Der FC Berlin konkurriert mit Mohammed al-Fayed / FCB-Präsident Volkmar Wanski bietet dem alten Rivalen 1. FC Union eine Fusion und einen neuen gemeinsamen Namen

Die Angst vor dem Konkurs geht um in der Alten Försterei. Die Steuerfahndung prüft die Jahre 1993 bis 1995, in denen der Verein unter der Präsidentschaft von Detlef Bracht und Horst Kahstein stand. Den Klub drücken 4,6 Millionen Mark Schulden, und die neue Führungscrew Heiner Bertram/Hans-Joachim Jung stößt bei der verzweifelten Suche nach Sponsoren auf eisige Ablehnung in der Berliner Wirtschaft. Überraschenderweise aber findet der Verein Gehör bei der eigentlich als ungeliebt bekannten Konkurrenz. Volkmar Wanski, Ostberliner Bauunternehmer und Präsident des FC Berlin, hatte am Montag erstaunt die Nachricht vernommen, daß die Union-Führung sich in ihrer Not ans Ausland gewandt hat.

Der Regionalligist hatte dem Londoner Multimillionär Mohammed al-Fayed, Vater des gemeinsam mit Prinzessin Diana tödlich verunglückten Dodi al-Fayed "Takeover offer", ein Übernahme-Angebot unterbreitet. Al-Fayed, Besitzer des Londoner Edel-Kaufhauses Harrods, ist ein leidenschaftlicher Fußballanhänger. Vor einiger Zeit hatte er den ebenfalls maroden Traditionsverein FC Fulham für 12 Millionen Pfund aufgekauft und saniert. Nun wundert sich FC-Präsident Wanski, warum die Unioner nicht an naheliegendere Dinge denken und Hilfe beim einst so verhaßten Ortsrivalen suchen.

Er warte nicht täglich darauf, daß Union kaputtgehe ­ "im Gegenteil, die tun mir wirklich sehr leid, und es ist zu wünschen, daß Union weiter bestehen bleibt", so Wanski, "aber wir beobachten die Entwicklung an der Alten Försterei sehr genau". Sollte der Ernstfall eintreten und Union Konkurs anmelden, bietet Wanski eine Übernahme oder "eine Art Fusion" an. Es gehe ihm dabei einzig und allein darum, im zerplitterten Ostberliner Fußball einen starken Pol zu erhalten und weiterzuentwickeln

Wanski habe keinerlei Berührungsängste; die Zeiten, als Duelle der beiden Mannschaften in der DDR-Oberliga zu "Klassenschlachten" ausarteten, seien doch schon sehr lange vorbei. Man müsse vernünftig zusammenarbeiten, ehe der Fußball auf dieser Ebene im Osten der Stadt kaputtgehe. Die Pläne des Volkmar Wanski sind relativ weit gereift. Schon einmal habe er Hertha Zehlendorf, den Reinickendorfer Füchsen und dem SC Charlottenburg Fusionsgedanken nahegebracht. "Doch die haben damals abgewunken", sagt Wanski, "die konnten das ihren Mitgliedern nur schwer vermitteln.

 Daß es eingefleischten Union-Fans nicht leichtfallen dürfte, mit dem FC Berlin, Nachfolger des BFC Dynamo, eine Partnerschaft einzugehen, ist auch Wanski klar. "Aber in der Not", sagt der FCB-Präsident, "sollte man sich besinnen." Sicher ist aber auch, daß einige Anhänger aus der Wuhlheide lieber mit ihrer Union einen Neuanfang in der Kreisliga wagen werden, als sich dem FC kampflos anzuschließen. Wanski wischt solcherart Bedenken beiseite. Er stellt sich die diffizile Angelegenheit so vor: Der FC Berlin nimmt im Fall der Fälle Rest-Union unter seine Fittiche.

Dann wird ein vernünftiger Vereinsname gesucht, der beiden Seiten gerecht wird, und auch im Vorstand ist jede Seite gleichberechtigt vertreten. "Wir werfen die besten Spieler zusammen", sagt Wanski, "gespielt werden sollte im Jahnsportpark in Prenzlauer Berg." Der FC Berlin bringe als Mitgift "ordentliche Finanzen" ein und eine allseits anerkannte Nachwuchsarbeit. Konkret: Der FCB ist schuldenfrei, was in der Regionalliga nur wenige Vereine von sich behaupten können. "Aus dieser Position heraus machen wir Union diesen Vorschlag", begründet Wanski seine gewagten Pläne.

Im Stadionheft zur Begegnung Union­FC Berlin (3:1) am zurückliegenden Sonntag meldete sich der Mitbegründer des 1. FC Union, Günter Mielis, zu Wort. "Die Spiele gegen den BFC Dynamo sind in die Union-Geschichte eingegangen. Jetzt gilt es, mit den neuen Problemen der Gegenwart fertig zu werden ­ das trifft auf Union wie den FC Berlin zu. Es gibt keine unüberbrückbaren Gegensätze mehr." Wanski will die Union-Vertreter nicht bedrängen: "Die sind frei in ihrer Entscheidung, aber unser Angebot ist ernst gemeint."

Michael Jahn, Berliner Zeitung, 10.12.1997