| Schon damals, als auf den weinroten Trikots des BFC Dynamo noch keine Werbeschrift prangte, sondern nur das Vereinsemblem, machte man sich einen Reim auf den Namen Riediger. In den Stadien der DDR-Oberliga erntete der rotblonde Stürmer meist den Zorn der gegnerischen Fans. Wenn sie es sehr böse meinten, der Gehaßte vielleicht gerade eines seiner 105 Tore für die Dynamos geschossen hatte, dann schickten sie dem Namen Riediger in Reimform einen Begriff nach, der sich auf die biblische Entstehungsgeschichte bezog, genauer auf Onan, Sohn des Stammvaters Juda. Marcel Riediger, 19, Sohn von Hans-Jürgen Riediger, hat es bei Auswärtsspielen des neuzeitlichen BFC viel leichter.
Noch ist er nicht so bekannt wie der Papa, aber er arbeitet dran. Er hat bereits vier Tore in der Regionalliga Nordost erzielt. Er ist erfolgreichster Torschütze. Der Sturm seines Teams hat die meisten Tore erzielt. Und auf einem Aufstiegsplatz in die neue dritte Profiliga steht der BFC nach vier Spieltagen auch. Noch wird auf den Tribünen gemurmelt: "Ist das nicht der Riediger?" - "Glaub' schon." - "Der sieht ja genauso aus wie der Alte." Aber sollte Riediger, der Jüngere, so weiter kicken, dann werden sich bald auch ein paar Unterschiede zum früheren DDR-Nationalspieler (41 Einsätze) einprägen. "Ich bin technisch besser", sagt Marcel Riediger selbstbewußt. "Er ist langsamer als ich", kontert der Vater, "zudem weniger robust".
Dann wird es einvernehmlich. Beide verstehen sich gut. Sie kultivieren keinen Generationskonflikt, sondern pflegen das Verhältnis eines Mentors zum Protegé. Der Bekanntheitsgrad des Vaters ist keine Last, im Gegenteil. "Ich hatte durch den Namen immer Glück, mich hat man dadurch nicht so untergebuttert", sagt der Sohn. Fast jeder im Umfeld des Vereins bescheinigt dem angehenden Logistikfachmann beste Tugenden. Trainer Klaus Goldbach sagt, er sei bescheiden und arbeite konzentriert. Uli Netz, sein Coach in der A-Jugend, versichert: "Marcel geht unbekümmert 'ran. Er ist ein aufgeschlossener, lockerer Junge, sehr pflegeleicht." Von den Mitspielern hört man immer wieder dasselbe Attribut: Sehr ruhig sei der Riediger.
Seit dem achten Lebensjahr kickt er beim BFC. Es sei ihm immer "eine Ehre" gewesen, für den Verein zu spielen. Immer? "Ja, mit acht weiß man ja noch nichts von Stasi und so", sagt er. Goldbach hat ihn nun in die erste Mannschaft geholt. Daß er von Beginn an spielen durfte, hat ihn überrascht. Goldbach sagt: "Wir haben jetzt ein ganz zartes Pflänzlein, das aufgegangen ist. Das müssen wir sehr pfleglich behandeln." Riedigers Vertrag läuft bis zum Jahr 2001. Er verdient nicht schlecht, jedoch weniger als die meisten seiner Kollegen beim BFC. Kontakte zum umtriebigsten Spielervermittler im Osten, Jörg Neubauer, bestehen bereits.
An einer Meldung von "Bild", er stehe in Kontakt mit Bayern München, sei aber nichts dran, sagt Riediger. Und überhaupt, so beteuert der Youngster, interessiere ihn dieser "Geldkram" wenig. Er wolle nur Fußball spielen und Tore machen. Spielen wie Youri Djorkaeff und einnetzen wie Ronaldo. "Das sind meine kleinen Vorbilder". Fehlt da nicht einer? "Ach ja, natürlich, mein Vater. Logisch."
Markus Völker, Junge Welt, 07.09.1999
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