Existenzangst / Der BFC und Magdeburg kämpfen um den Regionalliga-Aufstieg - und ums sportliche Überleben

In 34 Spielen hat der BFC nur drei Mal verloren, insgesamt 92 Tore erzielt und mit 13 Punkten Vorsprung den ersten Platz in der NOFV-Oberliga Nord erreicht. Eine stolze Bilanz - die ab morgen 14 Uhr keinen mehr interessiert. Dem 1. FC Magdeburg geht es genauso: Nur vier Niederlagen, unglaubliche 120 Treffer erzielt und mit sieben Punkten Vorsprung Meister in der Oberliga Süd geworden. Alles Vorgeplänkel. Was in 3060 Minuten mühsam aufgebaut wurde, kann in nur 180 Minuten zerstört werden. Teil eins der Entscheidung um den Aufstieg in die Fußball-Regionalliga Nord steigt morgen (14 Uhr) im Sportforum Hohenschönhausen, nach Schätzungen von BFC-Manager Hans Reker vor 10.000 Fans. Teil zwei folgt am 9. Juni in Magdeburg. Eine Saison reduziert auf 180 Minuten.

Wer den Kürzeren zieht, hat ein Jahr vergeblich gearbeitet. Eine zweite Chance gibt es nicht. Der Verlierer muss ein weiteres Jahr über die Dörfer tingeln. Was noch viel schlimmer ist: Er taumelt weiter am finanziellen Abgrund. Schließlich tragen die Spieler das Trikot nicht für eine warme Mahlzeit. "Wenn man irgendwann sportlichen Erfolg haben will, muss man da unten raus. Je länger es dauert, umso schwerer wird es", sagt Magdeburgs Präsident Lutz Trümper fast schon beschwörend. Und so verkommt das Aufstiegsduell der beiden Traditionsvereine aus dem Osten zum Kampf um die nackte Existenz. "Sponsoren investieren nun einmal nur in erfolgreiche Vereine", nennt Trümper eine Regele des Marktes. Die auch Hans Reker kennt: "Wenn wir nicht aufsteigen, müssen wir gegenüber der Wirtschaft doppelt so gut argumentieren."

Raus, nur raus aus der Oberliga - dieser Wunsch vereint die beiden einst großen Vereine der DDR. Zehnmal in Serie Meister war der BFC von 1979 bis 1988, damals wie heute trainiert von Jürgen Bogs. Nur noch ältere Fans werden sich an den größten Triumph des FCM erinnern: Europapokalsieger der Pokalsieger 1974 mit Wolfgang Seguin und Jürgen Sparwasser. Lang ist´s her. Nun entscheidet sich, wer auf eine bessere Zukunft hoffen darf. Hans Reker sagt zwar: "Magdeburg muss aufsteigen, wir nicht." Aber die garantierten 750.000 Mark Fernsehgelder sind für den BFC sehr viel Geld. Wie eng es zurzeit aussieht, zeigt die Tatsache, dass die Spieler seit März auf ihr Gehalt warten.

Die im Aufstiegsfalle vom Deutschen Fußball-Bund geforderte Bankbürgschaft über einen siebenstelligen Betrag lässt sich auch nicht aus dem Ärmel schütteln: "Wir haben Zusagen von Wirtschaftsunternehmen, die uns helfen würden. An der Bürgschaft darf es nicht scheitern", hofft Reker. Der Regionalliga-Etat läge bei 3,5 Millionen Mark. Aber auch über ein Scheitern hat man sich beim BFC bereits Gedanken gemacht: "Die Spielerverträge gelten in beiden Ligen. Und unser Hauptsponsor hat für die kommende Saison unterschrieben. “Auch für die Oberliga", versichert der Manager. Marcel Riediger konnte jedoch nicht gehalten werden. Der Berliner wechselt in die Regionalliga nach Aue. Bei den favorisierten Magdeburgern laufen die Planungen bislang nur in Richtung Regionalliga.

Fest steht lediglich, dass der für Oberliga-Verhältnisse extrem hohe Etat von fünf Millionen Mark sinken würde, wenn das eintritt, woran keiner denken mag. Anders als beim BFC gelten die Verträge vieler Spieler nur für die Regionalliga, "dann müssten wir uns nach jungen, preiswerten Leuten umschauen", so Trümper. Der Präsident und ab Juli neue Oberbürgermeister von Magdeburg weist permanent auf die Bedeutung des Aufstiegs für den Verein und die Stadt hin. Die Sanierung des maroden Ernst-Grube-Stadions ist vom Stadtrat beschlossen. Zu Trümpers großer Erleichterung: "Wir brauchen ein länderspieltaugliches Stadion." Aber es gibt nicht dauernd Länderspiele, da würde sich ein starker Magdeburger Verein gut machen. Mittelfristig wollen beide Klubs in die zweite Liga. Wer am 9. Juni gegen 17.15 Uhr in der Gesamtrechnung als Verlierer vom Platz geht, der hat nicht nur ein Spiel verloren. Sondern ein Saison - mindestens.

Sebastian Schlichting, Berliner Morgenpost, 01.06.2001