| Hendrik Herzog (28) wechselt im August zu Hertha BSC Berlin. Nach Frank Rohde und Falko Götz wird er der dritte Spieler aus der Erbmasse des zehnmaligen DDR-Meisters BFC Dynamo sein, der bei Hertha sein Honorar verdient. Herzog, Verteidiger mit Offensivqualitäten, mußte einen siebenjährigen Umweg über Schalke 04 und den VfB Stuttgart nehmen, ehe innerhalb Berlins der Übertritt von Ost nach West gelang. Die Gründe sind bekannt: Berührungsängste und eine falsche Einschätzung des Leistungsvermögens ehemaliger BFCer unmittelbar nach der Wende. Bis heute verschwinden die Aversionen gegen den BFC-Nachfolger FC Berlin nur langsam.
Als sich in Wolfgang Levin im November 1996 ein Sportmanager aus dem Westteil der Stadt aufmachte, beim FC in Hohenschönhausen anzuheuern, war dies nur eine Randnotiz. Wenige Jahre zuvor wäre der ehemalige Manager von Hertha BSC für diesen Schritt noch heftig kritisiert worden. Niemand wollte in die Nähe des DDR-Serienmeisters gerückt werden. Die Namensänderung (19. Februar 1990) galt nur als marginale Kurskorrektur. Der Klub, der zu DDR-Zeiten von den drei Säulen Zollverwaltung, Ministerium des Innern und Ministerium für Staatssicherheit getragen wurde, galt als der klassische Stasi-Verein. Stasi-Chef Erich Mielke, Ehrenvorsitzender des BFC Dynamo, ließ sich auf der Tribüne feiern. Schiedsrichterentscheidungen wurden auf Anweisung von ganz oben gefällt.
Daß die Mannschaft - überdurchschnittlich gut besetzt - auch sehenswerten Fußball bot, war schnell vergessen. Die DDR ging unter, die BFC-Stars zogen schnell gen Westen. Andreas Thom war im Januar 1990 der erste DDR-Fußballer, der in die Bundesliga (zu Bayer Leverkusen) transferiert wurde. Offizielle Ablösesumme: 3,3 Millionen Mark. Es folgte das Doppel Thomas Doll/Frank Rohde zum Hamburger SV. Über 30 Spieler gingen, zurück blieb ein Vereinsgerippe: sportlich ausgeblutet, aber mit einem prallem Bankkonto. "Als ich hier begann, waren die Konten auf Null gestellt", sagt Manager Levin, "der Verein hat jetzt zwar keine Schulden, aber auch nichts auf dem Konto."
Wo sind die Millionen? Levin nimmt an, daß nach 1990 überhöhte Gehälter gezahlt wurden, um mit Macht in den Profibetrieb aufzusteigen. "Die waren der Marktwirtschaft nicht gewachsen", sagt Levin. Der Verein blieb einsam, er fand keine Sponsoren. "Heute", glaubt Manager Levin, "sind wir in jeder Beziehung unbelastet." Er selbst löste Dieter Fuchs ab, den letzten Funktionär der alten Ära. Fuchs war zumindest in Transferfragen beschlagen. So fielen auch beim Weiterverkauf von Thomas Doll vom Hamburger SV an Lazio Rom für 16 Millionen Mark noch einige Prozente an den FCB ab. Dennoch ging es Mitte 1996 ums Überleben. "Es war Präsident Volkmar Wanski, der den FCB rettete", sagt Levin.
Der Chef einer Baufirma mit rund 50 Angestellten aus Hohenschönhausen und Trainer Werner Voigt haben das Ziel, den FCB in der Regionalliga zu etablieren, um "in vielleicht zwei, drei Jahren zur zweiten Bundesliga zu blicken." Gesucht wird ein Hauptsponsor aus den neuen Bundesländern. Kommende Woche wird ein neuer Ausrüster vorgestellt, und der Freundeskreis "Klub 100" mit mittelständischen Unternehmen vorwiegend aus dem Bezirk Hohenschönhausen etabliert sich gerade. Es bleibt ein mühsames Unterfangen. Zunächst muß der Etat für die kommende Saison von 1,2 Millionen auf 900 000 Mark gedrückt werden.
Um den 360 FCB-Talenten dennoch eine Perspektive zu zeigen, wird eine Kooperation mit Erstligist Werder Bremen angestrebt. Levin: "Geben und Nehmen ist das Ziel." Weitere Aufgaben beim Kampf um ein neues Image: die Bandenwerbung soll in feste Vermarkterhände gegeben werden, ebenso der Fanartikelverkauf. Kuriositäten bleiben: Im FCB-Programmheft werden weiterhin ehemalige BFC-Delegations-Sakkos (200 Mark) feilgeboten. "Jeder Klub hat Vergangenheit", sagt Levin, "da ist immer Nostalgie im Spiel."
Michael Jahn, Berliner Zeitung, 10.05.1997
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