| Es schien fast, als hätten die Veranstalter nach finanziellen Kriterien die Gruppen eingeteilt. Hier die gut situierten Amateure von Hertha BSC und Tennis Borussia mit den solide wirtschaftenden VfB Lichterfelde und Lichtenberg 47, dort der Insolvenzklub BFC Dynamo mit den stets klammen Reinickendorfer Füchsen und den Klubs mit großen Etatlöchern, Türkiyemspor und Berliner AK. "Ein Zufall" sei das gewesen, versicherte der Organisator des Hallenmasters, Klaus Dieter Grube, und zeigte ein Herz für den Pleiteverein Dynamo, der nicht mehr am Oberliga-Spielbetrieb teilnimmt, aber dennoch eingeladen wurde zum bestbesetzten Hallenturnier der Stadt: "Wir sind eine Familie bei der Arbeitsgemeinschaft der Oberligavereine. Gerade wenn einer abgestürzt ist, reicht man die Hand."
Der BFC zeigte sich dankbar für die Chance, sich endlich wieder einmal vor großer Kulisse (1 500 Zuschauer) zeigen zu dürfen und erreichte die Endrunde. Das Traditionsturnier, das Tennis Borussia durch einen 1:0-Sieg im Finale gegen SD Croatia gewann, hat bei seiner 24. Auflage enorm an Attraktivität gewonnen durch den Umzug vom "Eisschrank Erika-Hess-Halle" (TeBe-Trainer Claudio Offenberg) in die kleinere und gemütlichere Sömmeringhalle. Man nehme Parkettboden statt Kunstrasen, ein kleineres Spielfeld (50 mal 20 m) - und heraus kommt rassiger, torreicher Budenzauber. Da verdrängte manch einer sogar kurz seine Sorgen. Denn mit dem Berliner Athletik Klub scheint der nächste Oberligist auf den Spuren von Dynamo zu wandeln.
Die prominenten Kicker Dejan Raickovic (zu Rot-Weiß Oberhausen) und Mike Lünsmann (verhandelt mit Yesilyurt), beide einst bei TeBe, sind jetzt ebenso abgewandert wie Gerald Klews (ehemals 1. FC Union). Vizepräsident Michael Bartschek, mittlerweile Interimstrainer, hofft auf eine Ablöse für Raickovic: "Dann könnten wir uns noch aus der Affäre ziehen." Eine unbezifferte Unterdeckung im 150.000-Euro-Etat und 30.000 Euro Altschulden belasten den BAK, an dessen hochtrabenden Pläne nur noch die rot-schwarz gestreiften Trikots erinnern. Noch vor wenigen Monaten sollte der 1907 gegründete Klub in AC Berlin umbenannt werden - in Anlehnung an den AC Milan, dessen Emblem auch kopiert wurde.
Ehemalige, teure Zweitligastars sollten den Aufstieg garantieren. Doch monatelang gab es kein Gehalt, jüngst bekam Bartschek nicht einmal elf Mann für ein Pokalspiel zusammen. Jetzt sucht der Verein neue Spieler per Zeitungsannonce. Gut, dass in der Halle nur fünf Spieler benötigt wurden. "Wir hoffen jetzt, dass kein Gläubiger gegen uns Insolvenzantrag stellt", sagt Bartschek, "denn es ist kein Geld da. Das wäre das Ende." Der Konkurs droht also. Der kann Dynamo auch noch blühen, sagt Mario Maek, Spielertrainer der Landesliga-Mannschaft, die das Gerüst für den Neuanfang in der Verbandsliga stellen soll. Für den ehemaligen Profi Maek ist der BFC derzeit nur ein Hobby. Seit November ist er arbeitslos gemeldet, ebenso wie sein Assistenztrainer Bodo Rudwaleit, die Torwartlegende des Vereins.
"Sicher ist nur, dass wir zwei nächste Saison coachen", sagt Maek und lächelt: "Bei den Trainern sind wir also top besetzt, aber ob wir eine konkurrenzfähige Mannschaft haben, ist offen. Wir sprechen Spieler an, aber was Konkretes können wir denen im Augenblick nicht sagen." Noch ist ungeklärt, ob das Insolvenzverfahren bei über sieben Millionen Mark Schulden positiv zum Abschluss gebracht werden kann. Auch beim Hallenkick war der 37-jährige Maek umringt von Kickern mit einem Durchschnittsalter von 20 Jahren. Der BFC setzt wieder auf die Jugend - das kommt an bei den Fans, die die lautstärksten in der Halle waren. Sie alle genossen den schönen Augenblick.
"Auch wenn es nur die Halle ist - wir spielen", sagte Maek: "Der BFC ist also noch da." Wenngleich andere jetzt die hohen Ziele haben. Herthas Amateure, bei denen sich für zwei Spiele der ehemalige Nationalspieler Andreas Thom in neuer Rolle üben durfte - als Vertreter von Cheftrainer Frank Vogel. Leidenschaftlich gab sich Thom an der Bande, kritisierte seine Spieler für jeden Ballverlust und trieb sie an. Hinterher schien es ihm fast etwas peinlich zu sein: "Na ja, ich gebe halt immer alles. Aber eigentlich ist das hier nicht so wichtig. Wir nutzen das hier als Training."
Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 07.01.2002
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