| Die Spieler heißen nicht mehr Frank Rohde, Andreas Thom oder Thomas Doll. Die Gegner sind nicht mehr Nottingham Fores, Partizan Belgrad oder Girondins Bordeaux. In der neuen Saison werden David Kaethner, Steve Wagner, Uwe Lehmann und Philipp Wanski das Trikot des BFC Dynamo tragen. Junge Leute, die selbst in der Berliner Fußballszene kaum einer kennt. Woher auch? So weit unten wie in der neuen Saison hat der frühere DDR-Serienmeister noch nie gespielt. 13 Jahre nach seinem letzten Titelgewinn wagt der Verein in der Verbandsliga einen völligen Neubeginn. Mit einer bunt zusammengewürfelten Mannschaft, deren Durchschnittsalter 22 Jahre beträgt. Über eine Anzeige hatte der Verein im vergangenen Monat noch Spieler gesucht.
Sein Debüt in der 5. Liga gibt der einstige Europapokal-Teilnehmer am 11. August beim Aufsteiger Berliner SC an der Hubertusallee in Wilmersdorf. Es wird das erste Punktspiel der Hohenschönhausener seit zehn Monaten sein. Das bis dato letzte bestritten sie am 14. Oktober 2001 gegen die Amateure von Hansa Rostock (2:3). Danach gingen die Lichter für den BFC in der NOFV-Oberliga Nord aus. Der Verein war pleite, zog seine Mannschaft vom Spielbetrieb zurück und wurde als erster Absteiger auf den letzten Platz der Tabelle gesetzt. Das gleichzeitig eingeleitete Insolvenzverfahren dauert an. BFC-Präsident Mike Peters (seit 1. Juni im Amt) ist zuversichtlich, die drohende Insolvenz abwenden zu können. "Wir wollen dieses Kapitel so schnell wie möglich schließen und uns der eigentlichen Vereinsarbeit widmen", sagt der 30-jährige Jung-Unternehmer.
Peters und sein Stellvertreter Dirk Fischer haben dem Verein aus ihrem Privatvermögen 100.000 Euro in Aussicht gestellt und damit die Voraussetzung für ein Happyend geschaffen. "Da wir die Gläubiger-Forderungen von 204.000 Euro auf 113.000 Euro reduzieren konnten, sieht es sehr gut aus", sagt der BFC-Boss. Die Finanzierung des Spielbetriebs in der neuen Saison sei durch Kleinsponsoren, Spenden und Mitgliedsbeiträge ohnehin gesichert. Peters: "Wir arbeiten von Beginn an kostendeckend. Und das kann kaum ein Verbandsligist von sich behaupten." 120.000 Euro beträgt der Etat für das kommende Spieljahr, 50.000 davon entfallen auf die erste Männer-Mannschaft. Große Sprünge sind nicht drin. "Wir spielen eindeutig gegen den Abstieg", sagt Trainer Dirk Vollmar.
Der frühere Zweitliga-Profi des Chemnitzer FC und der Offenbacher Kickers stand vergangene Saison noch als Spieler in Diensten des BFC Dynamo, wurde aber wegen einer im Training erlittenen Halswirbelverletzung zum Sportinvaliden. Seinen neuen Job macht der B-Lizenz-Trainer ehrenamtlich. "Ich fühle mich dem Verein verbunden", sagt der 30-jährige. Vollmars erfahrenster Mann ist Nico Thomaschewski (31), der jahrelang das Tor von Tennis Borussia in Liga zwei und drei hütete. Aus jener Zeit kennt Thomaschewski auch seinen heutigen Co-Trainer Bodo Rudwaleit. Die 44-jährige Torwart-Legende (344 Oberliga-Einsätze in der DDR) kennt die glorreichen Zeiten des BFC Dynamo aus eigenem Erleben. In der Verbandsliga tritt nun Rudwaleits Sohn Robert (20) als Feldspieler in die Fußstapfen des Vaters. Zumindest ein Name erinnert also doch noch an den verblichenen Ruhm.
Horst Bläsig, Berliner Morgenpost, 20.07.2002
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