| Vielschichtig sind die Probleme in einem Fußball-Kollektiv. Die Generationsfrage spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Der alternde Aktive, der seinen Platz nur widerstrebend der nachdrängenden Jugend zur Verfügung stellt, kann sich ebenso als Hemmschuh der Leistungsentwicklung erweisen wie eine Elf ohne Erfahrung, der eine ordnende Hand fehlt. Beim BFC Dynamo begann nach dem Abstieg aus der Oberliga im Spieljahr 1966/67 zunächst ein kontinuierlicher Verjüngungsprozeß. Nach dem Wiederaufstieg ins "Oberhaus" wurden dann auch noch bewährte Kräfte wie der langjährige Kapitän Martin Skaba, Konrad Dorner, Hermann Bley und Dieter Fuchs aus dem Kollektiv verabschiedet. Bestärkt durch die jahrelange gute Nachwuchsarbeit wollte man in Hohenschönhausen nun der Jugend vollends das Vertrauen schenken und die Früchte ernten. Die durch den Abgang von Wolff (zum FC Rot-Weiß Erfurt) verwaiste Regisseurrolle sollte der wiedergenesene Kochale übernehmen.
Die spielerisch gute Leistung beim 0:2 gegen Chemie Leipzig, der erste 1:0-Heimsieg über den 1. FC Lok Leipzig schienen diese Rechnung aufgehen zu lassen. Doch es folgten eine hohe 1:4-Niederlage in Magdeburg und zu Hause ein 1:3 gegen den FC Hansa Rostock, die den 13. Tabellenplatz zum Ergebnis hatten. Der Schlachtplan der BFC-Leitung schien somit ins Wanken zu geraten. An der Einsatzbereitschaft und am Eifer solcher jungen Spieler wie Meynhardt, Schneider, Voigt, Seidel, Weber, Schütze und Hempel gab es nichts zu deuteln, doch der Kraftverbrauch der Mannschaft stand nicht im Einklang mit den gewonnenen Punkten und erzielten Toren. Es fehlten die berühmten "Korsettstangen", ohne die es nun einmal im modernen Fußball nicht geht, zumal auch Kochale der ihm zugedachten Aufgabe nicht gerecht wurde.
Das Verjüngungstempo war offensichtlich doch etwas zu sehr forciert worden, der Zeitpunkt des Rücktritts der erfahrenen "Oberligahasen" zu früh gewählt, so daß Rückschläge nicht ausbleiben konnten. Darüber konnten such ein 0:0 in Aue sowie ein 3:1-Heimsieg über Riesa nicht hinwegtäuschen. Man sann nach Auswegen und nutzte dabei die durch das Länderspiel gegen Polen eingetretene Punktspielpause gut. Schütze wurde probeweise in die zweite Reihe zurückgenommen und dafür der schon oberligaerfahrene Aedtner in den Angriff eingebaut. Dieser Schachzug sollte sich als äußerst geschickt erweisen. Die überraschend schwache Erfurter Elf wurde 1:0 besiegt, beim 1. FC Union wurde ein 1:1 herausgeholt, und auch die Elf des FC Karl-Marx-Stadt wurde mit einer 0:1-Niederlage nach Hause geschickt. In drei Spielen hatte man fünf Punkte gewonnen!
Was aber vielleicht noch wertvoller war - dabei in Schütze eine Spielerpersönlichkeit entwickelt, die es immer besser verstand, die Kombinationsfäden im Mittelfeld zu knüpfen. Trotz einer 1:2-Niederlage brachte das letzte Meisterschaftstreffen beim FC Vorwärts die Krönung dieser Neuformation, denn keine andere Mannschaft hatte in der ersten Halbserie den zu Hause ungeschlagenen Herbstmeister so in Verlegenheit gebracht wie der Aufsteiger. Wenn es in dieser zweiten erfolgreicheren Phase des BFC Dynamo noch etwas zu bemängeln gab, dann waren es vor allem taktische Fehler. Man verstand es beispielsweise in den jeweils 1:0 gewonnenen Begegnungen mit dem FC Rot-Weiß Erfurt und dem FCK oder beim 1:1 gegen Sachsenring Zwickau nicht, durch ein konsequentes Angriffsspiel bis zuletzt die Führung weiter auszubauen, was dem Spiel der Berliner zweifellos noch mehr Sicherheit gegeben hätte.
Statt dessen wurde man nervös, beschränkte man sich nur noch auf die Abwehr und beschnitt sich somit die eigenen Flügel. Doch darüber dürfte Einmütigkeit herrschen, daß diesem jungen, entwicklungsfähigen Kollektiv bei weiterer intensiver Arbeit mit ihm die Zukunft gehört. Die ständige Vervollkommnung der Mannschaft wird aber schon nicht mehr die Aufgabe des bisherigen Trainers Karl Schäffner sein. Er selbst hat die Leitung des BFC Dynamo nach Abschluß der ersten Halbserie darum gebeten, ihn aus Gesundheitsgründen (er leidet an Magengeschwüren) von seinen Pflichten als Oberligatrainer zu entbinden, um auch einen Kuraufenthalt antreten zu können. Der Clubvorstand stimmte dem zu und beauftragte den seit Jahren in der Jugendarbeit bewährten Hans Geitel, das Training des Kollektivs zu übernehmen. Da Hans Geitel bereits über Erfahrung in der höchsten Spielklasse (Erfurt) verfügt, dürfte sich dieser Wechsel keineswegs leistungsmindernd auswirken. Man darf deshalb gerade auf das Abschneiden des BFC Dynamo in der zweiten Halbserie besonders gespannt sein.
Werner Fischer, Neue Fußballwoche, 31.12.1968
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