Unvergleichbarer Dreier-Motor - wenn er läuft

Die Konkurrenz weiß seit langem wieder, woran sie mit dem BFC ist. Nur am 1. Spieltag war der FCK vorn. Sein 2:0 war eine Spur besser als das 2:1 der Berliner. Danach spielten die Hauptstädter wieder die Leithirsche, zogen bis auf drei Punkte davon, um den 1. FC Lok doch zweimal auf punktgleiche Tuchfühlung herankommen lassen zu müssen (10. und 13. Runde). "Ich bin mir sicher, saß aus dem Zwei- noch ein Dreikampf wird", meint Trainer Jürgen Bogs. "Denn Dresden bat sich systematisch herangeschoben." Der Sechs-Punkte-Rückstand der Geyer-Elf vom 6. Spieltag schmolz bereits auf die Hälfte zusammen. Doch ohne tiefe Talfahrt mitten in der Saison machte es der Titelverteidiger auch diesmal nicht.

War es ´86/87 die erste Novemberwoche mit den beiden Pokal-K.-o. gegen Bröndby und Böhlen, so war sie nun schon in der zweiten Septemberhälfte zu "erleben". In die erneuten EC-Enttäuschungen der zwei 0:2-Spiele gegen Bordeaux (in der 27. EC-Runde blieb der BFC erstmals ohne Torerfolg!) war die einzige Ssisonniederlage beim 1:3 in Dresden mit eingebettet. Diese drei wichtigsten Kraftproben glichen sich in manchem. Der BFC eröffnete alle drei mit dem Vermögen, die Konzentration auf eine Aufgabe auch in schwungvolle Startphasen umzusetzen. "Geht das schon wieder los...", stöhnten die Dresdner, als Thom bereits nach sieben Minuten das 0:1 gelang.

Auch gegen Bordeaux dominierte Dynamo anfangs optisch deutlich. Aber Schwachstellen im Team wurden dann bei taktisehen Fehlern ebenso unübersehbar wie das Fehlen nervlicher Stärke, auch Gegentore zu verkraften. "Das Stör- und Abwehrverhalten der gesamten Elf muß sich unbedingt verbessern", so Bogs. Im Oberliga-Alltag wird das weit weniger geprüft. An den schnellen BFC-Treffern knabberten andere wie der 1. FCM, Halle und FCK länger. Und von sieben Spielen mit Pausenführungen hat Dynamo auch nur eins (Erfurt 3:3/H nicht gewonnen.

Wie bereits im Vorjahr haben die Berliner wieder ein positives Reisekonto (´86: 15:4/11:1; '87: 17:9/9:5). Aber die Verdopplung der Gegentore ('86: 36:8; '87: 36:15), macht Veränderungen ebenso zwingend wie der Totalschwund von Treffern aus der Abwehrformation (4 waren es noch im Vorjahr). Das Fehlen von Vorstopper Reich (2 Tore) fiel da ins Gewicht. "Uns muß beschäftigen, wie Torgefahr und Angriffswirkung auch aus dem Mittelfeld gesteigert werden können", sieht Bogs als Aufgabe. Backs, im Vorjahr mit Pastor an der Spitze (je 11 Tore), hat überhaupt noch nicht getroffen. Ex-Schützenkönig Pastor selbst war zwar bei Saisonbeginn der Schnellste (2. Min. 1:0 gegen den 1. FCM), aber dann kamen Ladehemmungen, zuletzt als fünffache Serie. Für 32 der 38 Treffer sorgten 4 Akteure.

"Das macht uns taktisch ausrechenbar", urteilt der BFC-Trainer. Der EC verdeutlichte das! Die Torgefahr aus den zu stereotyp und ohne Varianten ausgeführten Standards wie Eck- und Freistößen ließ ebenso nach. Früher eine ausgemachte BFC-Stärke! Und doch bleibt viel Positives unter dem Strich: Die "Zwillinge" Thom/Doll wurden noch produktiver als zuvor (statt 18 nun 21 Tore). Und mit dem im Spätherbst immer mehr ausstrahlenden Ernst, der sich wie Libero Rohde wieder fing, bilden sie den Spielmotor, den niemand anders so hat - wenn er läuft.

Wolfgang Hartwig, Neue Fußballwoche, 05.01.1988