| Vor wenigen Tagen wurde Bodo Rudwaleit 45 Jahre alt. Eine günstige Gelegenheit für viele Fans des BFC Dynamo, mit ihrer Torwart-Legende in Erinnerungen zu schwelgen. Zum Beispiel über jenes Spiel im Herbst 1984, als der BFC im Europapokal auf die Schotten vom FC Aberdeen traf. Die 1:2-Niederlage aus dem Hinspiel glichen die Berliner aus, die Entscheidung fiel im Elfmeterschießen. Bodo Rudwaleit parierte zweimal. "Daran erinnern sich die Fans am liebsten", sagt Rudwaleit. Vor allem jetzt, wo der Klub mit der S-Bahn zu den Auswärtspartien reisen kann - und Rudwaleit, Assistent von Cheftrainer Dirk Vollmer, das letzte Überbleibsel einer erfolgreichen Vergangenheit ist. Der BFC spielt nur noch in der Verbandsliga. Eine reine Stadtliga. Am Sonntag gelang der Auftakt mit einem 1:0 beim Berliner SC.
Und Rudwaleit, der alle zehn Titel beim DDR-Rekordmeister mitgewonnen hat, sagt: "Ich habe kein Problem damit, dass unser Niveau jetzt nur noch fünfte Liga ist." Kurze Pause. "Wem das peinlich ist, der muss eben zu Hause bleiben." So weit unten war der Klub aus Hohenschönhausen noch nie. Doch keiner der immer noch zahlreichen Anhänger (350 begleiteten den Klub jetzt zum ersten Auswärtsspiel) empfindet Scham. Nur Erleichterung, weil ihr Verein zehn Monate nach dem Zwangsabstieg aus der Oberliga wieder Pflichtspiele bestreitet. 2,2 Millionen Euro Verbindlichkeiten hätten beinahe den Konkurs bedeutet - und den Sturz bis in die Kreisliga. "Das hätte mir das Herz zerrissen", sagt Rudwaleit, der letzte Saison in der zweiten Mannschaft noch hin und wieder den Libero gab, wenn Not am Mann war. Rudwaleit ist heute wie alle BFCer froh, dass sich mit dem Unternehmer Mike Peters ein Präsident fand, der rund 110 000 Euro für den Insolvenzplan aufbringen will und außerdem den Großteil des neuen Etats.
"Es geht nach langer Durststrecke wieder aufwärts", sagt Rudwaleit, der im Taxiunternehmen seiner Frau angestellt ist und beim BFC nur eine geringe Entlohnung bekommt: "Es geht nicht ums Geld. Wenn der Verein mich braucht, bin ich da." So treu war er immer. Rudwaleit hat zu DDR-Zeiten dem Lockruf des Westens widerstanden, lehnte mehrere Offerten von Klubs ab, die ihm zur Flucht verhelfen wollten. Er hat zwar nach der Wende ("Da war ich für die meisten Vereine schon zu alt") auch noch für andere Bälle gehalten (Tennis Borussia, Eisenhüttenstädter FC), gilt aber als Ur-Dynamo. Schließlich spielte er schon als Dreizehnjähriger für den BFC. So einer ist wie ein Turm, an den sich alle anlehnen wollen. Die junge Mannschaft (Durchschnittsalter 22 Jahre) wie die Zuschauer. Rudwaleit sei "eine Integrationsfigur", sagt Fan-Betreuer Rainer Lüdtke. Das gemeinsame Ziel heißt Klassenerhalt - der BFC ist bescheiden geworden. "Irgendwann aber wird Dynamo wieder im Profifußball sein", sagt Bodo Rudwaleit. "Wir müssen nur alle fest an den Erfolg glauben." Wie damals im Elfmeterschießen gegen Aberdeen.
Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 14.08.2002
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