Nachwuchs dankbar für alle Tips

Vater Richard weckte die Liebe zum Fußballsport / Vor 150. Spiel für den BFC
In fast jeder Mannschaft finden wir ein oder zwei Aktive, die über dreißig Jahre alt sind. Mit ihrer Erfahrung und Routine sind sie eine große Stütze ihrer Kollektive. Sie geben ihnen mit ihrer gesamten persönlichen Ausstrahlungskraft den erforderlichen Rückhalt. An ihrer Seite reifen veranlagte Talente heran, um eines Tages ebenfalls eine führende Rolle spielen zu können. So haben diese Aktiven gleich in verschiedener Hinsicht eine bedeutende Funktion inne. Sie sind Routiniers und Stützen ihrer Elf, durch ihr untadeliges Vorbild für die jüngeren Mannschaftskameraden und den Nachwuchs sowie auch außerhalb ihrer sportlichen Betätigung eine Persönlichkeit. Einige von ihnen stellen wir in unserer Serie vor.

WERNER LIHSA (Berliner FC Dynamo)
Zur Person: Geboren am 3. Juni 1943 in Schweidnitz. Beruf: Schlosser, derzeitig Studium an der Fachschule des Ministeriums des Innern. Verheiratet mit Frau Kristina, Vater der zehnjährigen Kerstin und des achtjährigen Henryk. Aktiver Fußballer seit 1953. Er begann bei der BSG Traktor Höhnstedt, wechselte als Junior zum SC Chemie Halle, spielte dann im Männeralter bei Dynamo Eisleben, ehe er im Juli 1966 zum BFC Dynamo nach Berlin kam. Wurde einmal in der Nationalelf sowie in der Liga-Auswahl (u. a. gegen Guinea) und in der Bezirksauswahl Halle eingesetzt.

Ein Foto wurde am 1. November 1972 in Bratislava von der DDR-Nationalmannschaft aufgenommen. Zwischen Kapitän Bernd Bransch und Hans-Jürgen Kreische, dem späteren zweifachen Torschützen, stand Werner Lihsa. "Ich erinnere mich noch, als ob die Begegnung gestern stattfand. Die Hymnen der CSSR und unserer Republik ertönten gleich darauf. Das war ein stolzer Augenblick für mich, als ich mit 29 Jahren noch erstmals das Auswahldreß tragen durfte", meinte der Berliner Dynamo-Torhüter. Der Routinier war dann auch wesentlich daran beteiligt, daß in diesem Freundschaftsspiel ein überzeugender 3:1-Erfolg gelang. Die "fuwo" schrieb seinerzeit: Wie er später Schüsse von Jokl (30., 36.), von Koubek (16., 38.), von Pekarik (44., 63.) meisterte, trotz einer Prellung durchhielt, das imponierte. "Ein hundertprozentiger Croy-Ersatz", meinte Trainer Georg Buschner berechtigt.

"Damals standen wir mit dem BFC mitten im Europapokal, hatten gerade Lewski/Spartak Sofia bezwungen", erzählt der 1,79 m große und 75 kg schwere Schlußmann. "Ich befand mich in der Tat in bester Verfassung. Als Croy gesund wurde, gehörte ich noch ein halbes Jahr zum Auswahlkader! Es fällt manchmal schwer, aber man muß sich bescheiden können, wenn die Konkurrenz besser ist!" Ein offenes Wort! Werner Lihsa hat die Mehrzahl der Meisterschaftsspiele dieser Saison beim BFC bestritten. Zuletzt erhielt der 26jährige Hans - Gustav Creydt den Vorzug. "Deshalb gibt es keine Komplikationen zwischen uns." Werner Lihsa wird in naher Zukunft nach Abschluß seines Studiums den talentierten BFC-Schlußmännern "auf die Sprünge helfen". "Wir haben hinter Creydt mit Wargos, Klimpel, Schwerdtner und Rudwaleit hoffnungsvolle junge Leute zur Verfügung. Sie sind auch dankbar für jeden Tip, den sie bekommen", sagt der erfahrene Spieler, der in Kürze seinen 150. Punkt- und Pokalkampf austrägt.

"Mir ging es schließlich einmal nicht anders", fügt Werner Lihsa hinzu. "Als unbeschriebenes Blatt erhielt ich zum Beispiel in Eisleben von vielen erfahrenen Akteuren wie Paul Tretschock oder Jürgen Schülbe gute, kameradschaftliche Hinweise, an die ich heute noch gern denke, weil sie meiner Entwicklung dienten und auch meine heutige Einstellung gegenüber jüngeren Spielern mitbestimmten." Zwei Männern aber ist Werner Lihsa besonders dankbar, weil sie die Liebe zum Fußballsport in ihm weckten. Sein Vater Richard, heute 57 Jahre alt, auch Mutti Maria hatte stets großes Sportverständnis, und Heinz Dietrich, ein Freund der Familie, nahmen Werner schon als Sechsjährigen aus Höhnstedt ins 16 Kilometer entfernte Halle mit, wenn die damalige Turbine - Elf um Oberligapunkte kämpfte.


Hans Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 03.12.1974