BFC ist FCB ist BFC

Der jetzige Fußball-Regionalligist und ehemalige DDR-Serienmeister FC Berlin benennt sich zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt um. Als Volkmar Wanski, Präsident des Fußball-Regionalligisten FC Berlin, vor einem Monat bekanntgab, daß man plane, den Verein im nächsten Frühjahr wieder BFC Dynamo zu nennen, war das Erstaunen groß. Nicht nur unter den Fans - die zwar den Club immer noch beim alten Namen rufen, es aber längst aufgegeben haben, die Rückbenennung zu fordern -, auch bei den Medien. Schließlich hatten vor allem die westlichen Boulevardzeitungen nach der Wende hart daran gearbeitet, daß die Ostvereine ihre typischen Namen änderten, und besonderer Druck war damals auf den BFC Dynamo, von 1979 bis 1989 zehnmal hintereinander DDR-Meister, und Dynamo Dresden ausgeübt worden.

Mit Erfolg: Der BFC benannte sich im Februar 1990 in FC Berlin um, andere änderten ihre Namen ebenfalls, nur Dynamo Dresden zeigte sich bockig. Und nun das. Wilfried Mohren, westlicher Sportchef des MDR, hatte seine Zuschauer aufgefordert, sich per Ted zu der Umbenennung zu äußern. Um ihnen die Entscheidung leichter zu machen, wurde in kurzen Beiträgen das zusammengefaßt, was gegen den damaligen BFC vorliegt: Er galt als "Stasi-Verein" - das auch, weil Erich Mielke glühender Fan war - dem Schiedsrichter wie Adolf Prokopp notfalls zum Sieg in der 97. Minute verhalfen. Der BFC hatte republikweit die besten sportlichen Voraussetzungen, gute Spieler wurden von anderen Vereinen oft dorthin "delegiert".

Mohrens Absicht ging daneben. Mehr als Dreiviertel aller Zuschauer sprachen sich für die Rückbenennung aus.  Zum Schlimmsten, was einem Fußballverein passieren kann, gehört der Verlust des eigenen Namens. Während Spieler, Trainer immer wieder mal den Verein wechseln, sind die Zuschauer durch ihre Biographie meist lebenslang an einen Club gebunden. Der Name bedeutet Identität, steht für die Tradition, für Titel, Abstiegskämpfe, spannende Matches und unglaubliche Niederlagen. Wenn die Mannschaft leidlich gut spielt, sind es die Namen und die Geschichte, die Sponsoren interessieren. Ohne Not wechselt kein Markenartikel-Hersteller den Namen seines Produkts. Ein Fußball-Verein auch nicht.

In Deutschland waren die meisten Fußball-Clubs aus der Arbeitersportbewegung Ende des letzten Jahrhunderts entstanden. Mit der Emanzipation des Fußballs vom Proletensport änderten sich auch die Namen. In ihnen spiegelte sich vor allem die vaterländische Ideologie der Reichsgründung wider. Man nannte sich Borussia, Eintracht oder Concordia, Alemania oder Hansa. Auch, um sich vom englischen Vorbild abzusetzen, dort hatten die Clubs eher Spitznamen, wie z.B. die Tottenham Hotspurs, man wollte deutsch sein - Hertha BSC ist da eher ein Kuriosum, der Club war kurzerhand nach dem Spree-Dampfer benannt worden, auf dem die Gründungsversammlung stattfand.

In den sozialistischen Staaten konnte man dagegen an den Namen der Vereine ihre Herkunft erkennen - Dynamo hießen beispielsweise die Polizeisportvereine, Rotor die zur Marine gehörigen Clubs, Lokomotive nannten sich in der DDR die Betriebssportvereine der Deutschen Reichsbahn, Chemie die der chemoindustriellen Betriebe - Vereine wie Union Berlin und Hansa Rostock galten in der DDR wohl auch deswegen als systemkritisch, weil sie sich nicht in die gängige Namensgebung einfügten. Beim Berliner Regionalligisten FC Berlin spielen Marketingüberlegungen bei der avisierten Rückbenennung kaum eine Rolle, denn auch als BFC wird der Verein für Sponsoren nicht interessanter.

Schon kurz nach dem Fall der Mauer waren die Vertreter des damaligen BFC Dynamo als wichtigster DDR-Verein vom DFB nach Frankfurt/Main geladen worden. "Als wir ankamen, trauten wir uns nicht, mit unserem Trabant vor der Villa zu parken, wir haben ihn dann einfach ein paar Seitenstraßen weiter abgestellt", erinnert sich der damalige Manager Dieter Fuchs. Die Dynamos fanden sich dann jedoch als Mittelpunkt der Sitzung wieder, was mindestens erstaunlich war, denn 1985 hatten der Hessische Fußball-Verband den Antrag des "Freizeit-Sport-Clubs Dynamo Windrad Kassel" auf Einstieg in die unterste Kreisklasse abschlägig beschieden: Der Name Dynamo ähnele "zu sehr den Gepflogenheiten in der DDR bzw. in den Ostblockstaaten".

Kurz nach der DFB-Sitzung wurden dann auch die realen Ost-Dynamos nicht mehr hofiert: Daß der BFC praktisch der Stasi gehörte, machte ihn bei den Westmedien zum Haßobjekt Nummer eins, die dazugehörigen Hooligans, die sich in kurzer Zeit an die Spitze der imaginären gesamtdeutschen Rangliste prügelten, sorgten für weitere Negativ-Schlagzeilen. Dabei hatte man doch so große Ansprüche: Daß das neue Kürzel des Vereins - FCB - genau so lautet wie das der Münchner Bayern, war mit Sicherheit nicht unbeabsichtigt. Vielleicht träumte man damals tatsächlich von Schlagzeilen wie "Deutsche Meisterschaft: FCB-West gegen FCB-Ost", vielleicht dachte man mit dem in Jahrzehnten erworbenen Knowhow in kurzer Zeit wieder zur fußballerischen Spitze gehören zu können.

Schließlich war man für kurze Zeit durch die Verkäufe von Spitzenspielern der "reichste Amateurverein Deutschlands" (Bild) und konnte sich die teure Nachwuchsarbeit bequem leisten. Nachdem man jedoch in der dritten Saison hintereinander den Aufstieg in die Zweite Liga nicht geschafft hatte, resignierten die Verantwortlichen. "Mielkes Erben sterben langsam" lautete eine Bild-Schlagzeile Mitte der Neunziger, die das FCB-Dilemma auf den Punkt brachte: Während die Transfer-Millionen längst aufgebraucht waren, funktionierte nur noch die Jugendarbeit des Vereins, mit dem Erfolg, daß in jedem Jahr eine neue junge Mannschaft aufgestellt wurde, die kaum Zeit hatte, sich zusammenzufinden, so schnell wurden die Kicker von Profivereinen gekauft - aus diesen ehemaligen FCB-Spielern könnte man drei mindestens in der Tabellenmitte kickende Erstliga-Clubs bilden.

So kamen in den letzten Jahren nur noch die allertreuesten Fans ins Ostberliner Sportforum, um sich das teilweise grausame Gekicke der FC Berlin anzusehen. Dabei hatte man doch damals gehofft, mit der Namensänderung auch die Vergangenheit loszuwerden und als unbelasteter Verein neu anfangen zu können. Was sich finanziell nicht rechnete: Die großen Sponsoren blieben ebenso aus wie der sportliche Erfolg. Wer also FC-Berlin-Fan geblieben ist, muß aus der Erinnerung leben: "Weißte noch, 1983, gegen Union?" Ein FCB-Feuerzeug reicht nicht mehr, vermutlich auch der weinrote Dynamo-Aufnäher nicht, die BFC-Nadel, das Berliner Fußball Club Dynamo-T-Shirt oder irgend etwas ähnliches.

Dennoch sind auch solche Artikel identitätsstiftend. Die Rechte für die BFC-Souvenirs liegen allerdings nicht mehr beim Rechtsnachfolger FCB: Der bundesweit bekannte West-Berliner Fußball-Devotionalienhändler Pepe Mager hat das alte BFC-Logo beim Patentamt als Geschmacksmuster eintragen lassen. Das ist ein Vorgang, bei dem die wirklichen Urheberrechte nicht geprüft werden, bisher wollten die FCB-Verantwortlichen nicht gegen Mager vorgehen, auch, um neuen Schlagzeilen über die Vergangenheit des Clubs vorzubeugen. Somit hat Mager bislang allein das Recht, die alten Artikel nacharbeiten zu lassen und zu verkaufen; eigenem Bekunden nach macht er großen Umsatz damit.

Elke Wittich. Jungle World, 28.10.1998