Das Mittelfeld verstärken

Wenn ich aus den oben genannten Gründen vor Beginn der zweiten Halbserie das Training beim Oberligakollektiv des BFC Dynamo übernahm, so bedeutet das keineswegs, daß ich Neuland betrat. Bereits in den letzten drei Monaten habe ich mit dem bisherigen verantwortlichen Trainer Karl Schäffner eng zusammengearbeitet und die Aktiven näher kennengelernt. Gemeinsam haben wir eine Einschätzung unserer Mannschaft in der ersten Phase der Meisterschaft 1968/69 erarbeitet, so daß die nachstehend geäußerten Gedanken auch die Meinung des bisherigen Verantwortlichen widerspiegeln. Nach dem Wiederaufstieg wollten wir unsere junge Elf zunächst an das rauhere Klima der höchsten Spielklasse gewöhnen. Das galt vor allem für Spieler wie Meynhardt, Schneider und Voigt, die noch keinerlei Oberligapraxis besaßen. Wir suchten zudem nach einem Mittelfeldregisseur und glaubten, ihn in dem wiedergenesenen Kochale gefunden zu haben.

Unser Handikap bestand weiterhin darin, daß wir die Schlüsselpositionen in der Mannschaft, die in anderen Clubs oft mit Nationalspielern besetzt sind, jungen Kräften anvertrauen mußten. Am Willen und an der Einsatzfreude der Spieler gab es nichts auszusetzen. Dennoch ging es in der Anfangsphase der Meisterschaft nicht ohne Schwierigkeiten ab. Wir hielten zwar in den Begegnungen mit Chemie und dem 1. FC Lok Leipzig sowie dem 1. FC Magdeburg und dem FC Hansa Rostock spielerisch ganz gut mit, doch der Punkterfolg blieb bis auf das Heimspiel gegen den 1. FC Lok aus. Durch das nicht überzeugende Mittelfeldspiel und den mit nur wenig Durchschlagskraft operierenden Angriff schlichen sich zusätzlich Unsicherheiten in die Abwehr ein, so daß wir nach vier Spieltagen an vorletzter Stelle in der Tabelle lagen.

Das entsprach keineswegs unseren Erwartungen. Erst als Schütze die Rolle des Mittelfeldregisseurs übernahm, festigte sich das Kollektiv. Jetzt wurden die Leistungen gezeigt, wie wir sie von Beginn an erhofft hatten. Das bedeutet jedoch nicht, daß wir damit schon zufrieden sind. Doch nachdem zuerst das Spiel zu stark und der Kampf zu wenig in den Vordergrund gestellt worden waren, danach umgekehrt der Kampf zu sehr das Spiel überwog, wurde in der Endphase der ersten Halbserie die richtige Synthese gefunden. Da sich mit der Verstärkung des Mittelfeldspiels schlagartig auch die Leistungen der Abwehr und des Angriffs verbesserten, sehe ich hier noch Reserven. Ich denke dabei an Spieler wie Voigt oder Fleischer, die in der Lage sein sollten, im Rahmen eines 4-3-3-Systems das Niveau unseres Mittelfeldspiels noch zu heben.

Ansonsten stellen wir uns im Rahmen eines noch intensiveren Trainingsprogramms folgende Aufgaben: die jungen Spieler mit einer noch beständigeren Form zu versehen und Leistungsschwankungen zu vermeiden, unsere Abwehr zu einem risikoloseren Spiel zu erziehen, andererseits die Angriffe schon aus der Verteidigung heraus zielstrebig zu entwickeln, die Schußgenauigkeit aus der zweiten Reihe heraus zu verbessern, was im modernen Fußball unerläßlich ist, und das Spiel ohne Ball, das heißt das Freilaufen der Sturmspitzen zu forcieren und die herausgespielten Chancen besser zu nutzen. Wir sind uns bewußt, daß wir mit nur elf Punkten vor einer sehr schweren zweiten Serie stehen. Äußerst wichtig für uns wird das Abschneiden gleich zu Beginn sein. Gelingt es uns, weiteren Boden gutzumachen, sollten wir an die zuletzt gezeigten Leistungen anknüpfen können. Sollten wir aber mit in den Abstiegsstrudel geraten, dann könnte die junge Mannschaft wieder nervlich anfällig werden. Ich bin auf alle Fälle optimistisch, daß es uns gelingt, das gestellte Ziel zu erreichen und den Anschluß zum Mittelfeld herzustellen.

Hans Geitel, Neue Fußballwoche, 31.12.1968