amtswegen interne Ermittlungen eingeleitet. Die Grenzen der Gewalt seien – zumindest von den Gästen des "Jeton" – nicht überschritten worden. Schodrowski: "Es gab keinen direkten Widerstand." Im Klartext heißt dies, dass die Beamten auf wehrlose Menschen, bisweilen auch Hooligans, eingeprügelt haben. Aus Sicht der Polizei besaßen die Beamten noch "Schwein". Bei mehr Alkoholkonsum hätten die "Gewalttäter Sport" die Polizisten vermutlich entwaffnet. Der aggressive Zugriff des SEK-Bematen, der laut Augenzeugenberichten mit dem Umstoßen und Verprügeln von Disco-Gästen einherging, sei nur dem Ziel untergeordnet gewesen, alle anwesenden Personen rasch zu Boden zu bringen. "Dies war angesichts der Unterzahl der Beamten in dem verwinkelten Gebäude vorrangiges Ziel", so Schodrowski. Inzwischen ist klar, warum die Einsatzgruppe Hooligan (EGH) der Polizei beim Einsatz im "Jeton" nicht sofort dabei war. In der EGH soll es einen Maulwurf geben, der die Hools mit Infos versorgt.


Matthias Koch, Neues Deutschland, 24.08.2005