Es ist schon fünf Minuten vor Zwölf

Eingeworfene Schaufensterscheiben, die Frontscheiben von Mannschaftswagen der VP mit Steinen zertrümmert, durch die Innenstadt Jenas zog sich nach dem Einfall vermummter Fußballterroristen eine Spur der Verwüstung. Den "Höhepunkt" behielten sie sich dann noch für das Spiel vor: Sie schossen mit Leuchtraketen gezielt auf die vor ihnen postierten Ordnungskräfte. Ein Uniformierter wurde im Gesicht getroffen. Unerklärlich für den Außenstehenden - der Befehl zum Eingreifen kam selbst da nicht! Eine Minute nach Wiederbeginn mußte dann Schiedsrichter Ziller die Partie unterbrechen. Unter den gegebenen Umständen war eine Fortführung nicht möglich. Nun endlich erhielt die Polizei Verstärkung, räumte den Block mit der offensichtlich einzig wirksamen Maßnahme: Gewalt gegen Gewalt!

Über die Truppe, die den FC Berlin verfolgt wie eine Seuche, ist in den letzten Wochen schon viel geschrieben worden. Fakt ist, trotz entsprechender Maßnahmen des FC Carl Zeiss und der Sicherheitsorgane der Stadt, es langte nicht aus, das Publikum vor diesen brutalen Schlägern zu schützen. Hier ist eine konzertierte Aktion der Staatsorgane gefragt, weil die öffentliche Sicherheit auf das gröbste gefährdet ist. Das Fußballspiel ist für diese Vandalen doch nur ein Vorwand, sich zusammenzurotten und damit gezielt eine Stadt in Angst und Schrecken zu versetzen. In Jena versuchte der Stadionsprecher das Publikum zu bewegen, nicht in die Nähe der Rowdys zu gehen. Ein völlig untauglicher Versuch, weil die Aggressivität eben von denen ausgeht. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen. Im Interesse unseres Fußballs, noch viel mehr aber im Interesse der Gesundheit unserer Bürger. Es ist fünf Minuten vor Zwölf, wenn nicht schon später...

Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 10.04.1990