Hooligans nahmen Fußballspiel FC Sachsen Leipzig gegen FC Berlin zum Anlaß wütender Randale / In einer Notwehrsituation kam der Befehl zum Schußwaffeneinsatz

Ein schlimmer Tag, dieser 3. November! Was trug sich in Leipzig zu?

12.17 Uhr: Einfahrt des D-Zuges 713 aus Stralsund auf dem Leipziger Hauptbahnhof. Dieser Zug wurde über Halle umgeleitet. Bereits nach Ausfahrt aus dem Hallenser Hauptbahnhof zogen randalierende Fußballfans die Notbremse und bewaffneten sich mit Schottersteinen. Im Leipziger Hauptbahnhof angekommen, gab es dann die ersten Auseinandersetzungen mit 25 Bahnpolizisten. Steine wurden geworfen, "Mörder"- und "Nazi"rufe erschollen. Den Polizisten gelang es, die über 100 Rowdys zur S-Bahn nach Leipzig-Leutzsch abzudrängen.

12.40 Uhr: Abfahrt des S-Bahn-Zuges. Zerschlagene Scheiben und andere Beschädigungen der Waggons sind hier das Ergebnis der Randale.

13.50 Uhr: Sogenannte Anhänger von Lok Leipzig stürmten, wahrend die Sicherheitskräfte die Berliner kontrollierten, die Stadionkassen und durchbrachen sie. Im Stadion nahmen sie sofort die Ehrentribüne in Beschlag. Drei Hooligan-Gruppen randalierten im Stadion: Berliner und Leipziger von Lok und Sachsen. Sie wurden zum großen Teil aus dem Stadion gedrängt.

14.00 Uhr: Das Spiel kann noch nicht angepfiffen werden, weil die Polizei immer noch mit den Hooligans im Stadion zu tun hat.

14.15 Uhr: Auf etwa 400 bis 500 Hooligans wuchs die Gruppe der Randalierer in der Nähe des Leipziger Sportparkes. Sie versuchten bereits nach Spielbeginn Eingang zum Stadion zu erhalten. Laut Absprache mit dem Veranstalter drängten die Polizisten diese große Gruppe ab, die sich dezentral gesammelt hatte.

14.25 Uhr: Das Spiel wurde angepfiffen. Draußen starteten die Wütenden mehrere Angriffe auf die Polizei. Sie setzten Steine, Eisenstangen, Stöcke und Reizgas ein. Die Polizisten ihrerseits nutzten Tränengas. Nach mehreren Angriffswellen kam es dann in der Pettenkoferstraße zu den schwersten Auseinandersetzungen des Tages. Die Randalierer zündeten auch hier Polizeimannschaftswagen an, kippten Funkstreifenwagen um, beschädigten andere zivile Fahrzeuge. In Überzahl wurden die Leipziger Polizisten angegriffen und so bedrängt, daß der Einsatzleiter Karl-Heinz Krompholz den Befehl zum Gebrauch der Schußwaffe gab. Krompholz begründete das später vor der Presse damit, die Polizei habe sich in einer Notwehrsituation befunden. Ein 18jähriger Berliner erlag seinen Schußverletzungen.

15.20 Uhr: Die Randale im Umfeld des Georg-Schwarz-Sportparkes waren beendet.

15.46 Uhr: Ein Teil der Hooligans, etwa 150, stieg in Leipzig-Leutzsch wieder in den Zug und traf erneut auf dem Hauptbahnhof ein. Sie vereinten sich mit einer weiteren Gruppe zu etwa 300 Randalierern. Erneut wurde die Auseinandersetzung mit Eisenstangen und Gaspistolen mit
den Bahnpolizisten gesucht. Die Gruppe wanderte ab.

16.00 Uhr: In der Friedrich-Ludwig-Jahn-Allee begannen die Hooligans erneut mit den Randalen. Auf ihrem Marsch durch die Innenstadt wurden Schaufensterscheiben von Geschäften zerschlagen und Auslagen geplündert. Allem das Konsument-Warenhaus wies 18 zerbrochene Schaufensterscheiben auf. Ein Vandale: "Was soll man denn heute machen? Man kann nicht nur immer Türken oder Linke klatschen."

16.10 Uhr: Das Fußballspiel ging ohne weitere Zwischenfälle zu Ende. Der FC Sachsen, dem man beim Spiel gegen Jena wegen Zuschauerausschreitungen Vorwürfe wegen ungenügender Sicherheitsmaßnahmen machte und dem man auch eine Platzsperre aussprach, war gegen die Randale machtlos.

Gegen 20 Uhr: Im Kreisamt der Polizei konnte resümiert werden: "Die Luft brennt nicht mehr."


Autor nicht bekannt, Neues Deutschland, 05.11.1990