Neue Fakten im Fall Eigendorf / Der ehemalige DDR-Nationalspieler wusste, nach Aussage von Trainer Berger, von Stasi-Methoden

Jörg Berger hatte Lutz Eigendorf eindringlich vor der Stasi gewarnt. Der 55-jährige Trainer, der im März 1979 neun Tage nach Eigendorf aus der DDR geflohen war, ging schon nach dem Tod des ehemaligen Fußballers vom BFC Dynamo von einer Beteiligung des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) aus. "Ich wusste: Das war kein Autounfall, das war die Stasi", wird Berger in der "Bild"-Zeitung zitiert. In einer Dokumentation des Westdeutschen Rundfunks, die gestern in der ARD auf dem Programm stand, wurden die Aktivitäten des MfS nach der "Republikflucht" von Eigendorf aufgezeigt: Rund 50 hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter und mehr als 20 angesetzte Spitzel waren mit dem Fall Eigendorf befasst. Jörg Berger kennt das "aggressive Verhalten" des MfS aus dem Studium von zwölf Stasi-Ordnern.

"Ich habe Lutz immer wieder gemahnt: Halte dich mit Interviews zurück, die Erich Mielke reizen könnten", sagte Berger. In der Dokumentation des WDR hatte der ehemalige Juniorennationaltrainer der DDR noch jeden Kommentar verweigert. "Auch ich schwebte in Lebensgefahr", sagte Berger jetzt. Der Sachse hatte sich am 28. März 1979 in Belgrad von der DDR-Mannschaft abgesetzt, Eigendorf hatte ein Spiel in Kaiserslautern am 20. März 1979 genutzt, um politisches Asyl in der Bundesrepublik zu beantragen. "Die hatten jeden Winkel meines Hauses ausspioniert. Meine Strecke zur Arbeit, die Straßen- und Lichtverhältnisse", berichtete Berger nach seinem Aktenstudium und kam zu der Erkenntnis: "Wenn ich die DDR öffentlich kritisiert hätte wie Eigendorf, wäre mir wohl auch ein ,Unfall' zugestoßen." TV-Autor Heribert Schwan fand als Hauptindiz für die Beteiligung der Stasi am Tod von Eigendorf, der am 5. März 1983 ums Leben gekommen war, bei der Gauck-Behörde ein Stasi-Dokument zur Wirkungsweise von giften.

Darauf war auch der Name Eigendorf vermerkt. Schwan glaubt, Eigendorf sei bei einer Gaststätte in Braunschweig aufgelauert und Alkohol mit einer giftigen Substanz eingeflößt worden. Beim verunglückten Fußball-Profi war ein Alkoholgehalt von 2,2 Promille festgestellt worden. Mit welchen Mitteln die Stasi DDR-Sportler observierte, machte Falko Götz deutlich, der 1983 zusammen mit Dirk Schlegel ein Europacupspiel bei Partizan Belgrad zur Flucht genutzt hatte. "In den Stasi-Unterlagen fand ich einen Entführungsplan", berichtete der Amateurtrainer von Hertha BSC. Auch Götz und Schlegel hatten wie Eigendorf beim BFC Dynamo gespielt, der vom MfS bestimmt und finanziert worden war. Stasi-Chef Mielke galt auch als erste Führungskraft des Klubs. Götz sollte in die DDR "zurückgeführt" werden, wenn er die DDR provoziert oder Spieler abgeworben hätte.
 
Autor nicht bekannt, Tagesspiegel, 23.03.2000